Bestimmte Tätigkeiten erfordern das Aufbringen erhöhter Kräfte, ohne dass Lasten bewegt werden. In den meisten Fällen wird dabei eine Aktionskraft über die Hände an die Umgebung im Sinne der auszuübenden Tätigkeit übertragen. Zwangsläufig sind damit auch erhöhte Kräfte innerhalb des menschlichen Körpers verbunden, die in der Regel über Arme, Rücken oder Beine übertragen werden müssen, damit die erforderliche Abstützung zur Stabilisierung des Körpers erreicht werden kann. In diesem Zusammenhang spricht man von Ganzkörperkräften, wenn der gesamte Körper an der Kraftübertragung beteiligt ist, bzw. von Finger-, Hand- oder Armkräften, wenn nur die entsprechenden Teilbereiche des Körpers maßgeblich für die Kraftaufbringung sind. Finger-, Hand- und Armkräfte werden in Kapitel 5 behandelt. Belastungen durch Körperfortbewegung treten oft in Kombination mit schwer zugänglichen Arbeitsstellen wie beim Besteigen von Windkraftanlagen, Freileitungsmasten oder Kranen auf. Auch in Verbindung mit dem Lastentransport über Treppen oder mit dem Fahrrad können solche Belastungen entstehen.
Bei einer erhöhten Kraftanstrengung muss der menschliche Körper auch erhöhte Muskelkräfte aufbringen, was zu lokalen, aber auch globalen Ermüdungseffekten der Muskulatur und des Herz-Kreislauf-Systems führen kann. Insbesondere bei statischer Muskelanspannung in Verbindung mit einer zeitlich konstanten Körperhaltung kommt es wegen der damit verbundenen Drosselung der Durchblutung zu einer raschen Muskelermüdung. Als Richtwert kann man davon ausgehen, dass bereits bei einer Überschreitung von 15 Prozent der individuellen Maximalkraft die sogenannte Dauerleistungsgrenze überschritten ist. In diesem Fall ist eine Ausführung der Tätigkeit über die tägliche Arbeitszeit nicht mehr möglich.
Tätigkeiten mit erhöhter Kraftanstrengung oder Krafteinwirkung können sich sowohl auf das Muskel-Skelett-System (z. B. Muskulatur, Sehnen, Bänder und Gelenke in Rumpf, Armen und Beinen) als auch das Herz-Kreislauf-System auswirken. Die Höhe der Beanspruchung ist dabei neben der Höhe der Kraft, der Dauer und Häufigkeit der Kraftausübungen auch abhängig von Arbeitsumgebungsfaktoren und insbesondere individuellen menschlichen Voraussetzungen wie Konstitution, Trainingszustand oder Erfahrung in der auszuübenden Tätigkeit.
Präventionsempfehlungen für die Praxis |
Um zu hohe Beanspruchungen durch Tätigkeiten mit erhöhten Ganzkörperkräften und Körperfortbewegung zu vermeiden, können Sie folgende Maßnahmen in Ihrem Unternehmen ergreifen:
- Stellen Sie geeignete Werkzeuge und technische Hilfsmittel zur Verfügung (z. B. Handgeräte in einen Ständer oder an einen Balancer hängen).
- Gezielter Einsatz von Hilfsmitteln z. B. E-Bike, geeignetes Transportmittel für zu tragende Lastgewichte (Rollkoffer, Transportwagen, etc.).
- Planen Sie Arbeitseinsätze so, dass die Belastung über die Arbeitsschicht verteilt wird (schaffen von Erholungsphasen).
- Sorgen Sie für eine geeignete Arbeitsumgebung(z. B. ergonomische Bewegungs- und Greifräume).
- Reduzieren Sie den erforderlichen Kraftaufwand durch Hilfsmittel so weit, dass in ergonomischgünstiger Körperhaltung (z. B. aufrecht und beidhändig) gearbeitet werden kann.
- Sorgen Sie für eine optimale Kraftübertragung durch ergonomisch günstige Greifbedingungen(z. B. Griffgestaltung).
- Planen Sie die Arbeitsaufgabe so, dass Unterstützung durch weitere Personen möglich ist.
- Motivieren Sie die Beschäftigten zu einem Training zur besseren Stabilisierung des Rumpfes
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Typische Beispiele für die beschriebenen kraftbetonten Tätigkeiten sind etwa das Bearbeiten großer Werkstücke, das Drehen von schwergängigen Kurbeln, Einsatz von Hebeln und Brechstangen. Aber auch das Bewegen von Menschen in Pflegeberufen ist eine kraftbetonte Tätigkeit. Derartige Tätigkeiten finden sich z. B. in der industriellen Einzel- und Serienfertigung, bei Montagearbeiten, im Baugewerbe, in Forst- und Landwirtschaft sowie in der Alten- und Krankenpflege.
Die Belastungsart Körperfortbewegung zeichnet sich durch eine erschwerte oder lang andauernde Fortbewegung aus, wie sie typisch für das Steigen auf Leitern und Treppen ist. Aber auch beim Gehen oder Radfahren können Erschwernisse durch zusätzlich zu transportierende Lastgewichte oder Umgebungsbedingungen wie unebener Untergrund oder Steilheit des Geländes gegeben sein.
Grundsätzlich ist die Körperfortbewegung als Ausgleich für bewegungsarme Arbeitsweisen bzw. Arbeiten in Zwangshaltungen aus ergonomischer Sicht zu begrüßen. Die körperlichen Anforderungen hinsichtlich Belastungsdauer und -höhe sollten die Beschäftigten jedoch nicht überfordern.
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Abb. 24 Ein Platten-Montagelift entlastet das Hand-Arm-System und die Wirbelsäule durch Vermeidung von Ganzkörperkräften.
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Abb. 25 Der Einsatz eines Anlegeaufzugs vermeidet Ganzkörperkräfte beim Transport schwerer Möbelstücke über enge Treppenhäuser.
Abbildung kann aus G...