Servitization – Wie sich produktzentrierte Unternehmen zum Service-Champion entwickeln können
Servitization: Vom Produkt- oder Projektanbieter zum Anbieter integrativer Lösungen
Der Begriff Servitization beschreibt den Prozess, bei dem sich ein Anbieter von seinem reinen Produkt- oder Projektbetrieb über einen Serviceanbieter bis hin zum Anbieter integrativer Lösungen entwickelt.
Dabei stellt der Anbieter bewusst nicht nur sein Produkt in den Vordergrund, sondern auch die zum Produkt bereitgestellten Services. So entsteht das Bild vom “Produkt Plus”, sowohl beim Anbieter selbst als auch beim Kunden. Außerdem profitieren die Kunden bei der Servitization von einem gesteigerten Wertversprechen des Anbieters und individuellen Leistungsangeboten der Services, passend zu ihrem Anspruch. Durch diese individuellen Leistungsangebote gelingt es den Anbietern, Kundenprozesse zukünftig besser zu unterstützen als mit ihrem bisherigen Produktgeschäft.
Das Servitization Wachstumsmodell
Das Servitization Wachstumsmodell besteht aus den vier Stufen:
- Produkthersteller,
- Produkthersteller mit Mehrwert,
- Full-Service-Dienstleister,
- Anbieter von integrativen Lösungen.
Der Produkthersteller ist die Grundausprägung im Servitization Wachstumsmodell. Sie charakterisiert, dass nur absolut notwendige Dienstleistungen für das Produkt angeboten werden, wie z. B. grundlegende Installations- und Wartungsdienstleistungen.
In der ersten Evolutionsstufe zur Servitization, dem Produkthersteller mit Mehrwert, werden zusätzlich zu den grundlegenden Dienstleistungen zu den Produkten weitere sogenannte "Life-Cycle-Services" angeboten, um den Zustand der Produkte zu verbessern.
In der zweiten Evolutionsstufe zur Servitization, dem Full-Service-Dienstleister, erweitern die Anbieter ihre Service-Palette um sogenannte "Business-Services", welche die Performance ihrer Produkte weiter verbessern. Somit kann ein gesteigerter Nutzen bei den Kunden durch den Servicegedanken entstehen und die Anbieter können die Services als Kernbestandteil in ihr Geschäftsmodell integrieren.
In der finalen Ausbaustufe des Servitization Wachstumsmodells, dem Anbieter von integrativen Lösungen, verkaufen die Anbieter nicht mehr die Produkte an sich, sondern ihre Produkte als "Product-as-a-Service". Sie stellen ihren Kunden also das Produkt als Service mit garantierter Verfügbarkeit inklusive der Verwaltungs- und Asset-Management-Services bereit.
Beispiel: Rolls-Royce und das Power-by-the-Hour Prinzip
Ein bekanntes Servitization-Beispiel eines Anbieters von integrierten Lösungen zeigt das Unternehmen Rolls-Royce Turbines auf, welches Flugzeugturbinen herstellt. Rolls-Royce verkauft diese Triebwerke allerdings nicht mehr an seine Kunden, sondern stellt diese zur Nutzung als Service bereit. Die Kunden bezahlen Rolls-Royce dabei nur für geleistete Flugstunden mit den Triebwerken nach dem Power-by-the-Hour Prinzip. Rund um die Nutzung und Bereitstellung der Triebwerke übernimmt Rolls-Royce für seine Kunden außerdem die Überwachung, Wartung und Reparatur in einem umfassen Servitization-Modell.
Vorteile der Servitization für den Kunden
Die skizzierte Servitization bietet für die Kunden von Anbietern integrierter Lösungen folgende Vorteile:
- Der Kunde wird bei der Steigerung seiner Operational Excellence unterstützt, wie z. B. bei der Senkung seiner Total Cost of Ownership.
- Der Kunde wird dabei unterstützt, seine Cashflows zu optimieren, da ehemals fixe Anschaffungs- und Abschreibungskosten variablen Nutzungskosten weichen. So kann beim Kunden eine Verlagerung von CapEx zu OpEx erfolgen.
- Der Kunde wird bei der Senkung seiner Risiken unterstützt, da Produktions- als auch Marktrisiken mit dem Service-Anbieter geteilt werden.
- Der Kunde kann sich durch umfassende Services rund um das bereitgestellte Produkt voll auf sein eigenes Kerngeschäft konzentrieren, da Wertschöpfungsbestandteile des Produkts durch den Anbieter übernommen werden.
5 Fakten über Servitization
- Gewinnsteigerung durch Servitization: Bei vielen Unternehmen ist die durchschnittliche EBIT-Profitabilität zwei bis fünfmal höher als bei ihren Produkten.
- Steigende Aktienwerte durch fortschreitende Servitization: Eine Langzeitstudie in den USA zeigt, dass der Börsenwert stark serviceorientierter Unternehmen im Vergleich zu weniger serviceorientierten Unternehmen in der Vergangenheit stärker anstieg.
- Wettbewerbsvorteile durch Servitization: Drei von vier Industrieunternehmen erwarten, dass Servitization in Zukunft ihr Geschäft dominieren wird. Servitization wird also essenziell sein, um weitere Wettbewerbsvorteile zu generieren.
- Höhere Marge durch Servitization: Unternehmen, die bereits auf ein Servitization Modell umgestellt haben, berichten von einer Gewinnmarge auf Services zwischen 15 und 35 %.
- Vernachlässigung der Servitization Strategie: Weniger als ein Drittel der produzierenden Industrieunternehmen verfolgen derzeit eine Servitization Strategie.
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass Servitization einen höheren Gewinn bzw. eine höhere Marge als beim reinen Produktgeschäft sowie steigende Aktienwerte und damit höhere Marktwerte ermöglicht. Außerdem erwartet man, dass Servitization das zukünftige Geschäft und somit die zukünftigen EBITs von produzierenden Unternehmen maßgeblich bestimmen wird, auch wenn derzeit erst wenige Unternehmen eine explizite Servitization Strategie aufweisen.
6 Erfolgsfaktoren für die Servitization als Geschäftsmodell
Um die genannten Transformationsschritte jedoch vollziehen zu können, muss die Definition, Bewertung und Umsetzung einer Servitization Strategie im Vordergrund stehen. Dafür gilt es die folgenden sechs Erfolgsfaktoren zu beachten:
- Definition von strategischen Steuerungskennzahlen,
- Design einer geeigneten Organisationsstruktur,
- Aufbau geeigneter Sales-Strukturen,
- Etablierung eines auf die Servitization und die Transformation abgestimmten Innovationsprozesses,
- Integrative Einbindung möglicher externer Partner sowie
- Aufbau eines Controllingsystems zur Steuerung der Servitization und der notwendigen Transformation.
Gelingt es den Unternehmen diese Erfolgsfaktoren bei ihrer Servitization Strategiedefinition und -umsetzung erfolgreich zu meistern, steht einer erfolgreichen Servitization des Geschäftsmodells nichts im Wege.
Besondere Rolle des Controllings bei der Servitization
Die bereits skizzierte Transformation durch fortschreitende Servitization bedingt auch eine Weiterentwicklung des Controllings und all seiner Prozesse. Hier muss das Controlling den Wandel durch seine eigene Transformation von einem reinen Produkt-Controlling über ein Produkt-/ Dienstleistungs-Controlling bis hin zu einem Eco-System-Controlling in der letzten Ausbaustufe der Servitization vollziehen.
Diese Transformation wird nun an einem Controlling Hauptprozess – dem Reporting – anhand der Bereiche Fokus Key Performance Indicators (KPIs), Objekte und Dimensionen und Informationsquellen dargestellt.
Fokus KPIs
Während sich das Reporting reiner Produkthersteller meist auf KPIs wie die Produktprofitabilität und die Produktkosten stützt, müssen Produkthersteller mit Mehrwert hier bereits einen Schritt weitergehen und ebenfalls KPIs wie die Servicerentabilität oder die Servicequalität im Auge behalten, um ihr gesteigertes Service-Level garantieren zu können. In den nächsten Ausbaustufen des Servitization Wachstumsmodells, dem Full-Service-Dienstleister und dem Anbieter integrativer Lösungen, muss sich das Reporting auf noch spezifischere Service KPIs – wie z. B. den Erfüllungsgrad von Service Level Agreements, die Servicerentabilität mit Risikogewichtung oder die Erlössplittung nach verschiedenen Serviceerlösquellen – fokussieren, um eine adäquate Steuerung des Unternehmens sicherzustellen.
Objekte und Dimensionen
Im zweiten Bereich – Objekte und Dimensionen – zeigt sich eindeutig, dass sich das Reporting durch die Servitization auf eine komplexere Steuerungslogik in höheren Servitization Ausbaustufen einstellen muss. Während es für Produkthersteller meist noch ausreichend war, Kostenstellen und -abweichungen zu betrachten, muss der Fokus nun auf die integrierte Kundensicht, Vertragssicht sowie ganzheitliche Lösungen und Plattformmodelle gelegt werden.
Informationsquellen
Auch im letzten Bereich – den Informationsquellen – bewahrheitet sich, dass die Arbeit des Controllings im Reporting durch die fortschreitende Servitization komplexer wird. Reichten einem reinen Produkthersteller bis dato meist interne Daten und ein gelegentlicher Einbezug von externen Daten für bestimmte Ad-Hoc Fragestellungen, so müssen bei steigendem Grad der Servitization mehr und mehr externe Daten, im speziellen Kundendaten, einbezogen werden. Vor allem Full-Service-Dienstleister benötigen die externen Daten eines regelmäßigen Kundenaustausches im Reporting, um Prozessverbesserungen zu erarbeiten. Anbieter integrierter Lösungen müssen solches Feedback der Kunden noch intensiver in ihr Reporting aufnehmen, indem sie die Kunden über umfassende Schnittstellen oder über entsprechende Systemintegrationen direkt in ihr Reporting einbinden.
Der Referent: Prof. Dr. Ronald Gleich
Prof. Dr. Ronald Gleich ist Academic Director des Centre for Performance Management & Controlling der Frankfurt School of Finance & Management, Leiter der Ideenwerkstatt des Internationalen Controllervereins sowie Mitgründer der Podcastreihe "Controlling-Vordenker". Er war einer der zahlreichen Referenten des ICV Congress der Controller 2022, welcher sich den aktuellen Herausforderungen im Spannungsfeld voller Auftragsbücher, leerer Lieferketten und pandemiebedingter Unsicherheit widmete.
Zusätzlich wird traditionell im Rahmen des Congress der ICV Controlling Excellence Award für die "beispielgebende Controlling-Lösung des Jahres" verliehen. Den Award 2022 konnte sich das Nachhaltigkeitsreporting der Deutsche Post DHL Group sichern, mehr dazu erfahren Sie in dieser News.
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