Prof. Dr. Rainer von Kiparski †
Keine Instandhaltung ohne Gefährdungsbeurteilung
Die Ursache für das überdurchschnittliche Unfallgeschehen liegt häufig in der fehlenden oder unzureichenden organisatorischen Vorbereitung von Instandhaltungsarbeiten. Oft werden Instandhaltungsarbeiten unter Zeitdruck durchgeführt. Ständig wechselnde Arbeitsbedingungen, Aufgaben und Örtlichkeiten setzen vor Arbeitsbeginn immer eine aktuelle Gefährdungsbeurteilung mit Festlegung und Umsetzung besonderer Schutzmaßnahmen voraus.
Regeln für die sichere Vorbereitung und Durchführung von Instandhaltungsarbeiten enthält TRBS 1112 "Instandhaltung". Schwerpunkt bei der Vorbereitung von Instandhaltungsarbeiten ist auch danach die Durchführung einer gesonderten Gefährdungsbeurteilung und die Festlegung der erforderlichen Schutzmaßnahmen. Dabei sind insbesondere zu berücksichtigen:
- Gefährdungen, die von dem Arbeitsmittel ausgehen, das instand gehalten werden soll, z. B. Arbeitsstoffe, gefährliche Strahlung, frei zugängliche Maschinenteile, sich in Betrieb befindliche angrenzende Arbeitsmittel, Betriebs- und Schaltzustände.
- Gefährdungen durch die Instandhaltungsmaßnahme an der Arbeitsstelle, z. B. Absturzgefahren durch Bodenöffnungen, undefinierte Schaltzustände, eingeschränkte Bewegungsfreiheit, eingesetzte Hilfsmittel (z. B. Krane).
Bei wiederkehrenden, gleichen oder ähnlichen Instandhaltungsarbeiten kann eine vorhandene Gefährdungsbeurteilung genutzt werden. Vor Aufnahme der Arbeiten ist jedoch zu prüfen, ob die in der vorliegenden Gefährdungsbeurteilung getroffenen und dokumentierten Festlegungen auch ausreichend und anwendbar sind. Ansonsten ist die Gefährdungsbeurteilung zu aktualisieren.
Um im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung entscheiden zu können, ob Beschäftigte bei Instandhaltungsarbeiten besonderen Gefährdungen ausgesetzt sein können, müssen umfangreiche Informationen beschafft werden, z. B.
- aus der Betriebs- oder Wartungsanleitung des Herstellers,
- aus Konstruktions- und Planungsunterlagen,
- über Arbeitsverfahren, eingesetzte Arbeitsmittel und möglicherweise auftretende Arbeitsstoffe (z. B. Gefahrstoffe),
- aus Betriebserfahrungen, z. B. Erkenntnisse und Schlussfolgerungen aus bereits durchgeführten Instandhaltungstätigkeiten, Schadensberichten, Revisionsprotokollen, Ergebnissen von Verschleißuntersuchungen, vergleichbaren Gefährdungsbeurteilungen,
- aus Erfahrungen der Beschäftigten (Instandhaltungs- und Bedienpersonal),
- über die Umgebungs- und Betriebsbedingungen (z. B. Zugänglichkeit, Lüftungsverhältnisse, Lärm),
- aus dem betriebsspezifischen Alarmplan,
- über Erkenntnisse aus der Begehung des Arbeitsplatzes,
- über vorhandene Schutzmaßnahmen (z. B. zum Gefahrstoffschutz einschließlich Brand- und Explosionsschutz).
Die Durchführung der Arbeiten darf nur unter Anwendung der festgelegten Maßnahmen erfolgen, die ständig auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen sind.
Zu den Voraussetzungen für die Durchführung sichererer Instandhaltungsarbeiten gehören nach TRBS 1112 insbesondere, dass
- die erforderlichen Arbeits- und Hilfsmittel bereitgestellt werden,
- die organisatorischen Voraussetzungen bestehen und eingehalten werden,
- die Verantwortlichkeiten festgelegt sind,
- die Abstimmung über Art und Umfang der Arbeiten sowie Maßnahmen zur Gefahrenverhütung zwischen den Beteiligten erfolgt ist,
- durch Begehung des Arbeitsplatzes festgestellt wurde, dass die Umgebungsbedingungen den Annahmen entsprechen,
- die Beschäftigten unterwiesen wurden.
Werden während der Instandhaltungsarbeiten von der Gefährdungsbeurteilung abweichende Gefährdungen festgestellt, müssen die Arbeiten unverzüglich und sicher eingestellt und der Verantwortliche informiert werden. Dieser hat die zusätzlichen erforderlichen Maßnahmen festzulegen, das Personal anzuweisen und die Gefährdungsbeurteilung anzupassen.
Der typische Ablauf von der Planung einer Instandhaltung bis zur Erprobung ist in einem Ablaufdiagramm in Anlage 1 TRBS 1112 dargestellt.
Typische Gefährdungen bei Instandhaltungsarbeiten und die dazugehörigen Schutzmaßnahmen sind in Anlage 2 TRBS 1112 zusammengestellt.
Bestehen unterschiedliche Zuständigkeiten für Betrieb und Instandhaltung von Anlagen bzw. Arbeitsmitteln im Unternehmen hat sich in der Praxis bewährt, besondere Personen zu beauftragen, die
- die unmittelbare Verantwortung für den Betrieb des Arbeitsmittels bzw. der Anlage tragen (Anlagenverantwortlicher) und
- die unmittelbare Verantwortung für die Durchführung der Instandhaltungsarbeiten tragen (Arbeitsverantwortlicher).
Da Instandhaltungsarbeiten oft unter der Einbeziehung von Fremdfirmen durchgeführt werden, kommt außerdem der Abstimmung der Zusammenarbeit von Beschäftigten verschiedener Arbeitgeber eine besondere Bedeutung zu. In der Praxis hat sich bewährt, Aufsichtspersonen oder Koordinatoren zu bestellen, die die festgelegten Schutzmaßnahmen aufeinander abstimmen und überprüfen.
Weiter ist sinnvoll, wenn sich die Arbeitgeber bezüglich der Benutzung von persönlicher Schutzausrüstung, von Arbeitsmitteln oder -stoffen abstimmen.
Die DGUV-I 209-015 ...