Dr. Josef Sauer, Fabian Kratzke
Zusammenfassung
Elektrostatische Aufladung ist ein Vorgang der Elektrostatik, bei dem 2 zuvor ungeladene Stoffe durch Kontakt und damit verbundenen Ladungsübergang einen Ladungsüberschuss positiver oder negativer Art an jeder der beiden Oberflächen erzeugen. Die elektrostatische Aufladung von Gegenständen, Flüssigkeiten, Personen oder Schüttgütern kann in explosionsgefährdeten Bereichen eine Zündquelle darstellen, wenn sich die zuvor erzeugten Ladungen wieder entladen.
Gemäß Anhang I Nr. 1 Abschn. 1.6 GefStoffV muss der Arbeitgeber – sofern explosionsfähige Atmosphäre nicht sicher verhindert werden kann – neben Wahrscheinlichkeit und Dauer des Auftretens von Ex-Atmosphäre die Wahrscheinlichkeit des Vorhandenseins, der Entstehung und des Wirksamwerdens von Zündquellen einschließlich elektrostatischer Entladungen bewerten.
Hauptinformationsquelle für den Bereich der Elektrostatischen Entladung ist TRGS 727 "Vermeidung von Zündgefahren infolge elektrostatischer Aufladungen".
1 Elektrostatische Aufladung
Elektrostatische Aufladungen werden meist durch Kontaktaufladung verursacht, die an allen Grenzflächen zwischen Flüssigkeiten und Feststoffen erfolgen kann. Während Feststoffe und Flüssigkeiten aufgeladen werden können, ist dies bei Gasen nicht der Fall – lediglich in einem Gasstrom enthaltene Partikel aus Feststoffen oder Tropfen einer Flüssigkeit können aufgeladen werden.
Neben der Kontaktaufladung können sich zudem leitfähige Gegenstände elektrostatisch aufladen, wenn diese sich in einem elektrischen Feld befinden.
Leitfähige Materialien
Als leitfähig werden Stoffe und Materialien bezeichnet, wenn deren spezifischer Widerstand ρ ≤ 104 Ωm bzw. der Oberflächenwiderstand RO ≤ 104 Ω beträgt.
Der spezifische Widerstand ρ (auch "spezifischer Durchgangswiderstand") ist hierbei der elektrische Widerstand eines Stoffs gemessen an einer Probe der Einheitslänge und der Einheitsquerschnittsfläche und wird in Ωm angegeben.
Der Oberflächenwiderstand RO wird an der Oberfläche eines Gegenstandes zwischen 2 parallelen Elektroden gemessen und in Ω angegeben.
Ableitfähige Materialien
Ein Stoff oder Material mit einem spezifischen Widerstand zwischen 104 Ωm und 109 Ωm wird als ableitfähig bezeichnet.
Darüber hinaus kann auch ein Gegenstand mit einem Oberflächenwiderstand zwischen 104 Ω und 109 Ω (bei 23 °C und 50 % relativer Luftfeuchte) bzw. 104 Ω und 1011 Ω (bei 23 °C und 30 % relativer Luftfeuchte) als ableitfähig bezeichnet werden.
Isolierende Materialien
Als isolierend werden Stoffe oder Materialien bezeichnet, die weder leitfähig noch ableitfähig sind.
Isolierende, leitfähige und ableitfähige Materialien
Isolierende Materialien können durch Reibung oder andere Vorgänge aufgeladen werden. Daher müssen in explosionsgefährdeten Bereichen grundsätzlich ableitfähige oder leitfähige Materialien verwendet werden.
Die Verwendung von isolierenden Materialien ist nur zulässig, wenn das Auftreten explosionsfähiger Atmosphäre oder aber eine gefährliche Aufladung der isolierenden Materialien sicher verhindert ist (z. B. durch leitfähige oder ableitfähige Beschichtungen).
Gefährliche Aufladung kann durch Begrenzung der Oberflächenabmessung nach TRGS 727 oder eine Begrenzung isolierender Oberfläche durch leitfähige Netze verhindert werden.
2 Elektrostatische Entladungen
Bei den elektrostatischen Entladungen unterscheidet man zwischen Funkenentladung, Koronaentladungen, Büschelentladungen, Gleitstielbüschelentladungen sowie Schüttkegelentladungen.
Diese Arten der Entladungen unterscheiden sich erheblich in ihrer Fähigkeit, explosionsfähige Atmosphäre zu zünden.
Funkenentladung
Eine Funkenentladung ist eine Entladung zwischen 2 Leitern (Gegenstand aus leitfähigem Material) mit einem gut abgegrenzten, leuchtenden Entladungskanal. Dort fließt ein Strom mit hoher Stromdichte. Diese Art der Entladung erfolgt sehr schnell und ist normalerweise deutlich wahrzunehmen.
Koronaentladung
Koronaentladungen finden allgemein an Oberflächen mit kleinem Krümmungsradius (z. B. Spitzen, Ecken) statt. Der Bereich möglicher Entladungen ist aufgrund niedriger elektrischer Feldstärke relativ klein, auch sind Koronaentladungen schwer erkennbar. Ihre Zündfähigkeit ist wesentlich geringer als die von Funkenentladungen – normalerweise sind sie nicht zündwirksam.
Büschelentladung
Büschelentladungen können vorkommen, wenn sich ein geerdeter Leiter (z. B. der Finger einer Person) zu einem geladenen, isolierenden Gegenstand (z. B. eine Kunststoffoberfläche) hinbewegt.
Sie sind von kürzerer Dauer als Koronaentladungen, können sichtbar und hörbar sein und die meisten brennbaren Gase und Dämpfe entzünden. Nach DIN EN 1127-1:2011 kann die Zündung von Staub/Luft-Gemischen ausgeschlossen werden.
Ihre Zündwirksamkeit kann durch Ladungsmessung bestimmt werden (übertragene Ladung ⇔ Mindestzündladung des vorhandenen Stoffes).
Gleitstielbüschelentladung
Gleitstielbüschelentladungen können auftreten, wenn bipolar geladene Schichten (z. B. Verpackungsfolien oder Beschichtungen auf leitfähigen Gegenständen) vorhanden sind.
Als be...