Zusammenfassung
Wird ein Arbeitnehmer bei einem Arbeitsunfall verletzt, haften der Arbeitgeber und die – externe – Fachkraft für Arbeitssicherheit nebeneinander, weil der Vertrag zwischen Arbeitgeber und Fachkraft ein Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte ist, der Arbeitgeber seinen Haftungsanteil nicht auf die Fachkraft "abwälzen" kann und die Fachkraft keine Haftungsprivilegien des SGB VII in Anspruch nehmen kann. Der Haftungsanteil des Arbeitgebers reduziert sich jedoch nach den Grundsätzen der sog. "gestörten Gesamtschuld". Diese Reduzierung kann Dritten, ggf. dem Maschinenhersteller im Rahmen der Produkthaftung zugute kommen.
1 Zum Urteil
Mit seinem Urteil vom 17.6.2014 (4 U 1706/12) hat sich das OLG Nürnberg sehr grundsätzlich mit Haftungsfragen befasst, die bei einem Arbeitsunfall entstehen können, wenn sich der Arbeitgeber einer externen Fachkraft für Arbeitssicherheit bedient.
1.1 Ausgangslage
Die Klägerin (BG) macht als gesetzliche Unfallversicherung gemäß § 116 SGB X auf sie übergegangene Schadensersatzansprüche des Geschädigten J.S. (nachfolgend "Geschädigter") aus einem von diesem erlittenen Arbeitsunfall geltend. Der Geschädigte war als Maschinenarbeiter für seinen ehemaligen Arbeitgeber, die Firma E.S. GmbH & Co. KG (nachfolgend "Arbeitgeber") tätig und erlitt während seiner beruflichen Tätigkeit am 2.3.2007 einen schweren Arbeitsunfall. Während seiner Arbeit an einer von seinem Arbeitgeber eingesetzten Pappkartonstanze, einem Flexodruckwerk (Baujahr 1974), geriet der Geschädigte, als er Kartonagen in das Walzwerk der Maschine einführte, mit seiner rechten Hand in die sog. "Riffelwalze" dieser Maschine, wodurch die Hand in die Maschine eingezogen, ca. 5 Minuten den Stanzbewegungen dieser Maschine ausgesetzt und partiell skelettiert wurde. Beim Versuch, die rechte Hand aus der Maschine zu befreien, wurde auch die linke Hand des Geschädigten partiell in den sog. "Einschub" der Maschine eingezogen und ebenfalls nicht unbedeutend verletzt.
Die Pappkartonstanze wurde zu einem unbekannten Zeitpunkt von einem in der Schweiz ansässigen und vormals unter dem Namen C. AG firmierenden Unternehmen, welches nunmehr der B. S.A. und damit der Beklagten zu 1) zugehörig ist, überarbeitet und trug das "CE-Zeichen". Sie entsprach aufgrund eines zu hohen Einzugsschlitzes, eines zu geringen Walzenabstandes und dem Fehlen sonstiger gesetzlich vorgeschriebener Sicherheitsvorkehrungen nicht der Maschinenrichtlinie 89/392/EWG, sodass es zu dem Unfall und den hierdurch bedingten Verletzungen des Geschädigten kommen konnte. Das Gerät wies zum Unfallzeitpunkt weder eine Lichtschranke auf, die bei einem Hineingreifen in die Walzen zu einer automatischen Abschaltung geführt hätte, noch eine Haube, die ein Hineingreifen verhindert hätte. Der Notschalter der Maschine befand sich seitlich an der Maschine und konnte vom Geschädigten nicht erreicht werden.
Mit schriftlichem Vertrag vom 8./22.11.2004 hatte der Arbeitgeber des Geschädigten den Beklagten zu 2) (nachfolgend "Fachkraft") vertraglich mit der Grundbetreuung nach dem Arbeitssicherheitsgesetz und der damaligen BGV A6 (jetzt DGUV Vorschrift 2) beauftragt. In § 1 des Vertrages wurde vereinbart, dass er eigenverantwortlich gegen Entgelt die arbeitssicherheitstechnische Betreuung der Betriebsangehörigen übernimmt und in der Ausübung seiner Tätigkeit weisungsfrei und nur dem Gesetz unterworfen ist. Hinsichtlich des Aufgabengebietes wird in § 2 des Vertrages auf einen dem Vertrag beigefügten Auszug aus der BGV A6, § 6 "Aufgaben der Fachkraft für Arbeitssicherheit" Bezug genommen. In § 4 des Vertrages verpflichtete sich die Fachkraft, eine Haftpflichtversicherung für seine Tätigkeit im Betrieb des Arbeitgebers abzuschließen, die auch Personenschäden mit einer Deckungssumme von 5.200.000 EUR umfasst.
Die Fachkraft hatte den Arbeitgeber in der Vergangenheit in mehreren Begehungsprotokollen darauf hingewiesen, dass dieser zusätzlich einen Sicherheitsbeauftragten aus den Reihen seiner Beschäftigten zu bestellen habe, was jedoch nicht erfolgt ist. Am 9.12.2005 fertigte die Fachkraft für den Arbeitgeber eine Gefährdungsanalyse. In dieser umfangreichen Aufstellung wird für die Tätigkeit als "Maschinenarbeiterin" in der Produktion des Arbeitgebers durch Vergabe der Gefährdungskennzahl "4" auf die erhöhte Gefahr von unkontrollierten bewegten/rotierenden Teilen aufmerksam gemacht und auf die Einhaltung der Vorschriften (über sichere geprüfte Arbeitsmittel, Schutzeinrichtungen für Maschinen und Geräte, Unterweisungen jährlich und bei Bedarf, regelmäßige Prüfung sonstiger prüfbedürftiger Werkzeuge, Anlagen und Einrichtungen, regelmäßige Prüfung von elektrischen Anlagen und Betriebsmitteln) hingewiesen. Eine konkrete, insbesondere auf die streitgegenständliche Maschine bezogene Empfehlung zur Erhöhung der Sicherheit wird darin nicht ausgesprochen. Am 16.2.2007, also 2 Wochen vor dem Unfall des Geschädigten, führte die Fachkraft durch seinen Mitarbeiter Dipl.-Ing. W. im Betrieb des Arbeitgebers eine arbeitssicherheitstechnische Be...