Rz. 18
Das Besetzungsprofil von Vorständen und Aufsichtsräten wurde wesentlich durch das Gesetz zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern in Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (im Folgenden FüPoG I) verändert. So müssen börsennotierte Gesellschaften nach § 3 Abs. 2 AktG mit paritätischer Mitbestimmung gem. § 96 Abs. 2 S. 1 AktG eine Geschlechterquote von mind. 30 % im Aufsichtsrat berücksichtigen. Diese Einführung einer fixen Geschlechterquote im Aufsichtsrat wurde ergänzt durch zwingende Zielgrößen für den Frauenanteil (sog. flexible Geschlechterquote). Diese Verpflichtung gilt für Gesellschaften, die entweder börsennotiert sind oder der Mitbestimmung (Parität oder Drittelparität) unterliegen. Hierbei hat der Aufsichtsrat nach § 111 Abs. 5 S. 1 AktG Zielgrößen für den Frauenanteil im Aufsichtsrat und im Vorstand zu fixieren. Zudem muss der Vorstand gem. § 76 Abs. 4 S. 1 AktG Zielgrößen für den Frauenanteil in den beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstands festlegen. Eine feste Mindestzielgröße hatte das FüPoG I für den Frauenanteil jedoch nicht vorgesehen, so dass auch eine Zielgrößenfestlegung von 0 % zulässig ist. Spezifische Rechtsfolgen im Fall einer Nichteinhaltung der vorgesehenen Zielgröße waren nach dem FüPoG I ebenfalls nicht vorgesehen.
Rz. 19
Im Unterschied zum Aufsichtsrat war seit Inkrafttreten des FüPoG I der Anstieg der in der Unternehmenspraxis vorzufindenden Frauenquote auf Vorstandsebene zuerst moderat. Zudem hatten die betreffenden Unternehmen häufig Zielgrößen von 0 % angegeben. Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung ein Zweites Führungspositionen-Gesetz (FüPoG II) im Jahr 2021 verabschiedet. Im Mittelpunkt steht ein Mindestbeteiligungsgebot von einer Frau für Vorstände mit mehr als 3 Mitgliedern von börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen nach § 76 Abs. 3a AktG. Zudem müssen Unternehmen begründen, warum sie eine Zielgröße von 0 % für den Frauenanteil im Vorstand und Aufsichtsrat gesetzt haben (§ 76 Abs. 4 S. 2–4 AktG; § 111 Abs. 5 AktG). Sofern keine Zielgröße angegeben wird oder eine Begründung für eine Zielgröße von 0 % versäumt worden ist, können Bußgelder als Sanktionen verhängt werden.
Rz. 20
Auf EU-Ebene wurde über 10 Jahre lang kontrovers über die Einführung einer gesetzlichen Geschlechterquote im Verwaltungsrat bei börsennotierten Unternehmen diskutiert. Ein bereits im November 2012 vorgelegter Richtlinienentwurf "zur Gewährleistung einer ausgewogenen Vertretung von Frauen und Männern unter den nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften und über damit zusammenhängende Maßnahmen" wurde erst im Jahr 2022 beschlossen. Bis 2027 müssen börsennotierte Gesellschaften entweder einen Geschlechteranteil von 40 % für nichtgeschäftsführende Direktoren bzw. Aufsichtsratsmitglieder oder einen Anteil von 33 % für alle Mitglieder des Verwaltungsrats sicherstellen.
Die deutsche Bundesregierung plant infolge des FüPoG I und II die Inanspruchnahme des Aussetzungstatbestands gem. Art. 12 Abs. 1 b) der EU-Richtlinie. Hiernach ist eine Aussetzung der Richtlinie möglich, wenn in den Mitgliedstaaten eine Geschlechterquote von mind. 30 % für den Aufsichtsrat oder 25 % für den Vorstand und Aufsichtsrat insgesamt "in börsennotierten Gesellschaften" besteht. Zudem müssen bei allen börsennotierten Gesellschaften, die nicht unter die nationalen fixen Quoten fallen, flexible Quoten festgelegt werden. Dieser Tatbestand liegt nach dem FüPoG I und II eindeutig vor. Eine Umsetzung der Richtlinie oder Mitteilung an die EU-Kommission hinsichtlich einer künftigen Aussetzung muss bis zum 28.12.2024 erfolgen.