Der Fall: Berechnung der Höhe des Mutterschutzlohns umstritten
Die Parteien streiten über die Zahlung während eines ärztlichen Beschäftigungsverbots nach § 16 Abs. 1 MuSchG fällig gewordener Provisionen. Die Klägerin ist als Vertriebsmitarbeiterin für die Beklagte tätig. Sie bezieht ein Fixgehalt von 4.000 EUR brutto. Sie hat zudem Anspruch auf Zahlung von Provisionen für Software, die sie physiotherapeutischen Praxen veräußert. Der Provisionsanspruch wird mit Installierung und Abnahme der Software beim Kunden fällig, auf den Zeitpunkt des Auftragseingangs kommt es nicht an.
Die Klägerin war seit April 2021 schwanger, seit dem 8.9.2021 bestand ein ärztliches Beschäftigungsverbot nach § 16 Abs. 1 MuSchG. Die Beklagte errechnete den Mutterschutzlohn auf Grundlage der in den Monaten Januar, Februar und März 2021 abgerechneten und gezahlten Bruttomonatsentgelte, insgesamt einen der Höhe nach auf dieser Berechnungsgrundlage unstreitigen Betrag von 7.528,23 EUR einschließlich eines Provisionsanteils von 3.200,23 EUR brutto. Mit der Klage begehrt die Klägerin Zahlung weiterer Provisionen für September bis November 2021. Diese der Höhe nach unstreitigen Provisionsansprüche beruhen auf Geschäften, die die Klägerin vor Beginn der ärztlichen Beschäftigungsverbote vermittelt hat und die während des ärztlichen Beschäftigungsverbots fällig geworden sind.
Das ArbG (ArbG Hildesheim, Urteil vom 24.08.2022, Az. 2 Ca 27/22) hat die Klage abgewiesen. Neben dem in unstreitiger Höhe von der Beklagten nach § 18 MuSchG berechneten Mutterschutzlohn habe die Klägerin keinen Anspruch auf weitere Provisionszahlungen; die in den Monaten September und folgend fällig gewordenen Provisionsbeträge seien auf den Mutterschutzlohn anzurechnen. Mit der Berufung verfolgt die Kl. ihren Klageanspruch weiter.
LAG: Keine Besserstellung!
Die Berufung hatte keinen Erfolg. Das LAG Niedersachsen hat entschieden (Urteil vom 20.2.2023, Az. 1 Sa 702/22), dass für die Berechnung des Mutterschutzlohns nach § 18 S. 1 MuSchG ist nach § 18 S. 2 MuSchG grundsätzlich auf das durchschnittliche Arbeitsentgelt der letzten drei abgerechneten Kalendermonate vor dem Eintritt der Schwangerschaft abzustellen sei. Dies gelte auch dann, wenn ein Teil der Vergütung variabel ausgestaltet ist und auf provisionspflichtigen Geschäften beruht. Provisionen, die erst während eines ärztlichen Beschäftigungsverbots nach § 16 MuSchG fällig werden, kommen nur dann und nur in dem Umfang zur Auszahlung, wie sie den nach § 18 S. 2 MuSchG errechneten Mutterschutzlohn übersteigen. Die Klägerin könne hier nicht beides verlangen (Mutterschutzlohn und Provision), weil sie dann tatsächlich besser stünde, als in einem aktiven Beschäftigungsverhältnis und somit besser als andere Beschäftigte.
Wichtig für die Praxis
Ein zentraler Aspekt des Schutzes bestimmter Beschäftigtengruppen im Betrieb, hier der werdenden Mütter, ist, dass durch die Inanspruchnahme dieses Schutzes dem Beschäftigten kein Nachteil entstehen darf. Allerdings darf ihm auch kein Vorteil dadurch entstehen, dass bei der Berechnung von Ersatzleistungen ein „Mehr“ entsteht, wie hier beim Gehalt.
Die vorliegende Entscheidung ist insoweit hilfreich, als sie Arbeitgebern den Weg weist, wie der Mutterschutzlohn zu berechnen ist, wenn - ggfs. auch nur teilweise - variable Vergütungen zugrunde liegen.