Zusammenfassung
Unter dem Kreditrisiko wird allgemein die Gefahr verstanden, dass es aus einer Forderung zu Verlusten kommt, weil der tatsächliche Zahlungsstrom einer Forderung bonitätsbedingt nicht dem erwarteten Cashflow entspricht.
1 Das Kreditrisiko und seine Komponenten
Eine derartige Inkongruenz zwischen den Zahlungsströmen kann verschiedene Ursachen haben, wobei insbesondere die folgenden Teilrisiken differenziert werden können (vgl. Schierenbeck, Hölscher, 1998, S. 432 f.):
- Das Informationsrisiko beinhaltet die Gefahr, dass der Schuldner falsche Informationen liefert und der Gläubiger infolgedessen eine Fehlentscheidung bezüglich der Forderung trifft.
- Das Ausfallrisiko drückt die Gefahr aus, dass der Schuldner aufgrund einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage seinen Zahlungsverpflichtungen nicht bzw. nicht in voller Höhe nachkommen kann.
- Das Terminrisiko bezeichnet die Gefahr, dass die Zahlungen des Schuldners zeitlich verzögert eingehen.
- Das Besicherungsrisiko umfasst schließlich die Gefahr, dass die vereinbarten Sicherheiten nur zu einem geringeren als dem geplanten Wert realisiert werden können.
Häufig werden das Ausfallrisiko und das Terminrisiko zum so genannten Bonitätsrisiko zusammengefasst. Das Bonitätsrisiko und das Besicherungsrisiko ergeben zusammen das Kreditrisiko i. e. S. Die Systematisierung des Kreditrisikos verdeutlicht zusammenfassend auch Abbildung 1.
Abb. 1: Systematisierung des Kreditrisikos
Die dargestellte traditionelle Sichtweise des Kreditrisikos, bei der es um unerwartete Ausfälle von Forderungen geht, kann in einer erweiterten Sichtweise noch um das Länderrisiko ergänzt werden. Das Länderrisiko entsteht dadurch, dass grenzüberschreitende Kapitaldienstleistungen aufgrund von Transferbeschränkungen, die auf hoheitliche Maßnahmen eines ausländischen Staates zurückzuführen sind, verhindert werden (vgl. Schierenbeck, 2003, S. 257).
2 Unterscheidung von erwarteten und unerwarteten Verlusten
In Bezug auf die Steuerung des Kreditrisikos kommt der Differenzierung zwischen erwarteten und unerwarteten Verlusten eine große Bedeutung zu. Ein Unternehmen, das einen Forderungsbestand aufbaut, muss zwangsläufig auch mit Forderungsausfällen rechnen. Die völlige Vermeidung von Ausfällen wird nicht gelingen und kann somit auch kein Ziel des Forderungsmanagements darstellen. Es stellt sich daher zunächst die Frage, in welcher Höhe mit Verlusten durch Forderungsausfälle zu rechnen ist.
Um diese Frage beantworten zu können, müssen zunächst die Ausfallwahrscheinlichkeiten der einzelnen Forderungen bekannt sein. Derartige Informationen lassen sich gewinnen, indem die Schuldner einem Rating unterzogen werden.
Erwarteter Verlust
Besteht beispielsweise eine Forderung in Höhe von 100.000 EUR gegen einen Schuldner, der mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 % während des kommenden Jahres ausfallen wird, dann beläuft sich der Erwartungswert des Verlustes auf 100.000 EUR x 1 % = 1.000 EUR. Besteht der gesamte Forderungsbestand eines Unternehmens aus 1.000 solcher Forderungen, dann beträgt der Erwartungswert des Verlustes 1.000 EUR x 1.000 = 1 Mio. EUR. Dieser Verlust wird als der erwartete Verlust des Forderungsbestands bezeichnet. Ein jährlicher Verlust durch Forderungsausfälle wird sich in dieser Höhe im längerfristigen Mittel einstellen (vgl. Schierenbeck, 2003, S. 258).
Aus dieser Erkenntnis ergeben sich verschiedene Schlussfolgerungen in Bezug auf das Forderungsmanagement. Dadurch, dass das Unternehmen einen Forderungsbestand aufbaut, ergibt sich offensichtlich das Kreditrisiko. Würde dieses Risiko ohne weitere Maßnahmen akzeptiert, dann hätte dies zur Folge, dass das Unternehmen einen Teil des wirtschaftlichen Risikos des Schuldners resp. des Kunden übernimmt, ohne hierfür eine adäquate Gegenleistung zu erhalten. Eine gute Analogie hierfür ist eine Versicherung, bei der ein Versicherungsunternehmen zwar zusagt, die Schäden zu tragen, hierfür aber keine Prämie verlangt. Tatsächlich ist es jedoch so, dass ein Versicherungsunternehmen die eigentlichen Risiken nicht übernimmt. Die Prämien, die sämtliche Versicherungsnehmer zahlen, sollen so hoch sein, dass dadurch die Schäden, die bei einigen wenigen Versicherten auftreten, gedeckt werden können, d. h., die Versicherungsnehmer selbst tragen die entstehenden Schäden gemeinschaftlich.
Diese Überlegung lässt sich auf das Forderungsmanagement eines Unternehmens übertragen. Wenn es nicht die Aufgabe des Unternehmens ist, das wirtschaftliche Risiko der Schuldner zu übernehmen, dann muss die Folgerung lauten, dass die Schuldner ihr Risiko selbst tragen müssen. Mit anderen Worten: Die Schuldner müssen eine "Versicherungsprämie" an den Gläubiger entrichten. Diese Prämie, die das Unternehmen einfordern muss, entspricht exakt dem erwarteten Verlust der einzelnen Forderung. Im oben genannten Beispiel bedeutet dies, dass die Schuldner jeweils eine Risikoprämie von 1.000 EUR dafür zahlen müssten, dass das Unternehmen die Forderung und damit das Risiko des Ausfalls übernimmt. Aus der Perspektive des Unternehmens reichen dann die Risikoprämien im Mittel exakt au...