Von weitem betrachtet sehen die Ausführungen in IAS 36 zur außerplanmäßigen Abschreibung schon aufgrund ihres Umfangs sehr eindrucksvoll aus. Dies lässt erwarten, dass wenig Fragen offen bleiben. Wenn man sich dem Standard über das Inhaltsverzeichnis nähert, sieht er schon viel weniger gut aus. Wenn man ihn aber wirklich liest, sieht er einigermaßen grausam aus. Es beginnt allerdings harmlos mit drei Begriffen:
- Beizulegender Zeitwert abzüglich Kosten der Veräußerung (fair value less costs of disposal) ist der potenzielle Veräußerungspreis abzüglich Veräußerungskosten (nachfolgend kurz: Nettozeitwert oder NZW).
- Nutzungswert (value in use) ist der Barwert der geschätzten zukünftigen Cashflows aus dem Vermögenswert.
- Erzielbarer Betrag (recoverable amount) ist der höhere der beiden vorgenannten Werte.
Abb. 4 zeigt den Zusammenhang der drei Größen.
Abb. 4: Erzielbarer Betrag (recoverable amount)
Eine außerplanmäßige Abschreibung ist erst dann geboten, wenn der erzielbare Betrag, d. h. sowohl der Nettozeitwert als auch der Nutzungswert, unter dem Buchwert liegen. Die ökonomische Logik dieses Ansatzes ist vergleichbar der einer Unternehmensbewertung. Bei der Unternehmensbewertung gilt der Liquidationswert als Wertuntergrenze. Liegt der Ertragswert eines Unternehmens über seinem Liquidationswert, so ist es rational, das Unternehmen fortzuführen. Der Fortführungswert wird dann eben durch den Ertragswert zum Ausdruck gebracht. Liegt der Ertragswert hingegen unter seinem Liquidationswert, so ist es rational, das Unternehmen zu liquidieren. In diesem Fall ist der Liquidationswert der rationale Unternehmenswert.
IAS 36 wendet dieses Gedankengut auf einzelne Vermögenswerte an. Damit beginnen die Schwierigkeiten: Für die meisten Vermögenswerte des Anlagevermögens lässt sich ein individueller Ertrags- bzw. Nutzungswert nicht ermitteln, da sie Erträge nicht unabhängig von anderen Vermögenswerten generieren können. Sie erzeugen Erträge nur im Verbund. Das Ertragswertkriterium scheint insoweit untauglich. IAS 36 "löst" dieses Verbundproblem jedoch auf anspruchsvolle Weise.
- Es ist zunächst die Zahlungsmittel generierende Einheit (CGU, cash generating unit) zu bestimmen. Die kleinste, am wenigsten aggregierte Gruppe von Vermögenswerten, die einen gemeinsamen und "im Großen und Ganzen" von anderen Vermögenswerten oder Gruppen von Vermögenswerten unabhängigen Cashflow generiert.
- Für diese CGU ist dann eine begründete Cashflow-Prognose aufzustellen, ein geeigneter, risikoadäquater Abzinsungszinssatz zu wählen und hieraus der Barwert der Gruppe zu ermitteln.
- Dieser Barwert der Gruppe ist sodann mit dem Buchwert der Gruppe zu vergleichen.
- Soweit der Barwert bzw. Ertragswert der Gruppe unterhalb des Buchwerts, aber noch oberhalb des Nettozeitwerts liegt, ist eine Abschreibung auf den value in use geboten.
- Die Höhe der einzelnen Abschreibungen steht damit aber immer noch nicht fest, da nun wieder der Weg zurück von der Gruppenbetrachtung zum Einzelgegenstand gewählt werden muss. Der auf Gruppenebene festgestellte Abschreibungsbetrag muss auf die einzelnen Vermögenswerte verteilt werden.
- Der Abschreibungsbetrag ist zunächst einem eventuell in der CGU enthaltenen Geschäftswert zu belasten, sodann den anderen in der Gruppe enthaltenen Vermögenswerten des sachlichen und immateriellen Anlagevermögens im Verhältnis ihrer Buchwerte.
Einige Ausnahmefälle wie die drastische Marktverschlechterung bei einer kompletten Produktlinie ausgenommen, erweist sich dieser Ansatz aus IAS 36 häufig als zu kompliziert. Vereinfachungen sind deshalb geboten. Erste Vereinfachungshinweise gibt es schon in IAS 36.16 ff. selbst: eine außerplanmäßige Abschreibung scheidet bereits dann aus, wenn eine der beiden Größen Nettoveräußerungswert oder Nutzungswert über dem Buchwert liegt. Auf die komplexe Bestimmung des Nutzungswerts kann deshalb verzichtet werden, wenn der Nettozeitwert höher als der Buchwert ist. Die Ertragswertermittlung ist auch dann nicht notwendig, wenn es keinen Grund gibt anzunehmen ("no reason to believe"), dass sich Nettozeitwert und Nutzungswert materiell unterscheiden. Die Abschreibung erfolgt dann einfach auf den Nettozeitwert.
Aus praktischer Sicht relativieren sich die Regelungen zur CGU noch weiter, wie auch ein Vergleich zum HGB zeigt. Der beizulegende Wert nach § 253 HGB wird für den Bereich des Anlagevermögens regelmäßig über den Wiederbeschaffungswert definiert. In der Bilanzierungspraxis spielt der Wiederbeschaffungswert hingegen nur ausnahmsweise eine Rolle.
Beispiel
Die ABC GmbH ist mit drei Produktlinien am Markt vertreten. Zum Ende des Geschäftsjahres erwirbt sie je 50 neue Büro-PCs (zusammen 150) für die Vertriebsorganisationen der drei Produktbereiche. Bis zum Bilanzstichtag ereignet sich noch Folgendes:
- Wegen der allgemeinen Tendenz auf dem PC-Markt betragen die Wiederbeschaffungspreise zum Bilanzstichtag nur die Hälfte der Anschaffungspreise.
- 25 PCs im Bereich B werden durch einen Wasserschaden vernichtet.
- Die Produkte des Bereichs C ge...