Julius Hansen, Ann-Kathrin Langefeld
Rz. 17
ESG-Rating-Agenturen sind mit ihren spezifischen, teilw. nicht im Detail nachvollziehbaren Bewertungsansätzen immer wieder der Kritik unterschiedlicher Stakeholder-Gruppen ausgesetzt: Mangelnde Vergleichbarkeit und Intransparenz, insbes. mit Blick auf die konkret angewendeten Kriterien und zugrunde liegenden Methodologien ("Black Box"), bilden den Dreh- und Angelpunkt der ESG-Rating-Kontroverse, die auch durch freiwillige Qualitätsmanagement-Initiativen einzelner Rating-Anbieter noch nicht final entkräftet werden konnte.
Rz. 18
Vor diesem Hintergrund hat die EU-Kommission am 13.6.2023 einen Vorschlag für eine Verordnung über ESG-Rating-Tätigkeiten übermittelt, die im Kern folgende Vorschriften vorsieht:
- Für die Zulassung und Beaufsichtigung von Drittanbietern von ESG-Ratings und -Punktebewertungen soll die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) zuständig sein.
- Die Tätigkeitsbereiche der ESG-Rating-Anbieter sollen zwecks Vermeidung und Bewältigung von Interessenkonflikten getrennt werden.
- Es sollen verhältnismäßige und grundsatzbasierte organisatorische Anforderungen greifen.
- Darüber hinaus sind Mindestanforderungen hinsichtlich der Transparenz von Rating-Methoden und -Zielen gegenüber der Öffentlichkeit und detailliertere Informationen für Abonnenten und bewertete Unternehmen vorgesehen.
- Es soll Transparenz bzgl. der Gebühren und der Anforderungen hinsichtlich redlicher, angemessener und nicht diskriminierender Gebühren geschaffen werden.
- Zudem wird vorgeschlagen, die Möglichkeit für Anbieter aus Drittländern zu schaffen, auf dem EU-Markt tätig zu werden – unter der Voraussetzung der Gleichwertigkeit, der Zulassung der Übernahme oder der Anerkennung.
Rz. 19
Am 5.2.2024 haben der Rat und das EU-Parlament eine vorläufige Einigung über den Kommissionsvorschlag erzielt, mit dem das Vertrauen der Anleger in nachhaltige Produkte gestärkt werden soll. In der Einigung wird klargestellt, dass ESG-Ratings Umwelt-, Sozial- und Menschenrechts- oder Governance-Faktoren umfassen. Ferner ist darin vorgesehen, dass E-, S- und G-Ratings separat bereitgestellt werden können. Wird jedoch nur ein einziges Rating bereitgestellt, soll ausdrücklich ausgewiesen werden, wie die E-, S- und G-Faktoren gewichtet wurden. Die vorläufige Einigung muss noch von Rat und Parlament gebilligt werden, bevor sie das förmliche Annahmeverfahren durchläuft. Die Verordnung soll 18 Monate nach ihrem Inkrafttreten zur Anwendung kommen.
Rz. 20
An einer zuvor durchgeführten Konsultation zum Markt für ESG-Ratings hatten sich verschiedene Akteure beteiligt, darunter u. a. das deutsche Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) mit seiner Forderung nach "mehr Transparenz bei ESG-Ratings" zum Zwecke der Eindämmung des Greenwashing-Risikos.