"Durch Design Thinking und das agile Setup wurden sehr viel Energie und Kreativität frei."
Interviewpartner:
Romana Aumer ist Head of Customer 360° Business Unit Enterprise der A1 Telekom Austria AG. Bis zum 30. September 2020 führte sie das Area Controlling im gleichen Unternehmen. In dieser Funktion leitete sie das Projekt "Working Capital Management Plus", das zu den 3 Finalisten beim Controlling Excellence Award 2020 des Internationalen Controller Vereins zählte.
Das Interview führten:
Prof. Dr. Andreas Klein, Professor für Controlling und International Accounting an der SRH Hochschule Heidelberg
Günther Lehmann, Chefredakteur Compliance und Controlling von Haufe
Hinweis: In Teil 1 des Interviews erläuterte Romana Aumer bereits, welchen Zweck das Projekt "Working Capital Management Plus" verfolgte und welche Vorgehensweise sich bewährt hat. Zudem beschrieb sie, wie das Team zusammengestellt wurde. In Teil 2 ging es u.a. um die Rolle des Scrum Masters, der Projektstruktur mithilfe der Scrum-Methode und den Vorteilen von Design Thinking. Eine wichtige Rolle misst Frau Aumer der Retrospektive zu: " Dabei geht es um die Arbeit im Team aber auch um Anregungen oder Bedenken, welche die Mitglieder aufgrund der bisherigen Ergebnisse haben. Gemeinsam beschlossene Verbesserungsmaßnahmen sollen gleich im nächsten Sprint umgesetzt werden."
Übergabe an die Linienorganisation & Fazit des Projekts
Wie gelang es Ihnen, die Linienmitarbeiter in diesem Veränderungsprozess mitzunehmen und zu motivieren?
Romana Aumer: Bereits in der "Discover-Phase" hatten wir viele Gespräche mit Mitarbeitern der Linienorganisation, um Problemstellungen zu verstehen. Viele Lösungsansätze waren schon in der Organisation vorhanden, es fehlte manchmal nur die Verknüpfung der verschiedenen Fachbereiche oder ein klarer Auftrag, was zu tun ist. Wir haben dafür das Instrument der „Übergabeaufträge“ entwickelt. Sobald die Entscheidung von unserem PO getroffen wurde, formulierten wir einen klaren Auftrag mit dem erwarteten Ergebnis, den beteiligten Fachbereichen und dem Verbesserungsziel. Die Aufträge wurden im Rahmen des Strategy Steerings des A1 Austria Leadership Teams von unserer CFO an ihre Peers übergeben. Das Team unterstützte die Linienmitarbeiter beim Aufsetzen der Maßnahme, das Monitoring wurde dann an das Maßnahmencontrolling übergeben. Die Steuerung erfolgte im Steering über alle Maßnahmen und die Ziele für die Verantwortungsbereiche. Aufgrund der bereichsübergreifenden Aufträge gab es Shared Goals.
Wie wurde der Projektablauf überwacht bzw. gesteuert? Gibt es bestimmte Kennzahlen, die Sie eingesetzt haben?
Romana Aumer: Ziel unseres Projektes war es, das Working Capital im Jahresvergleich per 31.12. zu verbessern. Im Rahmen der Übergabeaufträge wurde vom Team eingeschätzt, welchen Beitrag die jeweilige Maßnahme zur jeweiligen Komponente des Working Capital oder CAPEX liefern konnte. Diese Einschätzung wurde von der Linienorganisation noch überarbeitet, und es fanden monatliche Status-Meetings mit den Linienmitarbeitern statt, zugeteilte Controller unterstützten dabei mit Statusreports. Für das Steering nutzten wir ein bereits für Umsatz- und Kosten-Monitoring bewährtes Maßnahmencontrolling. Dabei wird einerseits der Reifegrad einer Maßnahme durch "Implementation Levels" verfolgt und andererseits mit einem Ampelsystem die erforderliche Eskalationsstufe (Ergebnis "at risk") kommuniziert.
Haben Sie auch darauf geachtet, mit "Quick wins" die Motivation zu Projektbeginn zu erhöhen? Oder war das gar nicht nötig?
Romana Aumer: Mit der Scrum-Methode muss am Ende jedes Sprints ein Ergebnis erzielt werden. Das ist sowohl für den Kunden – in unserem Fall repräsentiert durch den PO – als auch für das Team ein Erfolgserlebnis. Wir hatten zu Beginn 14-tägige Sprints, also alle zwei Wochen ein Ergebnis. Das war sehr intensiv, sehr anstrengend, aber auch sehr motivierend.
Fazit und Ausblick
Eine Zielerreichung von 210 % ist schon außerordentlich hoch. Welche Anteile haben hier eine möglicherweise vorsichtige Zielsetzung auf der einen und eine überragende Performance im Projekt auf der anderen Seite?
Romana Aumer: Es gibt hier aus meiner Sicht zwei Faktoren. Erstens, die Zielsetzung basierte auf dem Bekannten und Erwartbaren. Durch den Design-Thinking-Prozess und die Diversität des Teams haben wir jedoch verschiedene neue Einflussfaktoren entdeckt, die einfach die Möglichkeiten erweitert haben. Der zweite Faktor ist, dass im agilen Setup die Regeln, Rollen und Prozesse im Team aufgehoben werden. Jeder versucht alles zu tun, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Dadurch werden in intensiver Zusammenarbeit sehr viel Energie und Kreativität auf dieses Ergebnis fokussiert. Wir haben in unserem Abschluss-Workshop das Phänomen mit dem " Ubongo Flow Game" noch einmal spielerisch erlebt – und sind zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen.
Welche Fähigkeiten sollte ein Controller für so ein agiles Projektcontrolling haben und wie kann er sie erwerben?
Romana Aumer: Im Prinzip haben wir in dem Projekt mit einem Consulting-Ansatz gearbeitet, wie es der Controller in seiner Rolle als Business Partner auch tut. Die agilen Werkzeuge lernt man am besten in der Anwendung. Wichtig ist die Bereitschaft, sich zuerst mit dem Problem zu beschäftigen und dann erst mit der Lösung, das gilt für alle Vorgangsweisen im agilen Setup. Man sollte gerne in diversen Teams arbeiten und sich da auch einmal an Andersdenkenden reiben können. Diese Energie ist wichtig für den Fortschritt. Ich hatte manchmal das Gefühl, ich könnte die Köpfe rauchen sehen, und uns allen hat das gemeinsame Denken viel Spaß gemacht.
Lesen Sie auch:
Teil 1: "Working Capital wird von vielen Bereichen im Unternehmen beeinflusst und ist komplex"
Teil 2: "Die Rolle des Scrum Masters ist ein Erfolgsfaktor"
Das Interview ist eine Vorabveröffentlichung aus dem Buch: Klein (Hrsg.): Projektcontrolling mit agilen Instrumenten: Grundlagen, Werkzeuge, Praxisbeispiele (erscheint im März 2021)
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