Prozesse halten sich nicht immer an Verantwortlichkeitsstrukturen
Die Ableitung der Effizienzpotenziale erfolgt im EnBW-Konzern neben den operativen Prozessoptimierungen oftmals über funktionale Sichten. Diese müssen aber nicht unbedingt mit den Verantwortlichkeitsstrukturen übereinstimmen. Insbesondere in einem Konzern mit heterogenen Geschäftsmodellen und unterschiedlichen organisatorischen und technischen Voraussetzungen stößt die Durchsetzung von Effizienzvorgaben schnell an ihre Grenzen. Für das Konzerncontrolling der Zukunft sind daher neue Ansätze zu entwickeln, welche auf den Führungsanspruch im Konzern eingehen. Über die Einführung des Gemeinkostencontrollings bei der EnBW berichtete Hubert Walterer, Konzernexperte Gemeinkostencontrolling bei der EnBW Energie Baden-Württemberg AG, im Rahmen der 9. Fachkonferenz Reporting.
Reduzierte Konzernkomplexität soll höhere Agilität ermöglichen
Auf gravierende Veränderungen im Energiemarkt reagiert die EnBW mit einer Anpassung der Strategie. Hierbei wird die wichtige Rolle des Controllings betont. Ein aktives, straffes Performance Management, operative Exzellenz und höchste Effizienz durch strikte Kostenorientierung für definierte Qualitätsniveaus sind lediglich ein Auszug aus der Strategie. Auch organisatorisch soll der Konzern schlanker und agiler werden. So berichtet Walterer von einer deutlichen Reduzierung der Konzernkomplexität. Sechs rechtlich bislang selbständige Einheiten wurden bereits auf eine Konzerneinheit verschmolzen (s. Abb. 1 in der Bilderserie).
Vier Kernkompetenzen der neuen Controllingorganisation
Funktionale Einheiten wurden teilweise zentralisiert. Darüber hinaus wurde auch die Controllingorganisation auf eine stärkere Performance-Orientierung ausgerichtet. Das zentrale Controlling ist nun „Setzer verbindlicher Richtlinien und Prozessführer für alle Controlling-Funktionen“ im Konzern. Um den künftigen Anforderungen im Energieumfeld gerecht zu werden, muss die Controllingorganisation, so Walterer, vier Kernfähigkeiten mitbringen. Das Controlling muss als „Performance Gestalter“, „aktiver Portfoliomanager und -finanzierer", „Informationsverdichter und Entscheidungsunterstützer“ auftreten und „Transparenz“ schaffen (s. Abb. 2 in der Bilderserie).
Gemeinkostencontrolling als Grundlage der Funktionssteuerung
Aufgrund definitorischer und systemseitiger Brüche waren funktionale Kosten bei der EnBW bisher nicht transparent. Effizienzmaßnahmen konnten nur mit einem hohen einmaligen Aufwand abgeleitet werden (s. Abb. 3).
Standards für Kostenstellen und Verrechnungen angelegt
Im Rahmen eines Projektes zur Gemeinkostensteuerung auf Konzernebene sollte Transparenz bei den Gemeinkosten hergestellt werden, um somit eine Vergleichbarkeit sowie Steuerbarkeit auf Gemeinkostenebene sicherzustellen. Das Projekt soll ein Auswertungsinstrument bzw. einen Mindeststandard schaffen, um Kosten auf Konzernebene auswerten zu können. Die Vergleichbarkeit entsteht dabei durch einheitliche Merkmale je Kostenstelle (Gemeinkostenkategorie) und einem Standard für Verrechnungen. Mit der Definition der Gemeinkostenkategorien wird ein Kostenstellenrahmen geschaffen, der eine Standardisierung der KST-Strukturen und Verrechnungen im operativen Controlling erreicht. Sie bilden den Mindeststandard für die Gesellschaften ab, einheitliche Kostenstellen sind daher nicht notwendig. Der Kostenstellenrahmen ist die Voraussetzung für funktionales Reporting für Gesamtkonzern (z.B. Finanzen, IT, Einkauf, Personal). Mit einem Mindeststandard für Inter- und Intracompany-Verrechnung wurden die Inhalte und Zwecke von Verrechnungen definiert und dokumentiert. Durch die einheitliche Verrechnungsstruktur wird sichergestellt, dass Sender- und Empfänger-Beziehungen im Konzern vergleichbar sind. Es wurde klar festgelegt von welchen Gemeinkostenkategorien Verrechnungen in andere Gemeinkostenkategorien erfolgen dürfen (s. Abb. 4).
„Steckbriefe“ definieren Gemeinkostenkategorien
Zur Sicherstellung der Buchungsqualität und der einheitlichen Umsetzung wurde ein Konzernstandard definiert. Dieser beschreibt das neue Gemeinkostencontrolling im Detail. Wichtige Bestandteile sind die Steckbriefe je Gemeinkostenkategorie. Diese
- enthalten eine allgemeine Definition und Abgrenzung je Gemeinkostenkategorie,
- beschreiben deren Kontierungs-Zuordnung (zentral/dezentral),
- geben an, ob eine technische Validierung erfolgen soll und
- zeigen den Verteilungsschlüssel (z.B. feste %-Sätze, statistische Kennzahl…) und die Bezugsgröße (MAK, qm, Vergütung…).
Ein „Pflegeprozess“ regelt künftig z. B. die Zusammenarbeit zwischen den Fachbereichen und beschreibt Teilprozesse wie z. B. die Anlage neuer Sachkonten, neuer Positionen, eine Änderung der Kontierung oder die Veränderung der Zuordnung von Kostenstellen zu Gemeinkostenkategorien.
Bereits heute bringt das Projekt laut Herrn Walterer deutliche Vorteile mit sich:
- Aktives Kostenmanagement aus Konzern-Sicht
- Nachhaltige Verankerung der funktionalen Steuerung durch Integration in Regel-Steuerungsprozesse
- Transparenzverbesserung bei vergleichsweise geringem Implementierungsaufwand
- Hohe Belastbarkeit der Informationen aufgrund der Vergleichbarkeit an der Datenquelle
- Schlankes und automatisiertes Reporting der Funktionen auf Konzernebene
EnBW Energie Baden-Württemberg AG
Die EnBW zählt zu den führenden Energieunternehmen in Deutschland und Europa mit einer starken Verwurzelung in Baden-Württemberg. Die Geschäftsaktivitäten belaufen sich auf den Großhandelsmarkt (Beschaffung, Erzeugung, Handel), die regulierten Märkte sowie den Endverbrauchermarkt (B2B & B2C). Mit ca. 5,5 Millionen Kunden und einem Erzeugungsportfolio von 13.800 MW installierter Kapazität ist die EnBW einer der wichtigsten Energieversorger in Deutschland und Europa. Die Hauptaktionäre sind das Land Baden-Württemberg sowie der Zweckverband Oberschwäbische Elektrizitätswerke.