Strategie für GenAI: Erfolgsfaktoren und Anwendungen

Künstliche Intelligenz wird im Unternehmensalltag zunehmend präsenter und wichtiger. Es vergeht kaum ein Tag in Unternehmen, an dem nicht über die neuen Einsatzmöglichkeiten von KI gesprochen wird. Mit den Erfolgsfaktoren und Anwendungsfällen befassten sich in ihrem Vortrag Ingo Alzner und Johannes Porsch.

In einer aktuellen KI-Studie von Horváth wurde ermittelt, dass Führungskräfte immer noch unsicher sind, wo genau die größten Hebel von KI liegen. Positive Auswirkungen werden vor allem in gesteigerter Effizienz, verbesserter Entscheidungsunterstützung und neuen Vertriebsmöglichkeiten und Geschäftsmodellen zugeschrieben. Einig sind sich die Führungskräfte darin, dass KI weitestgehend positive Auswirkungen auf ihre Unternehmen haben wird.

Hinweis zur Studie: Für die Horváth-Studie „Mit Vorsprung durch die KI-Revolution – Generative KI als Transformationstreiber nutzen“ (April 2024) wurden 150 Führungskräfte aus Unternehmen mit mindestens 200 Mio. EUR Jahresumsatz und 200 Mitarbeitenden befragt (vgl. News).

Potenziale von GenAI

Einen sehr großen Hebel bietet generative KI (GenAI) sicherlich in der Analyse und Auswertung von Dokumenten. Viele Anwender haben die Fähigkeiten von ChatGPT und anderen KI-Tools im Alltag schon ausprobiert und sind begeistert von den neuen technischen Möglichkeiten.

Herausforderungen für Unternehmen und Anwender

Die Herausforderung besteht für Unternehmen und Anwender aktuell eher darin, mit der technologischen Entwicklung Schritt zu halten. Fast täglich wird in den Medien über neue KI-Sprachmodelle berichtet und Softwareunternehmen präsentieren neueste KI-Funktionen in ihren Produkten. Unternehmen sollten die technologische Entwicklung dennoch im Blick behalten, vor allem, um Fehlinvestitionen in KI-Projekten zu vermeiden, welche Wochen oder Monate später dann von Softwareherstellern als Standardfunktion zur Verfügung gestellt wird, wie z.B. in Microsoft Co-Pilot.

Eine weitere Herausforderung in der Nutzung von GenAI ist Transparenz über die Korrektheit der Antworten des KI-Sprachmodells. Da die Antworten der KI die "wahrscheinlichsten" Antworten sind, ist es in vielen Fällen nicht möglich dem Ergebnis zu vertrauen. Dies gilt vor allem in Hinblick auf den Umgang des Sprachmodells mit Zahlen, z.B. in Rechnungen oder Prognosen.

Hier gilt es die Anwendungsfälle klar zu unterscheiden nach GenAI und "klassischer KI" wie z.B. lineare Regression oder Operations Research.

Anwendungsfälle für AI

Letztendlich fragen sich viele Managerinnen und Manager aktuell, welche Use Cases generell mit AI und Data Science in ihrem Unternehmen über die verschiedenen Bereiche hinweg denkbar sind, und wie diese identifiziert werden können. Hierfür gibt es zwei Optionen:

  1. Use Cases werden durch Befragung der Bereiche und Mitarbeiter gesammelt und danach strukturiert und priorisiert.
  2. Alle End-to-End-Prozesse werden systematisch Schritt für Schritt durchleuchtet in Bezug auf Automatisierungspotenziale und aktuelle Herausforderungen, bei denen AI hilfreich sein könnte. Dazu sind unternehmensspezifische oder -bereichsspezifische Prozessübersichten hilfreich, um in Terminen strukturiert alle Bereiche durchzugehen und zu bewerten.

Umsetzbare Use Cases: Beispiele

Über die verschiedenen Prozesse hinweg sind mit GenAI sowie klassischen AI-Verfahren vielfältige Anwendungsfälle denkbar.

In Finance beispielsweise kann GenAI dabei helfen, im Monatsabschluss das Reporting mit automatischer Kommentierung zu beschleunigen und dabei Unternehmensspezifika und typische Terminologie berücksichtigen, indem mit AI die Ergebnisse analysiert und erläutert werden. AI kann in diesem Zusammenhang außerdem dabei helfen, die Kommentierungen aus der Detailebene Management- und Vorstandsgerecht zusammenzufassen - passend zur Aggregation der Monatsergebniszahlen auf höherer Ebene. Dies wäre im Reporting ggf. kombinierbar mit Predictive Forecasting der weiteren Geschäftsentwicklung.

In der Produktion und im Betrieb kann z.B. Predictive Maintenance auf Basis statistischer Verfahren noch mehr Mehrwert stiften, wenn es mittels GenAI direkt mit Bauplänen und Montageanleitungen verknüpft wird, sodass bei Erkennung von Wartungsbedarfen direkt konkrete Handlungsanweisungen an die Wartungsteams gegeben werden können.

Produktportfoliooptimierungen sind als Use Cases im Bereich Strategie und Innovation denkbar und können bezüglich Produkttrends mit GenAI Market Intelligence zusammen Unternehmen helfen, die richtigen Produktstrategieentscheidungen zu treffen.

Im Themenfeld Sales und Pricing wären denkbar:

  • automatisierte, individuelle Kundenansprache mit GenAI
  • ggf. auch AI-basierte Empfehlungen für Preispunkte und Discounts sowie
  • im Einkauf u.a. Angebotsvergleiche und Zusammenfassungen mit GenAI oder eher klassische, statistische ABC-Analysen bezüglich Lieferanten.

In Bezug auf die potenziellen GenAI Use Cases ist anzumerken, dass strategisch aufgrund der limitierten Personalkapazitäten und Budgetressourcen die Themen mit dem höchsten Nutzenpotenzial zuerst angegangen werden sollten. Ein hohes Nutzenpotenzial kann dabei sowohl durch höhere Produktivität kann z.B. mit einem Unternehmens-GPT mit Commodity-Technologie erzielt werden als auch mit eigenentwickelten Lösungen, welche im Gegenzug für den höheren Investitionsaufwand ein hohes Differenzierungs- und damit ein erhöhtes Ergebnispotenzial versprechen. Beispiele hierfür sind neue, individuelle Geschäftsmodelle unterstützt durch Custom GenAI oder die Erkennung von Markttrends in Texten etc., welche für das Unternehmen relevant sein könnten.

Wie kann die Realisierung von GenAI und AI Cases gelingen?

Damit AI Use Cases in einem Unternehmen realisiert werden können, sind neben den eigentlichen Use Case-Ideen Aspekte auf drei Ebenen erforderlich als Teile eines ganzheitlichen AI- und Datenstrategie-Frameworks, um in Summe AI im Unternehmensalltag einsetzen zu können. Daraus resultiert eine ganzheitliche Herangehensweise, die von der Strategieentwicklung bis zur Integration von KI in Prozesse reicht.


Horváth AI & Data Strategy Framework

Abb. 1: Horváth AI & Data Strategy Framework:

Organisationsstruktur und kulturelle Aspekte

Auf der strategischen Ebene sind eine unternehmensweite Ambition, darauf einzahlende, passende Use Cases und ein damit resultierender, messbarer Mehrwert erforderlich.

Was brauchen Unternehmen, um die Anwendungen umsetzen, betreiben und vor allem nutzen zu können? Hier bedarf es einer entsprechenden Organisationsstruktur mit gemeinsamen Governance-Standards, Prozessen, Rollen und Mitarbeitern, die die Themen bearbeiten. Damit sind auch kulturelle Aspekte verbunden als Teil von Change Management und einer unternehmensweiten, starken Datenkultur, u.a. bereichsübergreifende Zusammenarbeit und das Teilen von Daten sowie die Befähigung der Mitarbeiter durch Trainings und den Austausch in Communities.

Um AI tatsächlich aufzubauen und zu betreiben, sind die richtige IT-Architektur mit den erforderlichen Systemen und Schnittstellen, die notwendigen Daten in passender Qualität, Granularität und Verfügbarkeit sowie geeignete Algorithmen und Modelle erforderlich.

Strategie und Reifegrad

In der Unternehmenspraxis sind all diese 9 Punkte (vgl. Abbildung 1 ) in Summe erforderlich und auf den erforderlichen Reifegrad zu bringen, um das Unternehmen strategisch aufzustellen und GenAI sowie klassische Advanced Analytics-Lösungen im Unternehmen einzusetzen und zu etablieren. Typischerweise sind je nach Unternehmen manche dieser Punkte schon sehr gut aufgebaut und vorhanden, während andere weitere Maßnahmen erfordern, um das Unternehmen insgesamt bzgl. AI und Daten auf das gewünschte Ambitionsniveau zu heben. Diese Maßnahmen sind als Ergebnis der Strategieentwicklung auf einer Roadmap auszuplanen: in einzelnen Schritten und konkreten, erwarteten Ergebnissen.

Generell kursiert in diesem Kontext aktuell immer wieder die Frage, ob jedes Unternehmen neben einer Daten- nun auch eine separate AI-Strategie oder gar eine zusätzliche GenAI-Strategie braucht. Aus Praxiserfahrung empfehlen wir eine Integration dieser drei genannten Begriffe in einen integrierten, strategischen Ansatz zu einer AI & Data Strategy. Diese ist dann sofern erforderlich und zutreffend z.B. von der Konzernebene auf einzelne Business Units oder andere Segmente herunterzubrechen.

Mögliche Bereiche zur Ableitung von AI Use Cases

Abb. 2: Mögliche Bereiche zur Ableitung von AI Use Cases

Mehrwert ermitteln

Für Unternehmen ist es elementar, für alle Anwendungsfälle auch die entsprechenden Mehrwerte zu ermitteln, um den Selbstzweck von KI-Projekten vorzubeugen. Der Mehrwert wird üblicherweise nach interner Wertschöpfung und externem Marktwachstum unterschieden.

Unter interne Wertschöpfung fallen z.B.

  • die Steigerung der Prozesseffizienz,
  • die Steigerung der Qualität oder
  • die Erhöhung der Sicherheit.

Unter externem Marktwachstum werden z.B.

  • neue, KI-basierte Produkte oder Services oder sogar
  • der Verkauf von KI-veredelten Daten an Dritte verstanden.

Da die Ressourcen eines Unternehmens begrenzt sind, werden die Use Cases dann z.B. nach Nutzen, Aufwand und Machbarkeit priorisiert und ein Portfolio gebildet.

Technologische Grundlagen für AI

Flexibilität und Modularität in der IT-Architektur

Da GenAI-Technologien sich aktuell so rasant weiterentwickeln, ist es wichtig sich als Unternehmen nicht strategisch ausschließlich auf eine Technologie oder einen Anbieter festzulegen. Flexibilität und Modularität in der IT-Architektur zahlt sich hier langfristig aus, da alle paar Monate neue KI-Produkte ausprobiert und integriert werden wollen.

Der Einsatz von OpenSource kann in einigen Anwendungsfällen eventuell als Alternative zu kommerziellen Sprachmodellen evaluiert werden.

Wie kann nun das Thema AI im Unternehmen strategisch angegangen werden?

Wie entstehen nun erste Ideen für GenAI Anwendungsfälle über all die verschiedenen Anwendungsbereiche hinweg? Neben dem oben beschriebenen systematischen Ansatz, alle Prozesse auf AI-Potenzial zu durchleuchten, entstehen viele Use Cases aus einer einfachen Abfrage an den Chatbot bzw. GPT.

Wenn die Abfrage wiederholt gleich oder zumindest ähnlich ausgeführt und immer weiter verfeinert wird und zugleich erfolgreich nutzbar ist, lohnt sich ab einer gewissen Anzahl und Regelmäßigkeit eine Automatisierung statt einer Eingabe durch den Anwender. Eine erste GenAI-Prozessautomatisierungslösung entsteht. Wenn dies nun für verschiedene, kleinere, aneinander angrenzende Bausteine passiert, dann resultiert daraus eine zunehmend umfangreichere GenAI-Anwendung mit mehreren Bearbeitungsschritten. Durch eine solche Aufgliederung in einzelne Schritte sind zunehmend komplexere Aufgaben mit GenAI ausführbar. Es resultiert eine intelligente GenAI Process Automation, die die Endanwender entlastet und unterstützt.

Von manuellen Prompts hin zu Prozessautomatisierung mit GenAI

Abb. 3: Von manuellen Prompts hin zu Prozessautomatisierung mit GenAI

Fazit: Großes Anwendungspotenzial von AI

GenAI und klassische AI-Anwendungen wie Forecasts, Optimierungen und Simulationen bieten bei intelligenter Kombination ein noch größeres Potenzial als bei separater Nutzung. Insgesamt steckt in AI ein sehr hohes Nutzenpotenzial für den Einsatz in sämtlichen Unternehmensfunktionen. Darüber hinaus können cross-funktionale Use Cases oftmals für noch mehr Mehrwert sorgen und sowohl Zielkonflikte vermeiden als auch relevante Daten aus mehreren Funktionsbereich gemeinsam nutzen.

Bei der Auswahl der relevantesten Anwendungsfälle zur Umsetzung sollten Unternehmen darauf achten, den wesentlichen Anteil möglichst in Use Cases mit Wettbewerbsdifferenzierungs-Potenzial zu investieren. Um GenAI technisch umzusetzen, sind darüber hinaus flexible technologische Voraussetzungen zu schaffen, um diese schnell Use Case entwickeln und betreiben zu können.

All das erfordert einen passenden organisatorischen Rahmen und bestenfalls eine integrierte AI- und Datenstrategie für Ihr Unternehmen.