Erzwungene Körperhaltungen bzw. Zwangshaltungen treten dann auf, wenn Körperhaltungen über eine längere Zeit durch den Arbeitsprozess vorgegeben werden, ohne dass ausreichende Ausgleichsbewegungen möglich sind. Die Folge können hohe statische Belastungen der Muskulatur sein, die auf Dauer und ohne entsprechende Entspannungsphasen zu hohen Beanspruchungen und schließlich zu Muskel-Skelett-Beschwerden führen können.
Eine zu hohe Beanspruchung bei Körperzwangshaltungen ist also in erster Linie auf eine unphysiologische Dauerbelastung bestimmter Muskelgruppen zurückzuführen. Handelt es sich um "neutrale" Haltungen wie Stehen, Gehen oder aufrechtes Sitzen, können diese in der Regel über längere Zeit ohne negative Folgen ausgeführt werden. Hier ist erst nach mehreren Stunden ohne wirksame Erholungsphasen mit Ermüdungserscheinungen der Muskulatur zu rechnen. Handelt es sich dagegen um Haltungen, bei denen Rumpf, Arme oder Beine in einer nicht "neutralen" Haltung ohne wirksame Abstützung oder Pause gehalten werden müssen, können Ermüdungserscheinungen oder Beschwerden bereits viel früher auftreten (z. B. Arbeiten über Kopf oder in extremer Rumpfbeuge).
Zu den wichtigsten arbeitsbezogenen Zwangshaltungen gehören Arbeiten
- in starker Rumpfbeuge,
- im Knien oder Hocken,
- über Schulterniveau,
- in erzwungener Sitzhaltung und
- im dauerhaften Stehen.
Arbeiten in starker Rumpfbeuge
Bei diesen Tätigkeiten wird der Oberkörper über längere Zeit stark bis extrem nach vorne geneigt, wobei eine statische Überbeanspruchung der Rückenmuskulatur mit entsprechenden gesundheitlichen Folgen wie Muskelverspannungen oder Rückenschmerzen entstehen kann. Derartige Tätigkeiten treten auf, z. B. beim Eisenflechten (Betonbau), bei Pflanz- und Erntearbeiten (Gartenbau) oder im Schiffbau (Metallindustrie).
Präventionsempfehlungen für die Praxis |
Um zu hohe Beanspruchungen durch Tätigkeiten in starker Rumpfbeuge zu vermeiden, können Sie folgende Maßnahmen in Ihrem Unternehmen ergreifen:
- Passen Sie die Arbeitshöhe an (z. B. technische Lösungen wie Hubtische, höhenverstellbare Arbeitstische und Stühle).
- Stellen Sie Werkzeuge mit Teleskopstiel zur Verfügung.
- Planen Sie bei der Arbeit häufige Haltungswechsel und Erholungsphasen ein.
- Motivieren Sie die Beschäftigten zu einem Training der Rumpfmuskulatur.
- Wenn technische und/oder organisatorische Maßnahmen nicht angewandt werden können, ist u. U. der Einsatz von rumpfunterstützenden Exoskeletten zu erwägen. Allerdings liefern diese nur eine Teilunterstützung des Rückens während einer gebeugten Körperhaltung.
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Abb. 19 Arbeiten in aufrechter Körperhaltung ohne einen Haltungswechsel durch drehbare Haltevorrichtung oder höhenverstellbaren Montagetisch
Arbeiten im Knien oder Hocken
Zu diesen kniebelastenden Tätigkeiten zählen neben Arbeiten im Knien und Hocken auch vergleichbare Haltungen wie Fersensitz oder Kriechen. Dabei werden sowohl statische Haltungen als auch Bewegungen mit gleichzeitiger Kraftaufwendung als belastende Faktoren für die Kniegelenke und ihre einzelnen Strukturen (z. B. Knorpel, Menisken, Bänder oder Schleimbeutel) angesehen. Ausgeprägtes Knien oder Hocken findet sich in der Arbeitswelt etwa im Baugewerbe (z. B. beim Fliesenlegen, Estrich-, Parkettlegen, Pflastern), im Verkehrsgewerbe (z. B. bei der Flugzeugabfertigung) oder in der Metallindustrie (z. B. beim Schweißen).
Präventionsempfehlungen für die Praxis |
Um eine zu hohe Beanspruchung durch Tätigkeiten im Knien oder Hocken zu vermeiden, können Sie folgende Maßnahmen in Ihrem Unternehmen ergreifen:
- Passen Sie die Arbeitshöhe an (z. B. technische Lösungen wie Hubtische).
- Stellen Sie Werkzeuge mit Teleskopstiel o. Ä. zur Verfügung.
- Stellen Sie Hocker o. Ä. zur Verfügung.
- Reduzieren Sie die Belastung durch Abstützung des Oberkörpers.
- Planen Sie bei der Arbeit häufige Haltungswechsel und Erholungsphasen ein.
- Stellen Sie Knieschutz zur Verfügung.
- Motivieren Sie die Beschäftigten zu einem Training der unteren Extremitäten.
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Abb. 20 Aufrechte Körperhaltung durch Einsatz eines Teleskopstiels
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Abb. 21 Beim Einsatz eines Knierollwagens mit Sitz und Rumpfauflage wird die Rücken- und Beinmuskulatur entlastet.
Arbeiten mit Händen über Schulterniveau
Tätigkeiten, bei denen die Hände über Schulterniveau gehalten werden müssen, können aufgrund der zu leistenden Haltearbeit unmittelbar zu hohen Beanspruchungen der beteiligten Muskulatur führen. Oftmals wird bei diesen Tätigkeiten auch der Kopf ungünstig nach hinten geneigt. Als Folge sind Muskel-Skelett-Beschwerden in den Bereichen Nacken, Schultern, Arme und Rücken möglich. Arbeitsbedingt treten derartige Tätigkeiten, zu denen auch typische "Überkopf-Arbeiten" zählen, z. B. im Baugewerbe (Malerarbeiten, Stuckarbeiten, Trockenbau), in der Automobilindustrie (Fahrzeugproduktion), beim Schweißen oder branchenübe...