Die entscheidende Veränderung bei der Gestaltung von Geschäftsmodellen besteht in der Wandlung der über Jahrzehnte gewohnten und beschriebenen Wertschöpfungsketten zu Wertschöpfungsnetzwerken. Ein Netzwerk zeichnet sich dadurch aus, dass Produkte und Informationen nicht linear entlang der Wertschöpfungskette fließen, sondern mit einer Vielzahl von Schnittstellen über alle Wertschöpfungsprozesse.
Auch dies ist ein Paradigmenwechsel, der alle bisherigen Grundsätze wirtschaftlicher Tätigkeit und unternehmerischer Steuerungssysteme infrage stellt. Vieles davon ist heute schon sichtbar:
- Das beginnt mit der ganz simplen Tatsache, dass Online-Netzwerke des World Wide Web keine Öffnungszeiten haben. Diese Gegenwärtigkeit – also das zu jeder Zeit und an jedem Ort Verfügbarsein – ist eine Grundeigenschaft von digital basierten Netzwerk-Organisationen. Darauf sind unser traditionelles Denken und Verhalten nicht eingestellt.
Traditionell werden die Details eines Geschäfts zwischen Mitarbeitenden im Vertrieb auf der einen und im Einkauf auf der anderen Seite ausgehandelt. Mitarbeitende aus der Entwicklung oder der Fertigung des Lieferunternehmens und vor allem der anwendenden Bereiche des beziehenden Unternehmens sitzen meistens nicht mit am Tisch.
In Netzwerken können sich hingegen alle Beteiligten gleichzeitig einbringen – egal aus welchen Bereichen sie kommen. So finden sich Abteilungs- und Unternehmensübergreifende Teams, die sich selbst organisieren, um Aufgaben oder Probleme zu bewältigen. Auch darauf sind unsere Organisationen nicht eingestellt.
Die Organisation der Wertschöpfungsketten arbeitet mit auf Produkte und Leistungen bezogenen Verträgen, kommuniziert mithilfe von Meetings oder E-Mails und führt mit Vorgaben und Ausführung, finanziellen Anreizen für Mitarbeitende, Lieferanten und Kunden sowie mit Strafen für Abweichungen von vereinbarten Standards und Annahmen.
Netzwerk-Organisationen "ticken" anders. Nutzer bezahlen hier eher mit Daten als mit Geld und die Verträge verlagern sich zunehmend auf den Handel mit diesen Daten. Die Kommunikation erfolgt über Messenger-Dienste oder Foren oder ähnliche flexible und offene Tools. Führung befasst sich vor allem mit der Vermittlung von Sinn bezüglich des Andockens an das Netzwerk, mit der Gestaltung hilfreicher Rahmenbedingungen für die Kooperation wechselnder Teams und mit der Organisation einer leistungsfähigen technischen Infrastruktur.
- Die Organisationen der klassischen Lieferkette erscheinen stabil und sind entlang klarer Trennlinien voneinander abgegrenzt. Im modernen Netz wechseln Einzelne und Teams immer wieder ihre Zugehörigkeiten, Subnetze konfigurieren sich für die Dauer von Projekten und mit neuen Projekten immer wieder neu. Die Zahl langfristiger Festanstellungen sinkt, immer mehr Menschen bieten als Freelancer ihre Leistungen und Kompetenzen den Unternehmen und Einzelnen an, bilden temporäre Teams und langfristige Netzwerkpartnerschaften.
Was das für die Praxis der Unternehmenssteuerung bedeutet, können wir derzeit bestenfalls ahnen. Doch dieser Paradigmenwechsel steht nicht als ein visionäres Bild kommender Zeiten vor uns. Diese Zukunft hat bereits begonnen. Wir können sie beobachten in unserem Alltag. Bspw. bei der Nutzung unserer Smartphones und Tablets mit ihren Apps und Assistenten. Die Kompetenz, selbst zu wissen und zu können, wird erweitert durch die moderne Kompetenz, Wissen und Können aus seinem persönlichen Netzwerk und unterstützt durch digitale Werkzeuge zu akquirieren. Und mehr und mehr greift dieser Alltag aus dem Privatleben in die betrieblichen Belange über. Wir – ob als Controller, Qualitätsmanager oder Führungskräfte – stehen also jetzt vor der Aufgabe, unsere tradierten Steuerungssysteme im Controlling und Qualitätsmanagement an diesen veränderten Alltag anzupassen. Wenn wir das nicht vermögen, werden andere unsere Rolle übernehmen.
Der Wandlungsprozess in Richtung Wertschöpfungsnetzwerke führt zu einer Verknüpfung von drei verschiedenen Welten (s. Abb. 2). Wir benötigen daher eine Unternehmenssteuerung zur Integration dieser verschiedenen Welten.
Abb. 2: Das "drei Welten"-Modell
2.2.1 Das Internet der Dinge (IoT– Internet of Things)
Hinter den Netzwerken mit ihren virtuellen Erscheinungsformen steht eine sehr materielle aber zugleich neuartige Infrastruktur, die gewaltige Investitionen erfordert bzw. deren Leistungen von Dritten zuverlässig bereitgestellt werden müssen. Nicht nur Maschinen, sondern alle "Dinge" erhalten schrittweise eine IP-Adresse und werden Teil des weltweiten Netzes. Dies ermöglicht in der Erbringung von Marktleistungen einerseits eine "Plug & Play"-Konfiguration von Fertigungseinrichtungen, die auf diese Weise hochflexibel agieren können und andererseits ermöglicht die neuartige Infrastruktur die Beteiligung räumlich getrennter Beteiligter am Entwicklungs- und Produktionsprozess.
Dieses rasant wachsende Internet der Dinge erzeugt eine exponentiell wachsende Datenmenge, die wir erfassen, analysieren und in entscheidungsrelevante Informa...