Arbeiten in der Nähe unter Spannung stehender Teile sind alle Arbeiten, bei denen eine Person mit Körperteilen, Werkzeug oder anderen Gegenständen in die Annäherungszone gelangt, ohne die Gefahrenzone zu erreichen. Hierbei besteht immer die Gefahr des "zufälligen" Berührens der aktiven Teile. In diesem Zusammenhang werden "elektrotechnische Arbeiten" von "Bauarbeiten und sonstige nichtelektrotechnische Arbeiten" unterschieden, für die die jeweiligen Schutzabstände zu berücksichtigen sind.
Elektrotechnische Arbeiten
Mit elektrotechnischen Arbeiten werden die Arbeiten an, mit oder in der Nähe von elektrischen Anlagen bezeichnet, die das Erproben und Messen, Instandsetzen, Auswechseln, Ändern, Erweitern, Errichten und Prüfen umfassen. Der Begriff "in der Nähe" ist sehr weit zu fassen. Daher gibt es bei der Festlegung des einzuhaltenden Sicherheitsabstands zum unter Spannung stehenden Teil auch viele zu berücksichtigende Einzelfaktoren, die letztendlich zur sicheren Abstandsermittlung heranzuziehen sind und nur von einer Elektrofachkraft ermittelt werden können. In die Ermittlung einzubeziehen sind beispielsweise die Höhe der Spannung, die Anlagenbauweise, die Personalqualifikation und die Platzverhältnisse bei der Art der durchzuführenden Arbeiten. Der beste Personenschutz wird daher mit der Arbeitsmethode "Arbeiten im spannungsfreien Zustand" unter Einhaltung der fünf Sicherheitsregeln erreicht.
Ist eine Freischaltung nicht möglich, muss der erforderliche Schutz bei allen berührbaren Anlagenteilen entweder
durch Schutzvorrichtungen, Abdeckungen, Kapselung oder isolierende Umhüllung (DIN VDE 0105-100, 6.4.2)
oder
- durch Abstand und Aufsichtsführung (DIN VDE 0105-100, 6.4.3)
gewährleistet werden.
Auch bei Anwendung des "Schutz durch Schutzvorrichtungen, Abdeckungen, Kapselung oder isolierende Umhüllungen" darf das Anbringen der Schutzmittel (Schutzvorrichtungen, Abdeckungen, Kapselung oder isolierende Umhüllungen) zu keiner Personengefährdung führen. Daher ist zum Anbringen der Schutzmittel innerhalb der Gefahrenzone und innerhalb der Annäherungszone entweder der spannungsfreie Zustand herzustellen oder es sind Festlegungen für das Arbeiten unter Spannung anzuwenden. Die Schutzvorrichtungen selbst müssen so ausgewählt und angebracht werden, dass eine Gefährdung durch elektrische und mechanische Überbeanspruchung ausgeschlossen werden kann. Sie müssen sich in ordnungsgemäßem Zustand befinden und während der Arbeiten sicher befestigt sein. Die Arbeitsstelle muss durch geeignete Abdeckungen, Seile, Flaggen, Lampen, Schilder usw. eindeutig gekennzeichnet werden (Grenze des Arbeitsbereichs). Das Verwechseln von benachbarten Schaltfeldern muss durch geeignete Maßnahmen (deutlich sichtbare Hilfsmittel) ausgeschlossen werden können.
Bieten solche Einrichtungen keinen vollständigen Schutz gegen direktes Berühren unter Spannung stehender Teile (bei Niederspannung weniger als IP 2X), so müssen Laien, die in der Nähe dieser Teile arbeiten, beaufsichtigt werden. Die Arbeitenden sind vor Beginn der auszuführenden Arbeiten über das Einhalten der notwendigen Abstände sowie über die getroffenen Sicherheitsmaßnahmen und die Notwendigkeit eines ständigen sicherheitsbewussten Verhaltens durch den Arbeitsverantwortlichen zu unterrichten, was in angemessenen Zeitabständen oder nach Änderung der Arbeitsbedingungen zu wiederholen ist.
Bei Arbeiten in Innenraumanlagen mit Nennspannungen über 1 kV an offenen, einseitig unter Spannung stehenden Einrichtungen, mit denen eine Trennstrecke hergestellt ist, müssen die unter Spannung stehenden Teile mit einem Schutz gegen direktes Berühren versehen werden, wenn die Gefahrenzone erreicht werden kann. Hierfür können z. B. geeignete isolierende Platten eingeschoben oder isolierende Formstücke und Abdeckungen mit ausreichender elektrischer und mechanischer Festigkeit verwendet werden.
Bei Arbeiten in Schaltfeldern von Innenraumanlagen mit Nennspannungen über 1 kV ohne Trennwände muss die Arbeitsstelle gegen benachbarte Schaltfelder oder andere unter Spannung stehende Teile durch einen Schutz gegen direktes Berühren gesichert sein.
Bei Anwendung der Maßnahme "Schutz durch Abstand und Aufsichtsführung" ist immer ein Abstand größer als DL (Annehmbarer Mindestabstand in Luft, der die äußere Grenze der Gefahrenzone bestimmt) einzuhalten, wobei Ort und Umfang der Arbeiten sowie Nennspannung der Anlage zu berücksichtigen sind. Der Arbeitsverantwortliche hat hierzu konkrete Vorgaben für die Auswahl des Personals und Vorgaben für den Arbeitsablauf festzulegen, die das Erreichen der Gefahrenzone ausschließen. Hierzu bedarf es guter Fachkenntnisse und zuverlässiger Mitarbeiter.
Gefahrenzone DL, abhängig von der Nennspannung |
Netz-Spannung UN (effektivwert) kV |
Äußere Grenze der Gefahrenzone DL (Abstand in der Luft) mm |
Bemessungs-Steh Blitz/Schaltstoß spannung Uimp (Scheitelwert) |
|
Innenraumlage |
Freiluftlage |
kV |
≤ 1 |
keine Berührung |
4 |
3 |
60 |
120 |
40 |
6 |
90 |
120 |
60 |
10 |
120 |
150 |
75 |
15 |
160 |
95 |
20 |
220 |
125 |
30 |
320 |
170 |
36 |
380 |
200 |
45 |
480 |
250 |
66 |
630 |
325 |