Sicherheit bei Datenbrillen: Auf diese Dinge sollten Betriebe achten


Arbeitsschutz bei der betrieblichen Nutzung von Datenbrillen

Datenbrillen bringen neue Herausforderungen für den Arbeitsschutz. Aktuell gibt es keine spezifischen Arbeitsschutzvorschriften, die neue ASR A6 „Bildschirmarbeit“ enthält jedoch wichtige Richtlinien. Aspekte wie Passform, Gewicht, Tragedauer und Sichtfeld sind entscheidend. Schutzmaßnahmen umfassen unter anderem passende Lichtverhältnisse, Hygieneanforderungen und den Schutz vor Stürzen.

Bei den umgangssprachlich „Datenbrillen“ genannten Smart Glasses werden grundlegend zwei Systeme unterschieden: Bei Augmented-Reality-Brillen (AR-Brillen) wird die reale Welt mit Elementen aus dem virtuellen Raum überlagert. In den meisten Fällen erleben Träger dies visuell, die AR kann aber auch den Gehör-, Geruchs- oder Tastsinn ansprechen. Die Beschäftigten nehmen die physische Realität mit AR-Brillen dennoch weiterhin wahr. Im Gegensatz dazu wird in der Virtual-Reality-Brille (VR-Brillen) die reale Welt ausgeblendet, womit die Beschäftigten eine vollständig digitale Parallelwelt erleben.

Datenbrillen: Rechtslage und neue ASR A6

Zum aktuellen Zeitpunkt gib es noch kein explizites und kohärentes Regelwerk speziell für Datenbrillen im Arbeitsschutzrecht, weder in der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) noch in der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV). Vielmehr finden sich einschlägige rechtliche Regelungen in unterschiedlichen Gesetzen und Verordnungen. Somit müssen Unternehmen die sichere Nutzung der Geräte eigenverantwortlich im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung klären.

Allerdings liegt mit der im Juli 2024 erschienenen ASR A6 „Bildschirmarbeit“ mittlerweile eine Quelle vor, die dem Arbeitgeber als wertvolle Handreichung dienen kann. Bei ihrer Einhaltung kann der Arbeitgeber davon ausgehen, dass die geltenden Forderungen/Anforderungen aller Gesetze und Verordnungen erfüllt sind, die sogenannte Vermutungswirkung. Weicht er von den Maßnahmen in der ASR ab, muss er das im Falle eines Unfalls rechtskonform begründen können. Folgende Hinweise zu den AR- und VR-Brillen bzw. zu „tragbaren Bildschirmgeräten“ gibt die ASR A6:

  • Individuelle Anpassung: Die Passform kopfgetragener Bildschirmgeräte ist auf die Benutzer abzustimmen und soll individualisiert werden können. Bei AR-Brillen sollten z. B. eine Nasenbeinauflage, ein Bügelknick sowie eine einstellbare Platzierung der Anzeige zum Auge vorhanden sein. Bei VR-Brillen sollte dagegen vor allem die Auflagenfläche an die Gesichtsform angepasst werden und eine Einstellung für den Augenabstand vorhanden sein.
  • Tägliche Tragedauer: Die tägliche Tragedauer ist mittels Gefährdungsbeurteilung zu ermitteln und entsprechend den Herstellerangaben zu begrenzen.
  • Eigengewicht der Brillen: Das Gesamtgewicht muss möglichst gering und auf dem Kopf ausgeglichen verteilt sein, damit eine natürliche Kopfhaltung und -bewegung problemlos möglich ist.
  • Herabfallen: AR- oder VR-Brillen müssen gegen Herabfallen beim Tragen gesichert sein.
  • Blendung: Bei AR-Brillen sind Reflexionen und Blendung durch geeignete Maßnahmen zu vermeiden, zum Beispiel durch Abschattung.  
  • Informationsdarstellung: Informationen müssen auf dem Bildschirm so dargestellt sein, dass sie sich an die wechselnden Arbeitsumgebungsbedingungen, beispielsweise unterschiedliche Hintergründe und Umfeldbedingungen, anpassen oder daran ausrichten lassen. Hierzu muss an AR-Brillen ein ausreichend hoher Kontrast einstellbar sein.
  • Wärmeableitung: Eine Wärmeableitung weg vom Kopf nach außen muss gewährleistet sein, um einen Wärmestau am Kopf des Trägers zu vermeiden.
  • Steuerung: Die wesentlichen Basisfunktionen für die Gerätesteuerung – z. B. die Funktionen „an“, „aus“, „bestätigen“ – sollen auch über Tasteneingaben möglich sein. Die Steuerung durch Texteingaben ist zu vermeiden.
  • Sichtfeld und Unfallgefährdung: Die Träger müssen Gefahrensituationen und Gefahrenbereiche stets erkennen können. Für den Träger dürfen keine Unfallgefahren durch ein eingeschränktes Sichtfeld entstehen.
  • Sichtfeld und Bewegungsbereich: AR- und VR-Brillen dürfen die Sicht auf den näheren und weiteren Bewegungsbereich nicht verdecken. Erforderlichenfalls müssen Elemente der Brillen weggeklappt oder entfernt werden, um eine ungehinderte Sicht zu garantieren.
  • Benutzung mit Sehhilfen: Die Geräte müssen auch für Personen mit Sehhilfen (Brillen, Kontaktlinsen etc.) problemlos und angenehm zu tragen sein.

Beschäftigte mit Einschränkungen

Unternehmen sollten beachten, dass für einige Personengruppen im Betrieb Datenbrillen nicht die ideale Lösung darstellen. Das gilt insbesondere für Beschäftigte mit besonderen körperlichen Einschränkungen, z. B. mit Hörgeräten, fehlenden oder fehlgebildeten Ohren sowie sehr geringer Sehkraft. Für sie ist eine Datenbrille als Arbeitsmittel in der Regel nicht geeignet.

Ältere Beschäftigte können zwar grundsätzlich auch mit Datenbrillen arbeiten, aber man sollte dabei berücksichtigen, dass vor allem ihre Augen schneller ermüden als die der jüngeren Kollegen. Zusätzlich stellt für sie das gleichzeitige Tragen von Brillen und die Ausführung körperlicher Arbeit, wie das viele Gehen im Warenlager beim Kommissionieren, eine deutlich stärkere Belastung dar als für jüngere Beschäftigte. Eine ältere Person muss schon für das Gehen mehr Energie aufwenden. Für sie ist es daher schwieriger, sich gleichzeitig noch auf andere Aufgaben zu konzentrieren. Daher benötigt sie häufigere Pausen, um die Augen auszuruhen.

Kognitive und ergonomische Belastungen durch Datenbrillen

Die Abhängigkeit von den Datenbrillen sowie die durch sie bedingte Erhöhung der Arbeitsintensität kann aber auch bei der jüngeren Beschäftigten zu kognitiven Belastungen führen. Die Mitarbeiter müssen sich bei der Arbeit mit ihnen kontinuierlich auf das virtuelle Bild konzentrieren, was auch Beschäftigte unter 50 Jahren schneller ermüden lässt.

Durch die Verwendung der Datenbrille bewegen sich Beschäftigte oft anders als sie es sonst bei denselben Arbeitsprozessen tun würden und dies kann zu (weiteren) Belastungen des Muskel-Skelett-Systems führen. Auch das Gewicht der Datenbrillen beim Tragen darf bei einer Belastungsanalyse nicht unterschätzt werden.

Motion Sickness

Ein spezifisches Problem tritt nur bei der VR-Technologie auf: die Motion Sickness. Abweichungen in der Wahrnehmung der Augen einerseits und der tatsächlichen Position bzw. der tatsächlichen Bewegung des eigenen Körpers andererseits sorgen dabei für eine widersprüchliche Sinneswahrnehmung.

In der Vergangenheit hat dieses Phänomen häufig zu mangelnder Akzeptanz der VR-Brillen bei den Beschäftigten geführt. Die neuen VR-Modelle wurden jedoch deutlich verbessert, u. a. durch höhere Bildauflösungen und schnellere Reaktionszeiten bei der Informationsübertragung, sodass dieses Problem in Zukunft immer seltener auftreten sollte.

Schutzmaßnahmen bei der Einführung von Datenbrillen

Wenn Betriebe Datenbrillen einführen, empfehlen Experten der Hochschule Koblenz und des Instituts für Arbeitsschutz der DGUV (IFA) den Unternehmen, folgende Punkte zu beachten:

Beleuchtung und Blendung: An den Arbeitsplätzen muss für passende Lichtverhältnisse gesorgt werden. Die Beleuchtung der Halle, einfallendes Tageslicht oder spiegelnde Bodenbeläge können dazu beitragen, dass die Beschäftigten die Informationen und Daten auf dem Display nicht richtig oder nur unzureichend erkennen. Deshalb sollten die Betriebe Datenbrillen mit kontrastreichen Displays für alle Einsatzorte auswählen.

Luftfeuchtigkeit: Die Luftfeuchtigkeit kann die Funktionalität der Datenbrille stark einschränken. Herrschen an den vorgesehenen Arbeitsplätzen ständig höhere Luftfeuchtewerte, müssen geeignete Modelle zum Einsatz kommen, die ein Beschlagen des Displays verhindern.

Nutzungsdauer und Erprobungsphase: Studien haben gezeigt, dass Beschäftigte nicht länger als vier bis fünf Stunden ohne Beeinträchtigungen mit Datenbrillen arbeiten können. In der Einführungsphase sollte den Beschäftigten daher eine alternative Technik, z. B. eine sprachgesteuerte Pick-by-Voice-Lösung, angeboten werden. In der Erprobung können sie dann für sich entscheiden, mit welchem System sie besser, schneller und belastungsfreier arbeiten können.

Elektrosmog: Auch wenn die Gefährdung durch die elektrische Spannung beim Einsatz von Datenbrillen relativ gering ist, sollte beim Einsatz von Datenbrillen dennoch darauf geachtet werden, ihre Nutzungsdauer auf das betrieblich erforderliche Maß zu beschränken. Bei der Anforderungsanalyse der Datendarstellung auf der Datenbrille sollte vor diesem Hintergrund auch der Aspekt der Datensparsamkeit beachtet werden, um unnötigen Datentransfers und damit noch mehr elektrische Spannung zu vermeiden.

Hygiene: Werden Datenbrillen nass oder schmutzig, sind sie meist schon nicht mehr einsatzfähig. Die Unternehmen sollten deshalb Möglichkeiten zur Reinigung der Datenbrillen an mehreren Stellen im Betrieb bereitstellen. Datenbrillen müssen zusätzlich täglich desinfiziert werden, wenn sie innerhalb der Belegschaft ausgetauscht werden. Die eingesetzten Datenbrillen müssen daher eine hohe Robustheit gegenüber Desinfektionsmitteln besitzen.

Stolper- und Rutschunfälle: Vor Einführung von Datenbrillen muss darauf geachtet werden, dass sich in den Bereichen des Datenbrilleneinsatzes keine Stolperfallen befinden. Denn durch die Aufmerksamkeit, welche die Beschäftigten den auf dem Display angegebenen Informationen widmen müssen, ist die Unfallgefährdung durch Stolpern, Ausrutschen und Absturz noch größer als sonst. Dies gilt vor allem für ältere Beschäftigte, bei denen zusätzlich altersbedingte Probleme bei der Kontrolle des Gleichgewichts auftreten.

Allerdings sorgt die Technik für dieses spezielle Problem ausgerechnet durch Datenbrillen bald schon für Abhilfe, denn es sind bereits AR-Modelle entwickelt worden (allerdings noch nicht auf dem Markt), welche die sensorischen Defizite der Betroffenen ausgleichen und dadurch das Ausmaß der Instabilität reduzieren. Über die Brille eingeblendete optische Anhaltspunkte geben dem Träger zusätzliche Informationen zur Horizontalen und Vertikalen und helfen ihm dadurch, besser die Balance zu halten.