Professionelles Einkaufen setzen einen professionellen Vergabeprozess voraus. In diesem Vergabeprozess, auch Sourcing genannt, wird die Auftragsvergabe strategisch gesteuert. Um bestmögliche Entscheidungen zu treffen können, muss zunächst eine interne Analyse vorgenommen werden. Im Rahmen dieser internen Analyse wird der Vergabeumfang technisch und organisatorisch möglichst genau spezifiziert. An dieser Stelle sollte bereits strategische Risikoprävention ansetzen, da Vergabeentscheidungen langfristige Entscheidungen sind, die aufgrund von Wechselbarrieren häufig nur schwer zu revidieren sind. Es gilt im strategischen Vergabeprozess daher die bestmöglichen Lieferanten im Markt zu identifizieren und die Beziehung mit den ausgewählten Lieferanten effektiv zu managen. Für beide Aspekte des strategischen Lieferantenmanagement spielt die Abhängigkeit von einem Lieferanten eine entscheidende Rolle.
Verfügbarkeit von Alternativlieferanten
Eine hohe Anzahl von potenziellen Alternativlieferanten ist hierbei ein strategischer Vorteil für das einkaufende Unternehmen, da mehrere potenzielle Quellen dem Einkauf bessere Informationen über die Kosten, Leistungsfähigkeit und Innovationsmöglichkeiten des jeweiligen Marktes liefern. Außerdem besteht mit guten Alternativlieferanten durch eine glaubhafte Wechselandrohung ein Wettbewerbshebel in den Vertragsverhandlungen zu den Konditionen der Belieferung. Um nach einem möglichen Vertragsabschluss einen Lieferantenwechsel ggf. durchführen zu können, sollte bereits bei der Auftragsvergabe, also innerhalb des Vergabeprozesses, eine Einschätzung der potenziellen Wechselkosten vorgenommen werden. Die möglichen Wechselkosten sind ein wichtiger Aspekt des strategischen Lieferanten-Risikomanagements und richten sich nach Leerkapazität im Beschaffungsmarkt, potenziellen rechtlichen Hindernissen (z. B. geistiges Eigentum), Hochlaufzeit und -aufwand für den neuen Lieferanten (z. B. Qualitätsaudits).
Sicherheitsbestände
Sicherheitsbestände sind eine gängige ex-ante Strategie zum Schutz vor Versorgungsengpässen. Pufferstrategien durch Lagerbestände sollen Zeit verschaffen, um gegen unvorhergesehene nachteilige Ereignisse vorzugehen. Es kann bei einem drohenden Lieferantenausfall schwierig sein, Sicherheitsbestände zur Überbrückung der Umstellungszeit aufzubauen, da komplexe kunden- und modellspezifische Teile normalerweise nicht auf einem Spotmarkt gekauft werden können und andere Kunden wahrscheinlich ebenfalls ihre Sicherheitsbestände vom notleidenden Lieferanten erhöhen werden. Daher sollte bereits frühzeitig im Zusammenspiel von Einkauf und Controlling der Aufbau von Sicherheitsbeständen in Erwägung gezogen werden. Diese Taktiken zur Minimierung der Auswirkungen einer Versorgungsunterbrechung sind jedoch eher oberflächliche Lösungen und gehen nicht auf die grundlegenderen Probleme ein. Darüber hinaus führt Redundanz durch zusätzliche Quellen, Sicherheitsbestände und dergleichen zu zusätzlichen Kosten, die als eine Art Versicherungsgebühr angesehen werden können.
Beschaffungsvolumen
Ein weiterer gängiger Indikator für die Abhängigkeit durch Wechselbarrieren von einem Lieferanten ist die Anzahl der von diesem Lieferanten gelieferten Teile. Die Menge dient als Anhaltspunkt für die Kritikalität eines Lieferanten im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit des einkaufenden Unternehmens bei Lieferantenausfall. Zudem führt eine große Anzahl angelieferter Teile tendenziell zur logistischen Unverzichtbarkeit des Lieferanten, da wenige Teile leichter zu einem neuen Lieferanten verschoben werden können als eine große Menge an Teilen. Genauso wie nicht zu viel Umsatz bei einem einzelnen Kunden auf dem Absatzmarkt konzentriert sein sollte, sollte unter dem Aspekt des strategischen Lieferanten-Risikomanagements nicht zu viel Beschaffungsvolumen bei einem einzelnen Lieferanten platziert sein. Auch wenn die Versuchung für den Einkauf groß sein kann, möglichst viele Vergaben bei wenigen performanten Lieferanten zu platzieren, sollte das Controlling einen Überblick über eine gewisse Risikodiversifikation im Beschaffungsvolumen sicherstellen.
Technologische Position
Schließlich kann auch die technologische Position eines Lieferanten als dessen Machtquelle und Wechselbarriere dienen. Verfügt beispielsweise ein finanziell angeschlagener Lieferant durch eine außergewöhnliche technologische oder verfahrenstechnische Leistungsfähigkeit über einen Wettbewerbsvorteil, ist der Abnehmer stärker auf diese Lieferbeziehung angewiesen – insbesondere dann, wenn sich die spezifische Leistungsfähigkeit auf ein Technologie-Suchfeld bezieht, welches dem Abnehmer spürbaren Nutzen bringt. Hierbei ist zu beachten, dass die direkten Konkurrenten des Abnehmers wahrscheinlich ein ähnliches strategisches Interesse an dem gemeinsamen Lieferanten haben. Dieser Aspekt des Wettbewerbs innerhalb des Kundenkreises spielt im reaktiven Lieferanten-Riskmanagement eine entscheidende Rolle.
Eintrittswahrscheinlichkeit berücksichtigen
Neben dem potenzielle...