Working-Capital-Optimierung am Beispiel eines Krankenhauses


Für Krankenhäuser steigen die Finanzierungskosten. Deshalb liegt es nahe, den Finanzierungsbedarf durch Working-Capital-Optimierung zu senken. Das Marienkrankenhaus Soest hat durch Prozessoptimierungen vor allem den Zeitraum bis zum Rechnungsausgleich der Kassen signifikant verkürzt.

Das Problem: Rechnungen wurden erst sehr spät erstellt
Das Marienhospital Soest wies v. a. im Bereich des Prozessmanagements Optimierungsbedarf auf. So war z. B. die Dauer zwischen Entlassung eines Patienten und Fakturierung der Behandlung sehr volatil. Nach einer ganzheitlichen Prozessbetrachtung von der Aufnahme des Patienten bis zur Durchführung der Fakturierung konnte das Working Capital Management deutlich optimiert werden.

Dr. Nicolas Krämer, kaufmännischer Direktor des Marienkrankenhauses Soest, stellte auf der Finance Excellence 2014 von Horváth & Partners zunächst die Herausforderungen vor, denen das Krankenhauswesen in Deutschland unterstellt ist. Anschließend erläuterte er, mit welchen Maßnahmen eine Working-Capital-Optimierung von 339 % erzielt werden konnte.

Bedeutung der Gesundheitswirtschaft innerhalb von Deutschland
Mit 4,7 Mio. Beschäftigten bildet die Gesundheitswirtschaft innerhalb Deutschlands die größte aller Branchen. Von 294 Mrd. EUR Gesundheitsausgaben entfallen 107 Mrd. EUR auf Krankenhäuser (entspricht 11,7 % des BIP; Stand 2011).

Wirtschaftlichkeit und Qualität entscheiden über Zukunft von Krankenhäusern
Durch den zunehmenden Wettbewerb wird die Anzahl der Krankenhäuser weiterhin abnehmen. Wirtschaftlichkeit und Qualität werden hier als zentrale Steuerungspunkte in der Zukunft gesehen. Wenn es um die Existenzsicherung von Krankenhäusern geht, ist nicht mehr der Chefarzt der wichtigste Mann, sondern der CFO.

"Transparenz schafft Vertrauen. Unter diesem Motto leite ich das Marienkrankenhaus. Gut funktionierende Steuerungssysteme, die belastbare Ergebnisse liefern, sind das eine. Die Ergebnisse vernünftig zu kommunizieren, ist das andere. Kommunikation stellt das A und O von guter Führung dar. Auch hier haben Krankenhäuser Nachholbedarf.“ (Dr. Nicolas Krämer)

Das Leistungsspektrum der Krankenhäuser muss an die aktuellen Gegebenheiten sowie an die Bevölkerungsentwicklung angepasst werden. Hierzu gehört ebenfalls, dass die Preise für die Krankenhausleistungen kostenadäquat gestaltet werden. Gesetzliche Regelungen beeinflussen die Geschäftspolitik der Krankenhäuser immens.

Krankenhäuser zeichnen sich v. a. durch gut ausgebildetes und motiviertes Personal aus, allerdings steigen die Personal-und Sachkosten im Krankenhaus weiterhin erheblich an. Gleiches gilt für die Innovations- und Investitionskraft, die weiterhin innerhalb der Branche an Bedeutung gewinnt.

Prognostizierte Konsequenzen, die sich aus diesen Herausforderungen ergeben werden:

  • Schließung von ca. 15 % der Krankenhäuser in Deutschland.
  • Steigende Zahl von Fusionen zwischen Krankenhäusern.
  • Reduzierung der stationären Einheiten um 25 %.
  • Reduzierung des Marktanteils von öffentlich-rechtlichen Krankenhäusern um 22 %.
  • Insolvenzgefahr (v. a. öffentlich-rechtlicher Krankenhäuser) verdoppelt sich bis 2020 von 19 % auf 44 %.
  • Aktuell besteht ein Investitionsstau von ca. 50 Mrd. EUR.

Ursachen eines hohen Working Capitals im Krankenhausbereich
In einer Studie der Creditreform wird die Lücke zwischen DSO (Days Sales Outstanding) und DPO (Days Payables Outstanding) im Vergleich zur Gesamtwirtschaft deutlich (s. Abb. 1 in der Bilderserie). Krankenhäuser warten länger auf ihr Geld und zahlen trotzdem schneller als der Durchschnitt. Das erhöht natürlich das Working Capital und damit die Finanzierungskosten.

Ein Vergleich zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Krankenhäusern zeigt des Weiteren die Zeitspanne zwischen Rechnungsstellung und Zahlungsziel der Kassen (s. Abb. 2).

Aufgrund der Ertragsprobleme verschlechtern sich die Konditionen zur Fremdfinanzierung deutscher Krankenhäuser durch steigende Zinsen. Als Alternative zur Fremdfinanzierung kann das Working Capital genutzt werden, das sich als Saldo aus Umlaufvermögen und kurzfristigem Fremdkapital definiert.

Ziele des Working Capital Managements
Ein zu hohes Working Capital weist auf strukturelle Probleme hin. Dauerhaft hohe Kapitalbindung bedeutet niedrige Liquidität und somit schlechte Bonität.

Ein negatives Working Capital zeigt, dass das Umlaufvermögen nicht ausreicht, um die kurzfristigen Verbindlichkeiten zu decken. Es stellt einen Verstoß gegen die goldene Bilanzregel dar und ist ein Indikator für zukünftige Liquiditätsschwierigkeiten.

Ziel des Working Capital Management ist ein optimales Verhältnis zwischen Forderungen und Verbindlichkeiten. Die Folgen:

  • Verbesserung der Liquidität durch Freisetzung von gebundenem Kapital,
  • Erweiterung der Finanzierungsspielräume,
  • höhere Eigenkapitalquote,
  • Verringerung des Fremdkapitals,
  • Reduktion des Zinsaufwandes und
  • Verbesserung von Bonität und Rating nach Basel III.

Working Capital Management im Krankenhaus Soest
Die Situation vor Projektbeginn:

  • Langsame Prozesse verursachen einen Liquiditätsverlust.
  • Die Volatilität zwischen Entlassung eines Patienten und der Fakturierung seiner Behandlung war sehr hoch.

Die Lösungsansätze zur Prozessoptimierung:

  • Feste Zuordnung von Ärzten zur abschließenden Unterzeichnung (Vidierung) pro Facharztbericht zum Patient (FAB)
  • Einführung einer DRG-Runde mit DRG-Report pro Fachabteilung (DRG: Diagnosted Relations Group, Fallpauschalenregelung)
  • Automatisierung des Mahnwesens
  • Optimierung der Anschreiben
  • Einführung und Nutzung eines MDK-Tools (MDK: Medizinischer Dienst der Krankenkassen)
  • Thematische Klärung in der DRG-Runde

Die Implementierung ins Reporting-Cockpit führte zu einer Working-Capital-Optimierung von 339 % innerhalb von 8 Monaten. Die Pre-DSO (Tage zwischen Entlassung und Fallfreigabe) konnten auf 1,8 gesenkt werden (Bundesdurchschnitt: 8,2 Tage; Zielvorgabe: 3,0 Tage).

Das Unternehmen
Das Marienkrankenhaus Soest ist eine moderne Klinik mit 150-jähriger Tradition, die ihre Arbeit auf christlich-katholischen Grundwerten fundiert. Es verfügt über 9 Fachabteilungen, über 500 Mitarbeiter, ca. 12.000 stationären Patienten, 238 Betten und erzielt einen Jahresumsatz von 45 Mio. EUR. Eine offene und vertrauensvolle Atmosphäre prägt das Miteinander im Team und gegenüber den Patienten gleichermaßen. Auf dem Krankenhausgelände sind mehrere Arzt- und Therapiepraxen angebunden, die eine bessere und schnellere Versorgung der Patienten gewährleisten sollen.

Das Marienkrankenhaus Soest gehört dem Hospitalverbund Hellweg an, dem sich 5 weitere Hospitale bzw. Wohn- und Pflegeheime anschließen. Im Hospitalverbund Hellweg sind über 2.300 Mitarbeiter beschäftigt, die ca. 36.000 stationäre Patienten versorgen. Die Bettenanzahl beträgt 718 Planbetten sowie 160 Heimplätze insgesamt. Der Jahresumsatz liegt bei über 150 Mio. EUR.

Schlagworte zum Thema:  Working-Capital, Finance Excellence