Zusammenfassung

 
Überblick

Eine sich verändernde Arbeitswelt bringt neue Herausforderungen für alle davon Betroffenen mit sich. Führungskräfte und Mitarbeitende müssen sich mit den Veränderungen auseinandersetzen, was für viele eine Herausforderung darstellt. Psychische Gesundheitsbeeinträchtigungen und Störungen sind heute der häufigste Grund für das Ausscheiden aus dem Beruf und Frühverrentungen. Dieser Artikel gibt einen Überblick über das Thema und stellt einen Leitfaden für den Umgang mit psychisch auffälligen Beschäftigten vor.

 
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

DGUV-I 206-030

1 Auswirkungen der modernen Arbeitswelt: Verschiebung der Belastungsprofile für Beschäftigte

Dass sich die Arbeitswelt verändert hat und auch weiter verändern wird, hat keinen Neuigkeitswert mehr. Arbeitsinhalte, die Organisation der Arbeit und die Arbeitsbedingungen orientieren sich an einer Dienstleistungs-, Wissens- und Kommunikationsgesellschaft mit den entsprechenden Erwartungen der Konsumenten, die bedient werden wollen. Diejenigen, die das tun – die Arbeitnehmergeneration von heute – haben mit anderen Arbeitsbelastungen zu tun als die Vorgängergeneration in einer reinen Produktionsgesellschaft.

Dieser Übergang ist nicht absolut, da die Fertigung in der Automobilindustrie, im Maschinenbau und in Handwerksbetrieben nach wie vor einen bedeutenden Platz in der Unternehmenslandschaft einnimmt. Auch in Produktionsbetrieben verändern sich die Arbeitsbedingungen. Die Digitalisierung, Globalisierung und der steigende Arbeitsdruck sind nur einige der vielen Einflüsse auf die Arbeit der Mitarbeiter in der Fertigung.

Abb. 1 verdeutlicht die Charakteristiken der modernen Arbeitswelt.[1]

Abb. 1:Infographic

Mit den Veränderungen in der Arbeitswelt gehen auch Veränderungen in den Belastungsprofilen der Beschäftigten einher. Früher waren es vor allem Lärm, Hitze, Kälte, Zugluft, schweres Heben und Tragen, Kontakt mit toxischen Stoffen und der Umgang mit unergonomischen Arbeitsmitteln, die zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Beschäftigten führten. Heute sind es

  • Arbeitsverdichtung,
  • Anforderungsverdichtung,
  • Zeit-, Termin-, Kosten- und Leistungsdruck,
  • unplanbare Arbeitszeiten,
  • häufige Arbeitsunterbrechungen,
  • ständige Erreichbarkeit,
  • wiederholte Reorganisationsprozesse,
  • fehlende Wertschätzung,
  • Defizite in der Kommunikation,
  • Arbeitsplatzunsicherheit und
  • zunehmende Gewalt am Arbeitsplatz durch Mobbing oder Kunden, Bürger, Patienten,

die Mitarbeiter gedanklich und emotional beanspruchen.

Auch diese "neuen "Belastungen bleiben nicht ohne Folgen für die Gesundheit der Beschäftigten.

2 Relevanz des Themas

Mit dem Verschieben des Belastungsprofils hat sich das Gesundheitsprofil verändert: Früher wurden Beschäftigte häufiger wegen körperlicher Beschwerden arbeitsunfähig, heute sind es oftmals psychische Beeinträchtigungen, die es einem Mitarbeiter nicht mehr erlauben, seiner Beschäftigung nachzugehen.

Dieser Trend hält schon seit Jahren an und wird von allen Krankenkassen berichtet.[1]

Auf Platz 1 im Ranking der Erkrankungsarten stehen zwar immer noch die Muskel-Skelett-Erkrankungen, gefolgt von Atemwegserkrankungen. Auf Platz 2 bzw. 3 (unterschiedlich bei den Krankenkassen) folgen die Diagnosen psychischer Störungen.

Hinsichtlich der Dauer der Fehlzeiten sind es jedoch die psychischen Erkrankungen, die Spitzenplätze belegen. Bei der Techniker Krankenkasse liegen psychische Störungen 2018 erstmals an der Spitze der Fehlzeiten. Der jährliche Fehlzeiten-Report des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) führt aus, dass arbeitsbezogene psychische Belastungen weiter zunehmen. Die dadurch ausgelösten Fehlzeiten sind seit 2012 bis 2022 um 48 % gestiegen. Aufgrund psychischer Erkrankungen werden durchschnittlich 29,6 AU-Tage verzeichnet, bei Atemwegserkrankungen sind es 7,1 Tage.

[2]

Auch die Techniker Krankenkasse gibt an, dass "psychische Belastungen auf der Überholspur sind". Bei einer Befragung im Jahr 2022 gaben 38,5 % der befragten Geschäftsführenden, Gesundheitsverantwortlichen und Personalerinnen und Personaler an, "dass psychische Belastungen am Arbeitsplatz wie Burnout, Überforderung und Depressionen bereits jetzt eine eher große beziehungsweise große Bedeutung in ihren Unternehmen haben. Für die nächsten 3 Jahre sagen sogar 70 % der befragten Unternehmen, dass die psychischen Belastungen ansteigen und in vielen Branchen die körperlichen Belastungen in ihrer Bedeutung überholen werden."

[3]

Der Verlauf der Fehlzeiten der relevanten Diagnosekapitel verdeutlicht folgende Abbildung:

Quelle: Gesundheitsreport 2023 Arbeitsunfähigkeiten, Techniker Krankenkasse.

Abb. 2: Relative Veränderungen der Fehlzeiten in relevanten Diagnosekapiteln – Berufstätige

Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) teilt in ihrem Basisdaten-Papier von November 2023 mit, dass in Deutschland jedes Jahr etwa 27,8 % der erwachsenen Bevölkerung von einer psychischen Erkrankung betroffen ist. Das entspricht rund 17,8 Millionen Menschen. Zu den häufigsten Erkrankungen zählen in Deutschland Angs...

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