Jeder Arbeitgeber hat die Pflicht sichere und gesundheitsgerechte Arbeitsräume, Arbeitsmittel und Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen. Diese sich aus dem "Privatrecht" (§ 618 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), § 62 Handelsgesetzbuch (HGB)) ergebende Pflicht wird durch das öffentliche Arbeitsschutzrecht verstärkt. Es verpflichtet den Arbeitgeber gegenüber dem Staat oder anderen Trägern hoheitlicher Gewalt die erforderlichen Arbeitsschutzmaßnahmen - hierzu zählt auch die sichere Gestaltung von Arbeitsstätten - zu treffen.
Hier sind für die Rechtsetzung und Überwachung Staat und Träger der gesetzlichen Unfallversicherung gemeinsam zuständig.
Im Folgenden werden die Rechtsgrundlagen im Hinblick auf ihre Qualität beschrieben.
Quellen für Vorschriften sind Vorschriften der Europäischen Union (EU), Bundesgesetze und Rechtsverordnungen des Bundes, Landesgesetze und zugehörige Verordnungen, Satzungen der Unfallversicherungsträger sowie andere Rechtsquellen.
Inhalte von "Vorschriften der Europäischen Union (EU)" werden in der Regel in deutsche Gesetze oder Verordnungen überführt.
Gesetze sind allgemein verbindliche Rechtsvorschriften, die die Rechte und Pflichten der ihrem Geltungsbereich unterworfenen Personen regeln.
Beispiel: Arbeitsschutzgesetz, Chemikaliengesetz
Abb.1.1
Hierarchie der Rechtsnormen im Arbeitsschutz, Quelle: BGW
Verordnungen können erlassen werden, wenn in einem Gesetz eine Ermächtigung zum Erlass zugehöriger Verordnungen niedergeschrieben ist. Verordnungen konkretisieren die eher abstrakten gesetzlichen Anforderungen. Beispiel: Arbeitsstättenverordnung, Gefahrstoffverordnung, Betriebssicherheitsverordnung
Unfallverhütungsvorschriften sind autonome Rechtsnormen der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Sie sind unmittelbar verbindlich für die Mitglieder und Versicherten des Unfallversicherungsträgers, der diese erlassen hat.
Unfallverhütungsvorschriften sind auch "allgemein anerkannte Regeln der Technik". Sie können in Bereichen, in denen sie nicht unmittelbar gelten, wichtige Bewertungsmaßstäbe sein.
Gesetze, Verordnungen und Unfallverhütungsvorschriften sind verbindlich und müssen eingehalten werden.
Technische Regeln werden von fachkundigen staatlichen Ausschüssen aufgestellt. Sie sind "allgemein anerkannte Regeln der Technik" und konkretisieren Gesetze, Rechtsverordnungen und autonome Rechtsnormen. Eine Abweichung von ihren Festlegungen ist dann zulässig, wenn das angestrebte Ziel der Rechtsnormen zwar auf andere Weise, aber nachweislich mindestens in gleicher Qualität erreicht wird.
Beispiele:
- Technische Regeln für Arbeitsstätten (ASR)
- Technische Regeln für Gefahrstoffe (TRGS)
- Technische Regeln für Betriebssicherheit (TRBS)
- Technische Regeln für Biologische Arbeitsstoffe (TRBA)
Regeln der Unfallversicherungsträger, insbesondere Branchenregeln, erläutern, mit welchen konkreten Präventionsmaßnahmen die Arbeitsschutzpflichten erfüllt werden können. Insofern verbinden sie das staatliche Regelwerk mit branchenspezifischen Inhalten und ergänzen es z. B. durch Erfahrungswissen der Unfallversicherungsträger und Aspekte der Gesundheitsförderung.
In den letzten Jahren wurde die Anzahl der Unfallverhütungsvorschriften reduziert und durch staatliche Arbeitsschutzvorschriften ersetzt. Neue Unfallverhütungsvorschriften werden nur noch dort erlassen, wo es im staatlichen Recht keine Regelung gibt.
Das autonome Satzungsrecht der Unfallversicherungsträger berücksichtigt den Vorrang des staatlichen Rechts. Zugleich stellt die DGUV Vorschrift 1 "Grundsätze der Prävention" durch die Inbezugnahme staatlichen Rechts sicher, dass sich die Unfallversicherungsträger bei der Erfüllung ihres Präventionsauftrags auch auf staatliche Arbeitsschutzvorschriften stützen können. Die Unfallversicherungsträger können hierdurch die notwendigen Maßnahmen auch des staatlichen Arbeitsschutzes auf der Grundlage des Sozialgesetzbuches Siebtes Buch (SGB VII) durchsetzen.
Deregulierung und Schutzziele
Die fortschreitende Deregulierung im Arbeitsschutz, weg von konkreten Vorgaben, hin zu Schutzzielen, spiegelt sich in neuen Vorschriften und Regeln wieder. Die Arbeitgeber sind in der Pflicht, Arbeitssysteme so zu gestalten, dass nicht akzeptable Erkrankungs- und/ oder Verletzungsrisiken vermieden oder zumindest minimiert werden. Das Schutzziel beschreibt das erforderliche Sicherheitsniveau der Arbeitssysteme. Schutzziele drücken Forderungen und Vorgaben aus, die Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit zum Inhalt haben. Sie legen den sicheren Soll-Zustand fest und sind in der Regel in Gesetzen, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Normen u. ä. enthalten.
Abb. 1.2
Beispiel Schutzziele: Mindestbreiten der Verkehre und Erreichbarkeiten in Abhängigkeit von Behinderungsbildern