Dipl.-Ing. Cornelia von Quistorp
Im Baurecht ist i. d. R. von Rettungswegen die Rede, um zu betonen, dass es hier darum geht, außer der Flucht der vom Brand betroffenen Personen auch den schnellen Rettungseinsatz und Löschangriff der Feuerwehr sicherzustellen.
Betrachtet man die Rettungswege innerhalb eines Gebäudes, muss von den sog. Aufenthaltsräumen ausgegangen werden. Es soll verhindert werden, dass Personen in Räumen, in denen sie sich mehr als nur gelegentlich aufhalten, im Brandfall von Rauch und Flammen eingeschlossen werden. Deswegen gilt die unabdingbare Forderung, dass aus Nutzungseinheiten, in denen sich Aufenthaltsräume i. S. des Baurechts befinden, 2 voneinander unabhängige Rettungswege bestehen müssen, wobei beide von demselben Flur abgehen dürfen (z. B. Tür zum Treppenhaus und anleiterbares Fenster bzw. Tür zu Nottreppenhaus, vgl. Abb. 1). Unter Nutzungseinheit ist dabei z. B. ein Flur zu verstehen, an dem mehrere Büroräume liegen, oder eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus.
Abb. 1: Rettungswege in Gebäuden
Aufenthaltsräume i. S. des Baurechts
Ein Aufenthaltsraum nach Landesbauordnungen ist jeder Raum, in dem sich Personen nicht nur vorübergehend aufhalten. Alle Arbeits- und Pausenräume fallen auf jeden Fall darunter, in anderen Fällen ist die Abgrenzung fließend. Abstellräume, nur gelegentlich begangene Lager, Heizungsräume usw. sind i. d. R. keine Aufenthaltsräume.
Der erste Rettungsweg ist der "normale" Verkehrsweg innerhalb des Gebäudes, für den nach Landesbauordnungen bestimmte Bauanforderungen einzuhalten sind (s. u.). Die darin enthaltenen Flure und Treppenräume werden im Baurecht als notwendige Flure, Treppen usw. bezeichnet.
Bei kleinen Nutzungseinheiten und wenigen betroffenen Personen kann der zweite Rettungsweg die Anleitermöglichkeit für die Feuerwehr sein, also einfach ein ausreichend großes und gut erreichbares Fenster (mindestens 0,90 × 1,20 m, Brüstungshöhe höchstens 1,20 m). Bei großen Höhen und/oder einer großen Zahl von Gebäudenutzern kommt aber nur ein zweiter, selbstständig nutzbarer Rettungsweg infrage, z. B. eine außen liegende Fluchttreppe. Große Gebäude verfügen i. d. R. über 2 oder mehrere Treppenhäuser, sodass diese Forderung auf jeden Fall erfüllt ist.
Nur in besonderen Fällen (z. B. im Hochhausbau) wird auf den zweiten Rettungsweg verzichtet. Dann ist ein sog. Sicherheitstreppenraum vorzusehen, für den bestimmte sehr strenge bauliche Auflagen gelten. So kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass Flucht und Rettung in diesem Treppenraum nicht durch Feuer und Rauch gefährdet werden.
Möglichkeiten der Feuerwehr berücksichtigen
Die Frage, wie der zweite Rettungsweg realisiert werden kann, hängt natürlich auch wesentlich von den Möglichkeiten der zuständigen Feuerwehr ab. So kommt die Anleitermöglichkeit als zweiter Rettungsweg nur infrage, wenn die Feuerwehr im Notfall schnell genug vor Ort sein kann und die entsprechenden personellen und technischen Kapazitäten hat, die zu erwartende Anzahl von Personen auf diesem Weg in Sicherheit zu bringen. Hier ist die enge Abstimmung mit den zuständigen Behörden unbedingt notwendig.