Dipl.-Ing. Cornelia von Quistorp
Zusammenfassung
Im Notfall, z. B. bei einem Brand, muss sichergestellt sein, dass Personen ein Gebäude schnell und sicher verlassen können. Ebenso müssen Rettungsmaßnahmen im erforderlichen Umfang möglich sein. Dazu gibt es besondere Anforderungen an die Wege, mit denen ein Gebäude und seine einzelnen Bereiche erschlossen sind. Wie diese Anforderungen im Detail aussehen, hängt von der Beschaffenheit und der Art der Nutzung eines Gebäudes ab und ist daher auch vom Einzelfall abhängig. Bei allen Fragen der Sicherheit auf Flucht- und Rettungswegen ist zu berücksichtigen, dass sie oft behördlich genehmigungsrelevant sind. Auf jeden Fall müssen die betrieblich Verantwortlichen dafür sorgen, dass Flucht- und Rettungswege bei allen Betriebszuständen sicher nutzbar sind.
Baurechtlich ist der Begriff "Rettungsweg" in den Bauordnungen der Länder verankert. In § 33 Musterbauordnung ist u. .a. der Grundsatz festgelegt, dass für Nutzungseinheiten mit mindestens einem Aufenthaltsraum (das ist i. S. des Baurechts ein Raum, der zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt oder geeignet ist) wie Wohnungen, Praxen, selbstständige Betriebsstätten in jedem Geschoss mindestens 2 voneinander unabhängige Rettungswege ins Freie vorhanden sein müssen. In kleineren Gebäuden kann der zweite Rettungsweg die Anleitermöglichkeit für die Feuerwehr sein, in größeren Gebäuden und solchen besonderer Art und Nutzung gibt es detaillierte Anforderungen an die Beschaffenheit von Rettungswegen, die dann beide durch die Gebäudenutzer selbstständig begehbar sein müssen.
Im Arbeitsstättenrecht wird stattdessen der Begriff "Fluchtwege" verwendet. Fluchtwege müssen entsprechend der Nutzung, Ausstattung und Größe des Gebäudes sowie der höchstmöglichen Personenzahl eingerichtet und gekennzeichnet sein und auf möglichst kurzem Wege ins Freie oder in einen gesicherten Bereich führen (Anhang 2.3 Arbeitsstättenverordnung). Details sind v. a. in ASR A2.3 "Fluchtwege und Notausgänge,".
1 Rettungswege aus baurechtlicher Sicht
Im Baurecht ist i. d. R. von Rettungswegen die Rede, um zu betonen, dass es hier darum geht, außer der Flucht der vom Brand betroffenen Personen auch den schnellen Rettungseinsatz und Löschangriff der Feuerwehr sicherzustellen.
Betrachtet man die Rettungswege innerhalb eines Gebäudes, muss von den sog. Aufenthaltsräumen ausgegangen werden. Es soll verhindert werden, dass Personen in Räumen, in denen sie sich mehr als nur gelegentlich aufhalten, im Brandfall von Rauch und Flammen eingeschlossen werden. Deswegen gilt die unabdingbare Forderung, dass aus Nutzungseinheiten, in denen sich Aufenthaltsräume i. S. des Baurechts befinden, 2 voneinander unabhängige Rettungswege bestehen müssen, wobei beide von demselben Flur abgehen dürfen (z. B. Tür zum Treppenhaus und anleiterbares Fenster bzw. Tür zu Nottreppenhaus, vgl. Abb. 1). Unter Nutzungseinheit ist dabei z. B. ein Flur zu verstehen, an dem mehrere Büroräume liegen, oder eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus.
Abb. 1: Rettungswege in Gebäuden
Aufenthaltsräume i. S. des Baurechts
Ein Aufenthaltsraum nach Landesbauordnungen ist jeder Raum, in dem sich Personen nicht nur vorübergehend aufhalten. Alle Arbeits- und Pausenräume fallen auf jeden Fall darunter, in anderen Fällen ist die Abgrenzung fließend. Abstellräume, nur gelegentlich begangene Lager, Heizungsräume usw. sind i. d. R. keine Aufenthaltsräume.
Der erste Rettungsweg ist der "normale" Verkehrsweg innerhalb des Gebäudes, für den nach Landesbauordnungen bestimmte Bauanforderungen einzuhalten sind (s. u.). Die darin enthaltenen Flure und Treppenräume werden im Baurecht als notwendige Flure, Treppen usw. bezeichnet.
Bei kleinen Nutzungseinheiten und wenigen betroffenen Personen kann der zweite Rettungsweg die Anleitermöglichkeit für die Feuerwehr sein, also einfach ein ausreichend großes und gut erreichbares Fenster (mindestens 0,90 × 1,20 m, Brüstungshöhe höchstens 1,20 m). Bei großen Höhen und/oder einer großen Zahl von Gebäudenutzern kommt aber nur ein zweiter, selbstständig nutzbarer Rettungsweg infrage, z. B. eine außen liegende Fluchttreppe. Große Gebäude verfügen i. d. R. über 2 oder mehrere Treppenhäuser, sodass diese Forderung auf jeden Fall erfüllt ist.
Nur in besonderen Fällen (z. B. im Hochhausbau) wird auf den zweiten Rettungsweg verzichtet. Dann ist ein sog. Sicherheitstreppenraum vorzusehen, für den bestimmte sehr strenge bauliche Auflagen gelten. So kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass Flucht und Rettung in diesem Treppenraum nicht durch Feuer und Rauch gefährdet werden.
Möglichkeiten der Feuerwehr berücksichtigen
Die Frage, wie der zweite Rettungsweg realisiert werden kann, hängt natürlich auch wesentlich von den Möglichkeiten der zuständigen Feuerwehr ab. So kommt die Anleitermöglichkeit als zweiter Rettungsweg nur infrage, wenn die Feuerwehr im Notfall schnell genug vor Ort sein kann und die entsprechenden personellen und technischen Kapazitäten hat, die...