Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Ballwieser
Tz. 41
Stand: EL 44 – ET: 06/2021
Der wirtschaftliche Nutzen eines Vermögenswerts wird grundsätzlich durch dessen Nutzung verbraucht. Die Nutzungsdauer bestimmt sich daher grundsätzlich nach dem Zeitraum, in dem der Vermögenswert im Unternehmen einen wirtschaftlichen Nutzen erbringt (vgl. Tz. 41a). Jedoch können andere Faktoren, wie technische Veralterung oder Verschleiß, während der Gegenstand ungenutzt bleibt, den wirtschaftlichen Nutzen mindern. Deshalb sind zur Schätzung seiner Nutzungsdauer alle folgenden Faktoren zu berücksichtigen:
1) |
die erwartete Nutzung des Vermögenswerts, ermittelt unter Berücksichtigung von Kapazität oder mengenmäßigem Ausstoß; |
2) |
der erwartete physische Verschleiß des Vermögenswerts in Abhängigkeit von der Anzahl der Schichten, in denen er genutzt wird, und dem Reparatur- und Instandhaltungsprogramm sowie der Wartung und Instandhaltung, wenn der Vermögenswert ruht; |
3) |
die technische Veralterung aufgrund von Änderungen oder Verbesserungen in der Produktion oder von Änderungen der Marktnachfrage nach Gütern und Dienstleistungen, die von diesem Vermögenswert erzeugt werden; erwartete künftige Rückgänge des Verkaufspreises eines Gutes, das mit dem Vermögenswert produziert wurde, kann die Erwartung technischer oder geschäftlicher Veralterung indizieren, die wiederum die geminderte Nutzenstiftung des Vermögenswerts widerspiegeln kann; |
4) |
rechtliche oder ähnliche Nutzungsbeschränkungen des Vermögenswerts wie das Ablaufen zugehöriger Leasingverträge (IAS 16.56). |
Die Schätzung der Nutzungsdauer hängt von der Erfahrung der Unternehmensleitung mit vergleichbaren Vermögenswerten ab. Weil die Geschäftspolitik zB vorsehen kann, einen Vermögenswert nach bestimmter Zeit zu veräußern, kann die voraussichtliche Nutzungsdauer kürzer als die technische Nutzungsdauer sein (IAS 16.57).
Tz. 41a
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Die Abschreibung eines Vermögenswerts der Sachanlagen beginnt, sobald dieser an dem Ort und in dem Zustand ist, um für seine vom Management vorgesehene Verwendung betriebsbereit zu sein (zum Problem des Abschreibungsbeginns bei unterjähriger Anschaffung vgl. Tz. 60). IAS 16 (revised 1998) hatte offengelassen, wann mit der Abschreibung zu beginnen ist. Im Schrifttum wurde diesbezüglich angenommen, dass die Abschreibung mit dem Nutzungsbeginn einsetzt. Im Zuge des ersten Improvements Project 2003 wurde mit IAS 16.55 klargestellt, dass die tatsächliche Nutzung insoweit unerheblich ist (vgl. auch IAS 16.IN11 und IAS 16.BC30ff.).
Die Abschreibung endet zu dem früheren der beiden Zeitpunkte, zu dem der Vermögenswert gem. IFRS 5 als zur Veräußerung gehalten eingestuft oder ausgebucht wird. Daher endet die Abschreibung nicht bereits dann, wenn ein Vermögenswert vorübergehend nicht genutzt wird oder er stillgelegt ist, außer er ist bereits vollständig abgeschrieben. Allerdings kann im Falle der Anwendung einer nutzungsabhängigen Abschreibungsmethode der Abschreibungsbetrag gleich null sein, wenn zeitweise keine Produktion stattfindet (IAS 16.55).
Ein prominentes Beispiel für das Ende der planmäßigen Abschreibung einer Sachanlage durch deren Umgliederung in zur Veräußerung bestimmte Vermögenswerte ist die Konzernzentrale der Deutschen Bank, die im ersten Quartal 2011 in den Anwendungsbereich von IFRS 5 eingeordnet wurde (vgl. Geschäftsbericht der Deutsche Bank AG 2011, S. 291).
Tz. 42
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Grundstücke und Gebäude sind als getrennte Vermögenswerte zu behandeln, auch wenn sie zusammen erworben wurden. Grundstücke haben normalerweise eine unbegrenzte Nutzungsdauer und werden deshalb, anders als Gebäude, nicht planmäßig abgeschrieben. Eine Wertsteigerung eines Grundstücks, auf dem ein Gebäude steht, berührt nicht die Bestimmung der Nutzungsdauer des Gebäudes (IAS 16.58).
Falls in den Anschaffungskosten von Grundstücken Kosten für Abbruch-, Beseitigungs- und Rekultivierungsverpflichtungen enthalten sind (vgl. Tz. 16f. bzw. IAS 16.16), ist der Anteil für die Rekultivierung über den Zeitraum abzuschreiben, in dem die Vorteile aus den Aktivitäten dem Unternehmen zufließen, die die Rekultivierungskosten verursachen. Es gibt auch Fälle, in denen ein Grundstück nur eine begrenzte Nutzungsdauer hat. Dann hat sich die Abschreibung daran zu orientieren, wie die Vorteile aus der Grundstücksnutzung dem Unternehmen zufließen (IAS 16.59).
Auch die Nutzungsdauer eines Vermögenswerts der Sachanlagen ist zumindest am Ende eines jeden Geschäftsjahres zu überprüfen, und Änderungen in den Erwartungen sind erneut als Schätzungsänderung gem. IAS 8 zu behandeln (IAS 16.51).
Tz. 43–45
Stand: EL 44 – ET: 06/2021
(einstweilen frei)