Der Fall: Weder Impf- noch Genesenennachweis wurde vorgelegt
Das Gesundheitsamt hatte gegenüber der Antragstellerin mit Bescheid vom 03.06.2022 ein Betretungs- und Tätigkeitsverbot ausgesprochen. Grund hierfür ist, dass unter anderem Personen, die in Krankenhäusern tätig sind, aufgrund der geltenden, bis zum 31.12.2022 befristeten Gesetzeslage über einen Impf- oder Genesenennachweis gegen das Coronavirus (SARS-CoV-2) verfügen müssen. Einen solchen hatte die Antragstellerin ihrem Arbeitgeber aber nicht vorgelegt.
OVG: Das Betretungsverbot erfolgte rechtmäßig
Eine Verfassungswidrigkeit der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen sei im Eilverfahren nicht festzustellen, erläutert das OVG seine Entscheidung (Beschluss vom 16.09.2022, Az. 13 B 859/22). Das Bundesverfassungsgericht habe mit Beschluss vom 27.04.2022 (Az. 1 BvR 2649/21) entschieden, dass die Einführung einer einrichtungsbezogenen Nachweispflicht hinsichtlich einer Covid-19-Immunität verfassungsgemäß war. Bei vorläufiger Prüfung im Eilverfahren sei nicht festzustellen, dass sich die wissenschaftliche Erkenntnislage seit dieser Entscheidung derart geändert habe, dass die ursprüngliche Annahme des Gesetzgebers, eine Impfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 schütze in nennenswertem Umfang vor einer weiteren Übertragung des Virus, offenkundig unzutreffend geworden ist.
Dabei sei auch zu berücksichtigen, so das OVG weiter, dass nach der Empfehlung der Europäischen Arzneimittel-Agentur am 01.09.2022 zwei an die Virusvariante BA.1 angepasste Impfstoffe sowie am 12.09.2022 ein weiterer, speziell auf die Virusvarianten BA.4 und BA.5 ausgerichteter Impfstoff von der Europäischen Kommission zugelassen worden sind. Damit stehe nunmehr ein an die aktuell vorherrschende Omikron-Variante angepasster Impfstoff zur Verfügung.
Auch habe das Gesundheitsamt das ihm bei seiner konkreten Entscheidung gegenüber der Antragstellerin zustehende Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Insbesondere bestünden im Eilverfahren keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit des angeordneten Betretungs- und Tätigkeitsverbots. Für unerheblich hält das OVG insoweit, dass es sich bei der Antragstellerin nicht um ärztliches oder pflegerisches Personal, sondern um eine Sekretärin handelt. Dass die Antragstellerin in dem Krankenhaus einer Tätigkeit nachgehe, bei der jeglicher Kontakt sowohl zu den Patienten als auch zu anderen dort arbeitenden Personen ausgeschlossen werden kann, habe sie nicht geltend gemacht. Auf die aufgeworfene Frage, inwieweit die Antragstellerin auch von zu Hause aus arbeiten kann, komme es demgegenüber nicht an, da sich das angeordnete Tätigkeitsverbot nur auf solche Tätigkeiten bezieht, die "in" der Einrichtung ihrer Arbeitgeberin verrichtet werden.
Schließlich liege kein Gleichheitsverstoß vor, wenn andere Gesundheitsämter – wie von der Antragstellerin geltend gemacht – keine Betretungs- und Tätigkeitsverbote aussprechen und damit das Infektionsschutzgesetz faktisch nicht anwenden. Einzelfallentscheidungen der Verwaltung müssten sich vor dem Gleichheitssatz nur in ihrem jeweiligen Kompetenzraum rechtfertigen. Im Übrigen dürfte eine Ermessensausübung dahingehend, flächendeckend keine entsprechenden Verbote auszusprechen, mit dem Zweck der Vorschrift nicht vereinbar sein, die den Behörden vorbehaltlich besonders gelagerter Einzelfälle keinen relevanten Spielraum belässt.
Wichtig für die betriebliche Praxis
Es gibt nun schon einige Entscheidungen zum Betretungsverbot. Diese ist besonders beachtlich, weil sie keine Beschäftigte betroffen hat, die im direkten Patientenkontakt steht. Dies sei - so das Gericht - „unerheblich“. Interessant ist auch dass das OVG das Tätigkeitsverbot sogar im Bereich von Homeoffice gelten lassen will. Damit weitet es die Möglichkeit, Tätigkeitsverbote sehr aus, wahrscheinlich, weil nicht auszuschließen ist, dass Beschäftigte im Homeoffice ggfs. auch „vor Ort“ arbeiten können müssen.