Prof. Dr. Hans-Jürgen Kirsch, Dr. Christoph König
Tz. 74
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
Im Prognosebericht ist gem. § 315 Abs. 1 Satz 4 HGB über die voraussichtliche Entwicklung des Konzerns zu berichten. Die Konzernleitung muss Prognosen zum künftigen Geschäftsverlauf und zur Lage des Konzerns abgeben. Darüber hinaus hat sie diese im Konzernlagebericht zu beurteilen und zu erläutern (vgl. DRS 20.118). Die Sachverhalte sind also zu werten, zu kommentieren und nicht nur zu nennen (vgl. DRS 20.11). Zahlenangaben sind sinnvoll, da diese für die Adressaten oftmals konkreter sind als rein qualitative Angaben (vgl. Buchheim/Knorr, WPg 2006, S. 422). Zahlenangaben ermöglichen nämlich Soll-Ist-Vergleiche, sodass die Prognosequalität der Konzernleitung ex post beurteilt werden kann (vgl. Heumann, 2005, S. 109f.). Der Umfang und Detaillierungsgrad solcher quantitativen Angaben wird durch den Grundsatz der Informationsabstufung begrenzt.
Tz. 75
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
Prognosen sollten idR von der Konzernleitung persönlich abgegeben werden. Bezieht sich die Konzernleitung darüber hinaus auf Prognosen anderer Organisationen, wie zB dem ifo Institut, muss sie dies im Konzernlagebericht gem. DRS 20.121 angeben. Ein Bezug auf Prognosen Dritter ist indes nur sinnvoll, wenn dies für das Verständnis der voraussichtlichen Entwicklung des Konzerns erforderlich ist (vgl. DRS 20.124).
Tz. 76
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
Prognosen können nicht richtig oder falsch sein, sondern lediglich plausibel und widerspruchsfrei (vgl. Hennrichs, DStR 2009, S. 1447; AKEIÜ, DB 2003, S. 109). Da Prognosen mit Unsicherheiten verbunden sind, fordert der Gesetzgeber gem. § 315 Abs. 1 Satz 4 2. Halbsatz HGB die Angabe der zugrunde liegenden Annahmen. Diese können zB Wirtschafts- und Branchenentwicklungen, Wechselkurse oder technischer Fortschritt sein (vgl. DRS 20.122). Damit wird die intersubjektive Nachprüfbarkeit der Prognosen erhöht (vgl. Quick/Reus, KoR 2009, S. 19). Die Adressaten können mithilfe der Annahmen die Erwartungen der Konzernleitung besser einschätzen. Einseitig positive oder negative Annahmen sind nicht zulässig. Die Annahmen müssen mit den Prämissen des Konzernabschlusses im Einklang stehen (vgl. so auch DRS 20.120). Andernfalls würde die Konzernleitung widersprüchliche Informationen vermitteln. Dies hätte negative Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit sämtlicher Aussagen im Konzernabschluss und Konzernlagebericht.
Tz. 77
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
Der Prognosezeitraum ist gesetzlich nicht konkretisiert. Gemäß DRS 20.127 beträgt dieser mindestens ein Jahr, gerechnet vom letzten Konzernabschlussstichtag. Im Schrifttum wurde bis zum letzten Jahrzehnt ein Prognosezeitraum von mindestens zwei Jahren als angemessen erachtet (vgl. mwN ADS, 6. Aufl., § 289 HGB, Tz. 111; so auch der alte Standard des DRSC zur Lageberichterstattung DRS 15.86). Der damals geforderte Mindestzeitraum von zwei Jahren ist indes vielfach nicht umgesetzt worden (vgl. Barth/Beyhs, KoR 2010, S. 566f.). Dies liegt nicht zuletzt an den Herausforderungen bei der Prognose künftiger Entwicklungen. Je länger der Prognosezeitraum ist, desto geringer wird die Prognosegenauigkeit (vgl. Baetge/Kirsch/Thiele, 2019a, S. 757; Busse von Colbe, 1968, S. 116).
Tz. 78
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Die Verkürzung des Prognosezeitraums auf mindestens ein Jahr wurde im Rahmen der Entwicklung von DRS 20 kontrovers diskutiert (vgl. statt vieler Hachmeister/Glaser, IRZ 2012, S. 302f.). Ein Nachteil eines Prognosezeitraums von einem Jahr resultiert aus den Offenlegungsfristen für den Konzernlagebericht (vgl. Tz. 15). Je nach Zeitpunkt der Offenlegung verbleibt bei kapitalmarktorientierten Mutterunternehmen ein Prognosezeitraum von mindestens acht Monaten. Bei nicht kapitalmarktorientierten Mutterunternehmen kann der Prognosebericht für die Adressaten im Extremfall keine Bedeutung mehr haben, wenn sie die Frist von zwölf Monaten zur Offenlegung des Konzernlageberichts vollständig ausschöpfen und der Prognosezeitraum nicht länger als ein Jahr ist. Das DRSC hat sich in DRS 20 dennoch – zugunsten der Prognosegenauigkeit (vgl. Tz. 80f.) – bewusst für eine Verkürzung des Prognosezeitraums auf mindestens ein Jahr entschieden (vgl. DRS 20.B34). "Indes sind Prognosen, die den Zeitraum von einem Jahr überschreiten, zulässig und wünschenswert" (Baetge/Kirsch/Thiele, 2019b, S. 597).
Tz. 79
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
Zusätzlich sind gem. DRS 20.127 auch absehbare Sondereinflüsse nach dem Prognosezeitraum von mindestens einem Jahr darzustellen und zu analysieren. So können sich auch für die Zeit nach dem Prognosezeitraum Berichtspflichten ergeben. Dies ist der Fall, sobald ein Sondereinfluss aufgrund von Erfahrungswerten wahrscheinlich Auswirkungen auf die künftige Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage haben wird (glA Fink/Kajüter/Winkeljohann, 2013, S. 168). Als Beispiel für einen Sondereinfluss nennt DRS 20.B17 absehbare Akquisitionen oder entwicklungsbeeinträchtigende Situationen. Es kann sich sowohl um unregelmäßige als auch um regelmäßig wiederkehrende Ereignisse h...