Prof. Dr. Rainer von Kiparski †
Es gibt vielfältige Möglichkeiten von sicherheitstechnischen Einrichtungen. Alle aufgeführten Maßnahmen sollten jedoch dem nachfolgenden Schema zugrunde gelegt werden.
An oberster Stelle stehen technische Sicherheitsmaßnahmen. Hierauf folgen organisatorische Maßnahmen und erst zum Schluss sollten personenbezogene Maßnahmen in Betracht gezogen werden (TOP- Prinzip). Es ist jedoch kein Fehler, wenn eine Kombination aus allen 3 Stufen erfolgt, solange die Reihenfolge eingehalten wird.
Die folgenden Fallbeispiele zeigen Ihnen einige Möglichkeiten einschließlich der Vor- und Nachteile auf.
3.1 Beispiel 1: Krempel
Der dargestellte Krempel ist mit einigen technischen Maßnahmen nachgerüstet worden (vgl. Abb. 1).
Problematisch ist, dass der Krempel mit einem Schwungrad ausgerüstet ist, das für einen Nachlauf im unbelasteten Zustand von ca. zwei bis drei Minuten sorgt. Ungeschützt liegen die auf der rechten Seite zu sehenden Ketten und Zahnräder völlig frei. Ebenfalls frei liegt das auf der linken Seite befindliche Schwungrad mit entsprechendem Antriebsriemen ohne Gitter.
Der dargestellte Käfig wurde nach einem folgenschweren Unfall angebaut. Vorher war lediglich die rechte Seite mit einem Gitter geschützt.
Der Unfall konnte sich ereignen, weil die Sicherheitsmaßnahmen nicht wirksam waren. Das Gitter war zwar mit einem Kontaktschalter versehen, der die gesamte Maschine beim Öffnen des Gitters in den Nullzustand schaltet, allerdings war dieser Schalter überbrückt worden. Somit wurde die Sicherheitseinrichtung vorsätzlich außer Funktion gesetzt.
Die Unfallanalyse hat jedoch ergeben, dass der Unfall auch bei in Funktion befindlichem Kontaktschalter passiert wäre. Weil das bereits angesprochene Schwungrad einen Nachlauf hat und das Gitter noch während des Laufens der Maschine entfernt werden konnte, war auch die Gefährdung noch vorhanden.
Nach dem Unfall wurden zahlreiche Maßnahmen durchgeführt, die nachfolgend kurz erläutert werden.
Zum einen wurde die gesamte Maschine bis auf den vorderen Einführungsschacht vergittert. Ein Zugriff ist ohne Hilfsmittel während des Betriebes somit nicht mehr möglich.
Um die Funktion der Kontaktschalter zu gewährleisten, wurde im vorderen Bereich eine rote Warnlampe (1) angebracht, die einen Fehler oder das unberechtigte Öffnen der Sicherheitseinrichtungen anzeigt.
Zusätzlich wurde der Gitterverschluss (3) über einen Magnet und einen Sensorkontakt mit dem Kontaktschalter (2) verbunden (vgl. Abb. 2).
Abb. 1: Krempel oder Krempelwolf
Der Sensor prüft dabei den Bewegungszustand der Maschine und öffnet den Gitterverschluss erst, wenn die Maschine völlig zum Stillstand gekommen ist. Ein Inbetriebsetzen der Maschine ist erst wieder möglich, wenn der Gitterverschluss in den Kontaktschalter eingesetzt wird. Der Verschluss findet beim Einschalten der Maschine statt.
In Abb. 3 gut zu erkennen ist der Durchgreifschutz (5), der während des Unfalls noch nicht vorhanden war und durch den der Arbeitnehmer zum Reinigen der Reißwelle (4) die Hand schob.
Die dargestellte Maßnahme ist in diesem Umfang notwendig, weil der Ur-Zustand der Maschine in großen Bereichen erhebliche Gefahrenstellen und -quellen aufweist. Nur durch die vollständige Kapselung der Maschine ist der sichere Betrieb zu gewährleisten.
Abb. 2: Kontaktschalter mit Gitterverschluss
Der in Abb. 1 durch Pfeile markierte Bereich stellt ebenfalls noch ein Gefahrenpotenzial dar. 2 Tage nach dem Unfall wurden Mitarbeiter dabei beobachtet, wie diese die Textilreste teilweise mit dem ganzen Arm in die offene Zuführung steckten. Die Anweisung, einen entsprechenden Stopfstock zu verwenden, wurde missachtet.
Abb. 3: Antriebsbereich und Reißwelle
3.2 Beispiel 2: Anlage zum Legen und Verfestigen von Textilmatten
In Abb. 4 ist der Hauptantriebsbereich der Verfestigungswellen zu erkennen. Auch hier wurde der ca. 2 m hohe Antriebsbereich mit einem Sicherheitsgitter versehen. Ein Zugriff kann erst nach dem Öffnen der Schiebegitter erfolgen. Die Gitter sind auch hier mit Kontakten (6) versehen, die erst nach dem völligen Stillstand der Maschinen die Öffnung ermöglichen.
Der Schwachpunkt bei dieser Konstruktion ist die nicht konsequent umgesetzte vollständige Kapselung. Der umrandete Bereich links im Bild ist so groß, dass ein Mensch ohne große Behinderung den Anlagenkomplex und damit den Gefahrenbereich betreten kann. Eine Lichtschranke oder eine sonstige optische Warneinrichtung ist nicht installiert.
Abb. 4: Antriebsbereich der Anlage
Abb. 5: Antriebsbereich der Anlage mit Laufsteg
Sinnvoll wären hier der Verschluss und die Erweiterung mit einem weiteren Gitter. Wenn der dargestellte Bereich aus betrieblichen Gründen frei und zugänglich bleiben muss, könnte über eine optische Einrichtung in Verbindung mit einer akustischen Warneinrichtung nur der rechte mit Pfeilen gekennzeichnete Bereich gesichert werden.
Am einfachsten wäre die Entfernung des halben Berührungsschutzes. So könnten zumindest die Finger nicht gequetscht werden. Allerdings bestünde dann noch immer die Gefahr, dass sich Haare oder Kleidung...