Philipp Dörrie, Katharina Hamacher
Zusammenfassung
Die Identifizierung und Einordnung von Stakeholdern ist ein wichtiger Schritt bei der Wesentlichkeitsanalyse nach der CSRD. Stakeholder werden in betroffene Interessenträger, die von den Aktivitäten des Unternehmens betroffen sein könnten, und Nutzer der Nachhaltigkeitserklärung eingeteilt. Eine Stakeholder-Analyse wird empfohlen, um die Perspektive der Stakeholder bei der Wesentlichkeitsanalyse zu berücksichtigen und den regulatorischen Anforderungen gerecht zu werden.
1 Stakeholder: Begriffsabgrenzung
Rz. 1
Die Identifizierung und Einordnung von Stakeholdern ist einer der zentralen Bausteine der Wesentlichkeitsanalyse nach der CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive). Bei einer fundierten Analyse wird nicht nur das Nachhaltigkeitsmanagement eines Unternehmens beeinflusst, sondern vielmehr eine wesentliche Vorarbeit für die Identifizierung von wesentlichen Themen und somit den Berichtsinhalten dieses Unternehmens geleistet. Die Einbeziehung der Stakeholder wird sowohl in der CSRD als auch in weiteren Rahmenwerken wie GRI (GRI 2-29) gefordert.
Rz. 2
Die Definition des Stakeholders wird je nach Regulatorik oder Rahmenwerk enger oder weiter ausgelegt. Die ESRS (European Sustainability Reporting Standards; § 9A) übersetzen den Begriff des Stakeholders mit "Interessenträger" und definieren ihn wie folgt: "Personen oder Gruppen, die das Unternehmen beeinflussen oder von ihm beeinflusst werden können" (ESRS 1.22). Die Interessenträger werden demnach in 2 Gruppen eingeteilt:
- Die 1. Gruppe sind die sog. betroffenen Interessenträger ("affected stakeholders"), welche Einzelpersonen oder Gruppen, deren Interessen von den Tätigkeiten des Unternehmens und seinen direkten und indirekten Geschäftsbeziehungen in seiner gesamten Wertschöpfungskette betroffen sind oder betroffen sein könnten, umfasst. Die Betroffenheit kann sowohl auf positive als auch auf negative Weise stattfinden.
- Die 2. Gruppe umfasst die Nutzer der Nachhaltigkeitserklärung ("users of sustainability statements"), also die Hauptnutzer der Finanzberichterstattung sowie der Nachhaltigkeitsinformationen. Beispiele für diese Interessengruppe sind Investoren, Kreditgeber, Geschäftspartner oder NGOs.
Nicht selten gehören Interessenträger beiden Gruppen an. Der Natur kommt in der Regulatorik eine gesonderte Position zu. Sie kann als stiller Interessenträger betrachtet werden und sollte daher sowohl in der Stakeholder- als auch in der Wesentlichkeitsanalyse entsprechend berücksichtigt werden.
Ein klassisches Beispiel für einen Stakeholder, der sowohl von den Tätigkeiten des Unternehmens betroffen ist als auch ein Interesse an diesem hat, ist der Lieferant. Das Unternehmen B ist ein Hersteller für Naturkosmetik und pflanzliche Arzneimittel. Als Hauptabnehmer von Lieferant C, welcher Naturheilkräuter anpflanzt, hat das Unternehmen daher einen großen (finanziellen) Einfluss auf den Lieferanten und seine Mitarbeitenden. Der Lieferant hat folglich ein großes Interesse am Unternehmen B, seinem größten Kunden, und daran, die Beziehung aufrechtzuerhalten, rechtzeitig zu liefern und gute Qualität zu gewährleisten.
Nun sind die Naturheilkräuter von Lieferant C auch der wichtigste Rohstoff für das Unternehmen B, ohne die nicht produziert werden kann. Somit hat der Lieferant ebenso einen Einfluss auf das Unternehmen und seine wirtschaftlichen Verhältnisse wie umgekehrt.
Lieferant C ist nicht nur repräsentativ für einen Interessenträger nach ESRS, welcher die Gruppe des "betroffenen Interessenträgers" sowie die des "Nutzers der Nachhaltigkeitserklärung" abdeckt, sondern ebenfalls einer, der aufgrund seines Einflusses auf und seines Interesses am Unternehmen besonders streng vom Unternehmen B überwacht werden sollte.
Rz. 3
Um die Einbindung der Perspektive der Stakeholder bei der Wesentlichkeitsanalyse optimal zu ermöglichen und i. S. d. Regulatorik zu gewährleisten, ist die Durchführung einer Stakeholder-Analyse zu empfehlen. Deren einzelne Schritte werden im Folgenden erläutert.
2 Stakeholder-Analyse: step-by-step
Rz. 4
1. Erstellung einer Stakeholder-Longlist
In Abstimmung mit relevanten Fachbereichen des Unternehmens, wie bspw. dem Einkauf, dem Vertrieb, der Personalabteilung oder Investor Relations, werden für das Unternehmen relevante externe Stakeholder identifiziert. Dabei sollte das Unternehmen entsprechend den Anforderungen der ESRS sowohl Stakeholder identifizieren, auf die seine Unternehmenstätigkeit einen Einfluss hat, als auch jene, die das Unternehmen beeinflussen. Um Stakeholder zu erkennen, die finanzielle Interessen verfolgen, wie bspw. Investoren, Aktionäre oder Kreditgeber, werden die finanziellen Beziehungen und Strukturen des Unternehmens analysiert. Zusätzlich werden, u. a. durch die Betrachtung der internen Struktur des Unternehmens, interne Stakeholder identifiziert, die möglicherweise Einfluss auf strategische...