Dr. Josef Baumüller, Prof. Dr. Kerstin Lopatta
Rz. 62
Ein Mutterunternehmen muss die konsolidierte Berichterstattung zu den Auswirkungen, Risiken und Chancen der Gruppe grds. unabhängig von den rechtlichen Strukturen erstellen. Hierbei kann entweder ein Top-down-Ansatz verfolgt werden oder eine Bottom-up-Methode, bei der alle Ergebnisse der Tochterunternehmen zusammengefasst werden. Bei der methodischen Vorgehensweise sollte immer eine gewisse Konsistenz in Bezug auf die angewendeten Grenzwerte gewährleistet sein (ESRS 1.102). Dies bedingt u. a. eine Vorgehensweise mit der Erarbeitung von konzerneinheitlichen Leitlinien bzw. Abfragen i. V. m. Reporting-Packages, wie sie für die finanzielle Berichterstattung im Konzern bereits üblich ist (Rz 25).
Rz. 63
Als weitere Besonderheit des Konzernkontextes referenziert ESRS 1 die Regelung in Art. 29 Abs. 4 der Bilanz-RL i. d. F. CSRD, wonach eine gesonderte Berichterstattung erforderlich ist, wenn ein in die konsolidierte Nachhaltigkeitserklärung einbezogenes Tochterunternehmen wesentliche Unterschiede in seinem Auswirkungs-, Risiko- und Chancen-Profil im Vergleich zu jenem des Gesamtkonzerns aufweist. Die Vorgaben des ESRS 1 dazu bleiben aber wenig aufschlussreich: "so legt das Unternehmen eine angemessene Beschreibung der Auswirkungen, Risiken und Chancen des bzw. der betreffenden Tochterunternehmen(s) vor" (ESRS 1.103). U. E. sind sinngemäß die Regelungen zur Aufschlüsselung in der Wesentlichkeitsanalyse (Rz 25) und der Berichterstattung (Rz 60) anzuwenden, um den Nutzern der Nachhaltigkeitsberichterstattung ein entsprechendes Verständnis zu vermitteln (siehe auch ESRS 1.104).
EFRAG IG 1 widmet auch dieser Regelung Ausführungen, kommt hierbei jedoch u. E. zu einem über den dargelegten Rahmen von ESRS 1 bzw. der CSRD teilw. hinausschießenden Ergebnis:
"In addition to disclosing information about matters that are material for the group in its entirety, there may be situations where a matter is assessed to be material for some subsidiaries in isolation but, despite the aggregation of data of such subsidiaries, the matter is assessed as not material for the group in its entirety. In this case following paragraph 103 of ESRS 1, the undertaking would provide information about this material matter, in order to provide an adequate understanding of the specific impacts, risks and opportunities of the subsidiaries concerned. In this way, despite the absence of a reporting at subsidiary level due to the application of the subsidiary exemption, an appropriate level of transparency is preserved where the reporting undertaking identifies significant differences between the IROs of the group and the IROs of one or more of its subsidiary undertakings (refer to CSRD article 29a,4). This could include, next to other relevant narrative information, metrics covering the amounts of those subsidiaries only. In this case contextual information would be helpful, to support the understanding that despite being material for one or more subsidiaries, the matter is not material for the group in its entirety and the undertaking, as well as to disclose which entities are included in the disclosures, including in the metrics."
Da Art. 29a Abs. 4 der Bilanz-RL i. d. F. der CSRD auf "erhebliche Unterschiede" der Risiken bzw. Auswirkungen (Plural) von einbezogenen Tochterunternehmen abstellt, ist nochmals eine gesonderte Betrachtung erforderlich, da de facto eine weitere Wesentlichkeitsschwelle vorliegt. Diese kann quantitativer oder qualitativer Natur sein (Rz 61); Auswirkungen einerseits und Risiken bzw. Chancen andererseits werden gesondert zu beurteilen sein.
Rz. 64
ESRS 1.103 stellt u. E. zunächst auf eine grundlegende Darstellung von unterschiedlichen Unternehmensprofilen in puncto Auswirkungen, Risiken und Chancen ab, die mit den allgemeinen Angaben in ESRS 2 dargestellt werden können. Den Rahmen für spezifischere damit verbundene Angaben schaffen aber die Ausführungen in ESRS 1, Kap. 3.7 (Rz 60) mit den dort enthaltenen Voraussetzungen. Solche Angaben werden für Tochterunternehmen dann zu tätigen sein, wenn auch die Voraussetzungen gem. Kap. 7.6 erfüllt sind. Da Auswirkungen typischerweise keinen Aggregationseffekten unterliegen wie (finanzielle) Risiken bzw. Chancen, wird für diese im Fall erheblicher Unterschiede häufig disaggregiert zu berichten sein – aber immer auf spezifische Auswirkungen bezogen, wie in der zuvor dargelegten Passage der EFRAG IG 1 dargelegt. Bei Risiken und Chancen ist eine solche Disaggregation (über allgemeine Darstellungen i. S. d. ESRS 1.103 hinaus) aufgrund der genannten Effekte demgegenüber wohl häufig nicht notwendig.
Keinesfalls abgeleitet werden kann eine Lösung i. S.e. Mehrspalten-Berichterstattung für den Gesamtkonzern und einzelne in die Nachhaltigkeitserklärung einbezogene (Tochter-)Unternehmen, die über den gesamten Bericht gezogen wird.