Betriebsratssitzungen in Corona-Zeiten - wer bestimmt, wie (und wo) es läuft?


Betriebsratssitzungen in Corona-Zeiten

Das bloße Arbeiten im Home-Office stellt keinen Hinderungsgrund für die Teilnahme an einer Betriebsratssitzung dar. Über die Teilnahme an einer Betriebsratssitzung per Video- und Telefonkonferenz (§ 129 BetrVG) ist durch das Gremium durch Beschluss zu entscheiden.

Der Fall

Im Rahmen einer Streitigkeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zweifelt der Arbeitgeber u.a. an, dass Beschlüsse des Betriebsrats korrekt zustande gekommen seien. Unter anderem habe ein Mitglied des Betriebsrats nicht an der Sitzung teilnehmen können, weil dieses zum fraglichen Zeitpunkt im Homeoffice gearbeitet habe und die Betriebsratsvorsitzende es ihm nicht ermöglicht habe, per Videokonferenz an der Sitzung teilzunehmen.

LAG Hessen: Es entscheidet das Gremium, nicht das Mitglied

Der Betriebsratsvorsitzenden ist - so das LAG Hessen (Beschluss vom 8.2.2021, Az. 16 TaBV 185/20) - im Hinblick auf die Nichtteilnahme des Betriebsratsmitglieds kein Verfahrensfehler unterlaufen. Es steht nicht im Belieben des Betriebsratsmitglieds - auch wenn es sich im Home Office befindet - nach eigenem Ermessen zu entscheiden, ob es an einer Betriebsratssitzung teilnimmt oder nicht. Das bloße Arbeiten im Home Office stelle keinen Hinderungsgrund für die Teilnahme an der Betriebsratssitzung dar.

Etwas Anderes ergebe sich auch nicht aus § 129 BetrVG. Danach kann zwar die Teilnahme an Sitzungen des Betriebsrats sowie die Beschlussfassung mittels Video- und Telefonkonferenz erfolgen, wenn sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können. Die Entscheidung hierüber liegt jedoch nicht bei dem einzelnen Betriebsratsmitglied, sondern setzt - jedenfalls dann, wenn nicht die Betriebsratsvorsitzende von sich aus nach § 29 Abs. 2 BetrVG zu einer (auch hybriden) Betriebsratssitzung als Video- und Telefonkonferenz einlädt - eine entsprechende Beschlussfassung des Gremiums voraus.

Sofern ein Betriebsratsmitglied mittels Video- und Telefonkonferenz an einer Sitzung teilnehmen möchte, muss es ggfs. nach § 29 Abs. 3 BetrVG beantragen, dass dieser Gegenstand auf die Tagesordnung gesetzt wird. Weigert sich die Betriebsratsvorsitzende dann, den Gegenstand auf die Tagesordnung zu setzen, müssen dies ein Viertel der Mitglieder des Betriebsrats oder der Arbeitgeber beantragen, § 29 Abs. 3 BetrVG. 

§ 129 BetrVG überlässt es dem Gremium, die Entscheidung zu treffen, welche Art der Sitzungsdurchführung geeignet erscheint. Sofern das erforderliche Quorum des § 29 Abs. 3 BetrVG erreicht wird, ist vom Betriebsrat als Gremium abzuwägen, ob er eine ausschließliche Präsenzsitzung abhalten, eine virtuelle Zuschaltung einzelner Betriebsratsmitglieder ermöglichen oder die Sitzung insgesamt mittels Video- und Telefonkonferenz durchführen möchte. Ein einzelnes Betriebsratsmitglied könne dagegen nicht die Betriebsratsvorsitzende dazu zwingen, Betriebsratssitzungen ganz oder für einzelne Teilnehmer als Video- und Telefonkonferenz abzuhalten.

Wichtig für die betriebliche Praxis: Auch moderne Kommunikation bedarf gesetzlicher Rahmenbedingungen

Formverstöße bei der Abhaltung von Betriebsratssitzungen können den Betriebsrat lahmlegen, wenn der Arbeitgeber sie rügt. Hier ist viel zu beachten, u.a. nun auch die Frage der korrekten Durchführung von virtuellen Betriebsratssitzungen. Zwar sind Sitzungen nach § 129 BetrVG nur noch bis Ende des Jahres 2021 möglich, mit dem sog. Betriebsrätemodernisierungsgesetz, das noch im Sommer 2021 in Kraft tritt, sind diese nun aber auch grundsätzlich nach § 30 BetrVG zukünftig möglich. Wichtig ist es hier, im Gremium Klarheit darüber zu schaffen, wer entscheiden kann, ob eine virtuelle Sitzungsteilnahme möglich ist.

Diese Problematik wird uns zukünftig in vielen Bereichen begegnen: Die Veränderung der Arbeitswelt durch die Pandemie verfestigt sich nun auch gesetzlich in zukünftigen Organisationsformen, was neue - auch rechtliche - Herausforderungen mit sich bringen wird.