Prof. Dr. Ronald Gleich, Manfred Blachfellner
Beispiel: SEW EURODRIVE Den Schritt von Phase 2 zu Phase 3 hat auch die SEW gemacht, ein weltweiter Anbieter von Elektromotoren und Getrieben für Produktionsbänder bis Industriegetrieben, die Hafenkräne bewegen. Das Unternehmen hat im Verlauf der letzten zehn Jahre sein Selbstverständnis verändert und sich von einem "Komponenten-Produzenten" zu einem "Intra-Logistik-Anbieter" weiterentwickelt. Die AGV’s (Automated Guided Vehicles) der SEW (Maxolution) übernehmen bereits in vielen Fabriken den Transport am Band oder ersetzen das Band. Der SEW-Service ist seit vielen Jahren ein Benchmark auch für andere Branchen. Nachstehend wird am Beispiel des Leistungsangebotes aufgezeigt, was mit der Entwicklung vom "Produkt-Hersteller mit Mehrwert" zum "Full-Service Dienstleister" im Unternehmen verändert wurde. Grundlage ist der ausgeprägte Kundenfokus und das Ziel, direkt und damit schnell beim Kunden zu sein. Die SEW leistet dies mit den über 30 technischen Büros und Drive Centern in Deutschland. Was heute "Customer Experience" heißt, hat die SEW schon in den 90ern mit ihrem Service verfolgt: den Kunden positiv zu überraschen und Kundenbegeisterung zu praktizieren. Bei SEW sind unter der Marke CDM®, "Complete Drive Management" die einzelnen Services mit unterschiedlicher Leistungstiefe in Service-Verträgen mit Kunden vereinbart worden. Damit hat der Service Mehrwertleistungen gemäß Phase 2 des hier dargestellten Servitization-Prozesses (Abb. 2) angeboten, CDS (Complete Drive Services), die an SEW-Produkten ausgeführt werden (Abb. 33). Den Schritt in die Servitization Phase 3 hat SEW mit dem 2018 angebotenen Life-Cycle-Management gemacht (Abb. 34). Jetzt steht nicht mehr das Produkt der SEW im Fokus, sondern der Dienstleistungsprozess gegenüber dem Kunden. Wo steht der Kunde mit seinen Aufgaben? Was ist zu tun, um schnell zu helfen? Als "guter Partner" steht die SEW dem Kunden in den Phasen zur Verfügung, in denen er Bedarf für ein Gespräch hat, von der Orientierung (persönliche Beratung) über die Planung (Konzepterstellung), den Beschaffungs-Service, die Installation und alle Arten der Optimierung im Betrieb bis zur Modernisierung. Das Life-Cycle-Management der SEW ist ein großer Schritt in Richtung Kundenorientierung.
Abb. 33: SEW-Service-Angebot für Produkte
Abb. 34: SEW-Service-Angebot orientiert an Prozessschritten der Kunden
Damit bietet die SEW aktiv einen "Full-Service" an und zeigt Kompetenz in allen Aufgabenfeldern, die ein Kunde durchläuft, wenn er eine Produktion oder Anlage in seinem Unternehmen verantwortet und neu ausrichten, verbessern oder vertraglich z. B. gegen Ausfälle absichern möchte. Im Life-Cycle der SEW steht übrigens nichts von Digitalisierung, denn entweder ist das Teil der Modernisierung einer Anlage oder wird in der Beratungsphase zum Thema. Digitalisierung ändert nicht die 6 Schritte des Life-Cycles, sie unterstützt die Dienstleistungen in den einzelnen Phasen und bildet ggf. eigene Dienstleistungen. Sie ist auch im Service ein wesentlicher Faktor. Viele Service-Leistungen werden heutzutage digital unterstützt oder automatisiert geleistet. Das beeinflusst Produktivität, Schnelligkeit und erfordert im Gegenzug Investments in Technologien. Digitalisierung kann auch Geschäftsmodelle verändern, allerdings wird sie ohne Geschäftsmodell keinen Ertrag einspielen. Und Digitalisierung erfordert auch neue Fähigkeiten und somit ein neues Ausbildungs- und Berufsbild im Service und Service-Vertrieb. Die SEW ist mit ihrem Fabrikautomatisierungs-Leistungsbereich Maxolution längst im Bereich neuer Geschäftsfelder digital angekommen. Dies gilt auch für ihre Service-Leistungen, die mit den Life-Cycle Services den Kundenanforderungen entsprechen und inhaltlich entsprechende Kompetenzen aufweisen. Dabei können dann andere Geschäftsmodelle auch zu einer geänderten Risikoverteilung von Kunde und Anbieter sowie eventueller Partner führen. Dies kann sich dann auch im Pricing widerspiegeln. Schafft es ein Lieferant, erheblichen Mehrwert durch eigene Ideen beim Kunden zu erzeugen, ist eine "Value Abrechnung" statt einer "Cost-plus Abrechnung" gerechtfertigt. Damit sind wir in der Phase 4 angekommen, in der integrierte Leistungen erbracht werden, wenn Kunde und Anbieter gemeinsam für ein Ergebnis verantwortlich sind.
Schritt 3: Maßnahmen, um die Leistungsfähigkeit der Service-Organisation für die Phase 4 vorzubereiten
- Das Selbstverständnis des Unternehmens und der Service-Organisation muss sich nochmals weiterentwickeln, es ist eine weitere grundlegende Transformation. Jetzt steht der Kunde des eigenen Kunden im Fokus. Integration bedeutet, mit dem eigenen, direkten Kunden zusammen eine Leistung für den Kunden des direkten Kunden zu erzeugen. Als Leistungspartner muss bekannt sein, welche Kunden bedient werden und was deren Erwartungen sind.
- Alle vorangegangen Entwicklungsschritte sind auf die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit dem direkten Kunden für dessen Kunden auszurichten. Es ist ein nächstes Service-Leve...