Dipl.-Ing. Matthias Glawe
Obwohl es eine Klassifizierung der Schutzmaßnahmen nicht gibt, kann man sicherheitstechnisch nach Maßnahmen unterscheiden, die
das Zustandekommen einer zu hohen Berührungsspannung verhindern:
- Schutzkleinspannung
- Schutzisolierung
- Schutztrennung
(diese drei dürfen immer und in allen elektrischen Anlagen angewandt werden)
- nichtleitende Räume
erdfreier örtlicher Potenzialausgleich
(diese beiden dürfen nur dort angewandt werden, wo die Maßnahmen durch Abschaltung oder Meldung nicht durchführbar sind)
das Bestehenbleiben einer zu hohen Berührungsspannung verhindern:
- Überstromschutzeinrichtung
- Fehlerstrom-Schutzeinrichtung
- Fehlerspannung-Schutzeinrichtung
- Isolationsüberwachungseinrichtung
Bevorzugte Verfahren
Wenn man wählen kann, so sind die Verfahren zur Verhinderung des Zustandekommens einer zu hohen Berührungsspannung zu bevorzugen. Ebenso ist es zulässig, die verschiedenen Schutzmaßnahmen miteinander zu kombinieren und nebeneinander anzuwenden. Eine gegenseitige, negative Beeinflussung darf dabei allerdings nicht auftreten.
4.3.1 Schutzkleinspannung (SELV – Safety Extra Low Voltage)
Der Schutz wird erreicht durch kleine Spannungen (50 V Wechselspannung; 120 V Gleichspannung) und eine sichere elektrische Trennung vom Primärnetz. Bei Spannungen bis 25 V Wechselspannung und 60 V Gleichspannung ist i. d. R. der Schutz gegen direktes Berühren entbehrlich. Sonst ist eine Isolierung anzuwenden, die einer Prüfspannung von Ueff = 550 V mind. 1 Minute standhält. Beispielgeräte sind Sicherheitstransformatoren, Umformer mit elektrisch getrennten Wicklungen oder galvanische Elemente, Akkumulatoren und Batterieanlagen. Stecker von Geräten für Schutzkleinspannung dürfen nicht in Steckdosen oder Kupplungen einsteckbar sein, die mit anderen (höheren Spannungen) betrieben werden. Ebenso dürfen Steckdosen und Kupplungen keine Stecker von Betriebsmitteln anderer Spannung aufnehmen können.
4.3.2 Funktionskleinspannung mit sicherer Trennung (PELV – Protective Extra Low Voltage)
Bei einem PELV-System überschreitet die Spannung die Grenzwerte für Kleinspannung (ELV) nicht:
- unter üblichen Bedingungen,
- unter Einzelfehlerbedingungen, ausgenommen bei Erdschlüssen in anderen elektrischen Stromkreisen.
Bedingungen nicht erfüllt
Funktionskleinspannung ohne sichere Trennung (FELV) erfüllt die Bedingungen nicht!
Bei sicherer Trennung ist kein Schutz gegen indirektes Berühren erforderlich. Ohne sichere Trennung ist hingegen Schutz gegen indirektes Berühren notwendig, d. h., die Verbrauchsmittel müssen in den Schutz des vorgeschalteten Netzes einbezogen werden. Steckverbindungen müssen unverwechselbar mit höheren Spannungen und Schutztrennung sein. Diese Schutzmaßnahme sollte wegen der Gefahr der Verwechslung mit Schutzkleinspannung und der Verbindung zum vorgeschalteten Netz nur bedingt angewandt werden.
4.3.3 Schutz im TN-Netz
Im Fehlerfall fließt ein Fehlerstrom über einen separaten Leiter (PEN-Leiter oder Schutzleiter) zur Stromquelle zurück (vgl. Abb. 5). Die Schutzeinrichtung (SE) muss so bemessen werden, dass eine automatische Abschaltung in ausreichend kurzer Zeit erfolgt. Als Schutzeinrichtungen sind Überstromschutzeinrichtungen (z. B. Sicherungen) und Fehlerstromschutzeinrichtungen (RCD – Residual Current protective Device) zugelassen. Es sind in alle Außenleiter Überstromschutzorgane einzubauen. Im Neutralleiter ist es zulässig, aber nicht üblich.
Abb. 5: Fehlerstrom-Schutz im TN-Netz
PEN-Leiter
Im PEN-Leiter darf keine Überstromschutzeinrichtung sein! Der PEN darf auch nicht einzeln schaltbar sein.
Wird der PEN zusammen mit Außenleitern geschaltet, muss das PEN-Schaltstück beim Einschalten voreilen und beim Ausschalten nacheilen.
Im TN-C-Netz (Neutral- und Schutzleiter in einem Leiter zusammengefasst) besteht eine besondere Gefahr bei PEN-Bruch; folglich ist es nur bei fest verlegten Leitungen (10 mm² Kupfer oder 16 mm² Aluminium) zulässig. In allen anderen Fällen, auch bei beweglichen Leitungen, ist nur ein TN-S-Netz zulässig.
FI-Schutzeinrichtungen können im TN-S-Netz i. d. R. ohne Einschränkung und Betrachtung der Schleifenimpedanz eingesetzt werden.
Sehr lange Steuer- und Messstromkreise
Bei sehr langen Steuer- und Messstromkreisen kann der Schleifenwiderstand zu groß werden.
4.3.4 Schutz im TT-Netz
Im Fehlerfall fließt der Fehlerstrom über das Erdreich zum Sternpunkt des Stromerzeugers zurück (Abb. 6). Der Schutzerder muss so dimensioniert werden, dass keine zu hohe Berührungsspannung bestehen bleibt. Als Schutzeinrichtungen sind Überstromschutzeinrichtungen und RCD-Fehlerstromschutzeinrichtungen zugelassen.
Abb. 6: Fehlerstrom-Schutz im TT-Netz
4.3.5 Schutz im IT-Netz (Sternpunkt ist nicht geerdet)
Der erste Fehler führt nicht zur Abschaltung, aber zur Meldung (Abb. 7). Der im Fall eines Erd- oder Körperschlusses zum Fließen kommende Strom darf keine zu hohe Berührungsspannung zur Folge haben. Eine Abschaltung im Doppelfehlerfall muss erfolgen. Möglich sind Überstromschutzeinrichtungen, RCD-Fehlerstromschutzeinrichtungen, Isolationsüberwachungseinrichtungen und nur in Sonderfällen FU-Schutzeinrichtungen.
Abb. 7: Isolationsüberwachung im IT-Netz
4.3.6 Schutzisolierung
Durch eine Isolierung, die über die Basisisolierung hinausgeht, wird das Auftreten einer Berührungsspannung verhin...