Wenn über Lehrergesundheit gesprochen wird, werden in der Regel Zahlen zu Belastungen und Stresssymptomen bzw. -folgen zitiert. Der Gesundheitsstatus von Lehrkräften wird vor allem aus der Sicht des Mangels an Gesundheit diskutiert (defizitorientierte Perspektive). Auch in diesem Kapitel finden Sie einen kleinen Exkurs zu den Symptomen, Krankheiten und Frühpensionierungen im Lehrerberuf. Im Mittelpunkt steht jedoch die salutogene Perspektive: Wie schafft es der größere Teil der Lehrkräfte, trotz hoher Arbeitsbelastungen gesund zu bleiben?
Denn: Auch wenn konservative Schätzungen davon ausgehen, dass mindestens 20% der Lehrkräfte gravierende Einschränkungen ihrer Gesundheit und damit Leistungsfähigkeit aufweisen (Krause & Dorsemagen, 2011), heißt das im Umkehrschluss auch: Knapp 80% fühlen sich gesund.
Folgende Fragen werden deshalb in diesem Kapitel bearbeitet: Welche Ressourcen sind besonders wichtig für Lehrkräfte? Wie können diese ausgebaut werden, z. B. im Rahmen einer gesundheitsförderlichen Aus- und Weiterbildung?
Der Lehrerberuf - ein besonders beanspruchender Beruf?
Der Lehrerberuf wird oft als einer der beanspruchendsten Berufe eingeschätzt, zuweilen sogar als Gesundheitsrisiko per se verstanden (z.B. Schaarschmidt, 2004, 2007). Die Ergebnisse der belastungs- und beanspruchungsbezogenen Lehrergesundheitsforschung weisen seit Jahren darauf hin, dass etwa ein Viertel aller Lehrkräfte ein mit Burnout assoziiertes arbeitsbezogenes Erlebens- und Verhaltensmuster aufweist (ebenda). Im Mittelpunkt stehen dabei vor allem Ergebnisse aus der personenbezogenen Forschung, die bis heute die Lehrergesundheitsforschung dominiert. Inzwischen mehren sich die Stimmen, die bezweifeln, ob die Befunde zur Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) von Burnout im Lehrerberuf stimmen. Berichtet werden Spannweiten von 15 bis 30% (Sosnowsky, 2007) - Grund dafür ist die diagnostische Unschärfe des Konstrukts Burnout. Kritische Autorinnen und Autoren bezweifeln sogar, ob die "Modediagnose" Burnout überhaupt gerechtfertigt ist.
Definition Der Begriff Burnout stammt aus der klinischen Psychologie und beschreibt ein Phänomen, bei dem Menschen beginnen, Symptome von emotionaler Erschöpfung, Demoralisierung, Müdigkeit, Antriebsverlust, Unzufriedenheit, reduzierter Leistungstätigkeit und Depersonalisierung/Abneigung zu zeigen. Vormals häufig engagierte Menschen werden reizbar, misstrauisch, halsstarrig, entwickeln eine negative und zynische Einstellung zu ihrer Arbeit und den Mitmenschen, was zugleich mit einer depressiven Symptomatik einhergehen kann. Burnout ist keine Krankheit, sondern ein Problem der Lebensbewältigung (vgl. ICD-10, Internationale Klassifikation von Erkrankungen). Es handelt sich um eine körperliche, emotionale und geistige Erschöpfung aufgrund beruflicher Überlastung. Diese wird meist durch Stress ausgelöst, der aufgrund verminderter Belastbarkeit nicht bewältigt werden kann. |
So plädiert etwa Lehr (2011) dafür, eher etablierte Diagnosesysteme depressiver Störungen auch für den Lehrerberuf zu nutzen, hierdurch gelänge auch ein besserer Vergleich mit anderen Berufsgruppen. Ergebnisse aus einem Projekt zum Vergleich psychisch erkrankter mit gesunden Lehrkräften (Priener Lehrerprojekt) liefern dazu stichhaltige Ansatzpunkte, obwohl das zentrale Paradigma der Burnout-Diskussion lautet: "Nur wer entflammt war, kann ausbrennen.", ließen sich im Vergleich der Berufswahlmotive der beiden Gruppen keine signifikanten Unterschiede finden (Hillert et al., 2012, S. 10f.). Fazit der Studie: Es ist nicht die Begeisterung und der Idealismus im Beruf, der später in eine Depression mündet - entscheidend ist vielmehr das Bewältigungsverhalten und die Übersetzung der Berufsbegeisterung in erreichbare Ziele. Die Autoren der Studie benennen den Idealismus sogar als eine "Kraftquelle" - allerdings nur, solange er auf konkrete Ziele fokussiert (ebenda).
Fakt ist weiterhin, dass "harte Daten" zum Gesundheitsstatus von Lehrkräften, die auf ärztlichen Diagnosen beruhen, nur bei Dienstunfähigkeit vorliegen. Es mangelt an belastbaren Daten zum Gesundheitsstatus von Lehrerinnen und Lehrern im Beruf, auch über eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes von Lehrkräften, wie es manchmal behauptet wird, können kaum valide Aussagen gemacht werden.
Die Auswertung von Krankenstandsstatistiken, die gerne als "harte Daten" zum Beleg der häufigeren und längeren Erkrankung von Lehrkräften im Vergleich zu anderen Berufsgruppen herangezogen werden, liefert keine belastbaren Ergebnisse (vgl. im Überblick Rothland & Klusmann, 2012).
Als Indikator für die Belastung im Lehrerberuf wird häufig auch die Frühpensionierungsrate herangezogen. Diese steigt zwar seit 2006 kontinuierlich an. Eine Einordnung der Daten zur Frühpensionierung von Lehrkräften ist aber schwierig, da sie weniger über den Gesundheitsstatus der Lehrkräfte als über politische Entscheidungen (Einführung von Abschlägen, Altersteilzeitangebote), amtsärztliche Praxis (Einfachheit der Beantragung) und mangelnd...