Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufung im Räumungsprozeß: Bestimmung der streitigen Zeit und der Beschwer einer Berufung gegen die Feststellung einer Teilerledigung; Berücksichtigung von Betriebskostenvorauszahlungen bei der Wertberechnung; vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach Versäumung eines Vollstreckungsschutzantrages
Orientierungssatz
1. Im Falle einer Räumungsklage nach Mietvertragskündigung beginnt die streitige Zeit iSd ZPO § 8 mit der Klageerhebung.
2. Bei einer Berufung gegen die Feststellung einer Teilerledigung berechnet sich die Beschwer aus der Differenz der Kosten bis zur Teilerledigung zu den in dieser Zeit angefallenen Kosten ohne den erledigten Teil des Rechtsstreits.
3. Vertraglich vereinbarte Vorauszahlungen auf Heizungs- und sonstige Betriebskosten haben bei der Wertberechnung außer Betracht zu bleiben.
4. Bei Versäumung des Schutzantrages nach ZPO § 712 kommt eine Einstellung der Zwangsvollstreckung nach ZPO § 719 Abs 2 regelmäßig nicht mehr in Betracht. Ein Schutzantrag an das Berufungsgericht ist jedenfalls, auch bei Aussichtslosigkeit, vorsorglich geboten, um die Möglichkeit eines Antrags nach ZPO § 719 Abs 2 zu erhalten.
Normenkette
ZPO §§ 8, 712, 719 Abs. 2
Tenor
Die Anträge des Beklagten,
- den Wert seiner Beschwer durch das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 5. Februar 1999 auf einen 60.000 DM übersteigenden Betrag festzusetzen und
- die Zwangsvollstreckung aus diesem Urteil bis zur Entscheidung über die Revision einstweilen einzustellen,
werden zurückgewiesen.
Gründe
I.
Der Antrag auf Heraufsetzung der Beschwer ist nicht begründet.
1. Das Berufungsgericht hat als streitige Restlaufzeit des Mietvertrages eine Zeitspanne von 25 Monaten zugrunde gelegt, nämlich vom 30. Oktober 1997 (dem Tag, zu dem die Klägerin den Mietvertrag fristlos gekündigt hat) bis zum 30. November 1999 (dem Tag, zu dem erstmals ordentlich hätte gekündigt werden können), und die Beschwer des Beklagten gemäß § 8 ZPO auf 25 × 2.150 DM (monatliche Nettomiete) festgesetzt.
a) Dabei hat das Berufungsgericht zum einen übersehen, daß bei einer Räumungsklage nach vorausgegangener Kündigung die streitige Zeit im Sinne des § 8 ZPO erst mit der Klageerhebung (hier: Zustellung der Klage durch Niederlegung am 29. November 1997) beginnt (vgl. Senatsurteil vom 1. April 1992 - XII ZR 200/91 - BGHR ZPO § 8 Räumungsklage 1). Der auf die streitige Zeit entfallende Nettomietzins beträgt daher nur 24 1/30 Monate × 2.150 DM = 51.671,67 DM.
b) Zum anderen hat das Berufungsgericht bei der Festsetzung der Beschwer nicht berücksichtigt, daß der Beklagte mit seiner Berufung das Urteil des Landgerichts insgesamt angefochten und Klageabweisung auch insoweit beantragt hatte, als das Landgericht auf die einseitige Teilerledigungserklärung der Klägerin festgestellt hatte, daß der (auf Zahlung rückständiger Mietzinsen in Höhe von 12.500 DM gerichtete) Klageantrag zu 2 in der Hauptsache erledigt sei.
Die Zurückweisung eines Rechtsmittels, mit dem der Beklagte auch die erstinstanzliche Feststellung der Teilerledigung nach einseitiger Teilerledigungserklärung des Klägers angegriffen und insgesamt auf Klageabweisung angetragen hat, beschwert ihn zusätzlich in Höhe der auf den erledigten Teil entfallenden Kosten der Vorinstanz (vgl. für den Fall einseitiger Teilerledigungserklärung im Berufungsverfahren BGH, Beschlüsse vom 13. Juli 1988 - VIII ZR 289/87 - BGHR ZPO § 546 Abs. 2 Hauptsacheerledigung 1 und vom 25. September 1991 - VIII ZR 157/91 - WM 1991, 2009).
Der Wert dieser Kosten ist durch eine Differenzrechnung zu ermitteln, die ergibt, um welchen Betrag bis zur Teilerledigungserklärung diejenigen Kosten überschritten sind, die angefallen wären, wenn der Kläger den Rechtsstreit von Anfang an nur über den nicht für erledigt erklärten Teil der Hauptsache geführt hätte (vgl. BGH aaO).
Auch unter Berücksichtigung dieser Kostendifferenz übersteigt der Wert der Beschwer 60.000 DM aber nicht.
2. Zur Begründung seines Antrags auf Heraufsetzung der Beschwer weist der Beklagte auf die in § 5 des Mietvertrages vereinbarte Vorauszahlung auf Heizungs- und sonstige Betriebskosten in Höhe von monatlich 600 DM hin und macht geltend, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sei im Rahmen des § 8 ZPO nicht auf die Nettomiete, sondern auf die Bruttomiete abzustellen.
Insoweit bedarf es jedoch keiner Entscheidung, ob – nicht zuletzt im Interesse möglichst einfacher, klarer und übersichtlicher Bewertungsgrundsätze – der Auffassung des Berufungsgerichts zu folgen ist, der Wertberechnung nach § 8 ZPO sei lediglich der Nettomietzins ohne Nebenkosten zugrunde zu legen (vgl. zur Streitwertberechnung nach § 16 GKG auch OLG Köln MDR 1996, 859 f.), oder ob nach wie vor an der Entscheidung BGHZ 18, 168 festzuhalten ist, nach der bestimmte, nicht verbrauchsabhängige Gegenleistungen des Mieters ebenfalls als Teil des „Zinses” im Sinne des § 8 ZPO anzusehen sind.
Auch nach den Grundsätzen der zuletzt genannten Entscheidung können vereinbarte Vorauszahlungen auf Nebenkosten nicht als Bestandteil des Entgelts für die Gebrauchsüberlassung angesehen werden, zumal ihre Vereinbarung lediglich die Zahlungsweise regelt und keinen Aufschluß darüber gibt, welche über den eigentlichen Mietzins hinausgehenden Beträge der Mieter nach erforderlicher Abrechnung tatsächlich schuldet.
Der Beklagte hat auch keine Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht (vgl. zu diesem Erfordernis BGH, Beschluß vom 9. März 1988 - IVa ZR 250/87 - und Senatsbeschluß vom 27. Juni 1990 - XII ZR 20/90 - BGHR ZPO § 546 Abs. 2 Neue Tatsachen 1 und 4), denen sich die regelmäßig zu erwartende Höhe der dem Vermieter zu erstattenden verbrauchsunabhängigen Betriebskosten entnehmen ließe. Dies wäre um so mehr erforderlich gewesen, als der Beklagte im Berufungsverfahren unwidersprochen vorgetragen hat, daß über die Nebenkosten ab 1993 bislang keine Abrechnung vorliege.
II.
Für die begehrte einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ist schon deshalb kein Raum, weil die vom Berufungsgericht nicht zugelassene Revision mangels hinreichender Beschwer (§ 546 Abs. 1 Satz 1 ZPO) unzulässig ist (vgl. BGHZ 8, 47, 49). Im übrigen kommt eine Einstellung der Vollstreckung nach § 719 Abs. 2 ZPO regelmäßig nicht in Betracht, wenn der Schuldner es – wie hier – in der Berufungsinstanz versäumt hat, von der Möglichkeit eines Antrags nach § 712 ZPO Gebrauch zu machen (ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt Senatsurteil vom 10. März 1999 - XII ZR 41/99 - m.N. – unveröffentlicht –).
Dafür, daß es ihm im Berufungsverfahren nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen sei, einen solchen Schutzantrag zu stellen, hat der Beklagte nichts vorgetragen. Nachteile, die ihm durch einen solchen Antrag hätten entstehen können, sind nicht ersichtlich. Allein der Umstand, daß er einen solchen Antrag aufgrund der ständigen Rechtsprechung des Berufungsgerichts zur Bemessung der Beschwer für aussichtslos hielt, brauchte ihn nicht zu hindern, einen solchen Antrag vorsorglich zu stellen, um sich die Möglichkeit eines Vollstreckungsschutzantrages nach § 719 Abs. 2 ZPO in der Revisionsinstanz zu erhalten (vgl. auch BVerwG NVwZ 1998, 1117).
Unterschriften
Blumenröhr, Krohn, Hahne, Sprick, Weber-Monecke
Fundstellen
Haufe-Index 640475 |
NJW-RR 1999, 1385 |
NZM 1999, 794 |
ZMR 1999, 615 |