Leitsatz
Die Vereinbarung, dass die Kommanditisten einer grundbesitzenden KG bis auf einen gegen eine von der KG zu leistende Abfindung aus dieser ausscheiden und ihre Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH auf den verbleibenden Kommanditisten übertragen, erfüllt nicht den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG. Der Grunderwerbsteuer unterliegt gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG erst der Vollzug der Vereinbarung.
Normenkette
§ 1 Abs. 3 Nrn. 1, 2, § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG
Sachverhalt
Streitig ist, ob Grundstücke zum Zeitpunkt des Erlasses eines Feststellungsbescheides zum Vermögen der Gesellschaft gehörten und ob zu diesem Zeitpunkt der Besteuerungstatbestand der Anteilsvereinigung erfüllt war.
A, B und die Klin. waren Gesellschafter einer grundbesitzenden GmbH & Co. KG: Die GmbH war Komplementärin; Kommanditisten waren die Klin., A und B. Die Anteile der GmbH hielten ebenfalls die drei Gesellschafter. Der Gesellschaftsvertrag der KG enthielt eine Fortsetzungsklausel.
Mit notariellem Vertrag vom 23.11.2011 übertrugen A und B ihre Anteile an der GmbH mit Wirkung zum 31.12.2011 auf die Klin. A und B sollten mit Wirkung zum selben Zeitpunkt aus der KG ausscheiden. Als Gegenleistung sollten A und B Grundbesitz der KG in S (u.a.) übertragen werden. Grundbesitz in Sch sollte in der KG verbleiben.
Das FA stellte die Besteuerungsgrundlagen für die am 23.11.2011 "beurkundete und verwirklichte Übertragung" von mindestens 95 % der Anteile der KG nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG unter Einbeziehung des Grundbesitzes in S gesondert fest.
Nach erfolglosem Rechtsbehelfsverfahren gab das FG (FG Nürnberg, Urteil vom 27.3.2014, 4 K 1355/12, Haufe-Index 6993105, EFG 2014, 1499) der Klage mit der Begründung statt, durch den Vertrag vom 23.11.2011 habe die Klin. zwar die Tatbestandsmerkmale einer Anteilsvereinigung verwirklicht. Der Grundbesitz in S sei aber nicht zu berücksichtigen, sodass eine Feststellung nach § 17 Abs. 3 GrEStG nicht in Betracht komme. Hiergegen richtet sich die Revision des FA.
Entscheidung
Die Revision ist unbegründet; der erlassene Feststellungsbescheid ist letztlich rechtswidrig. Allerdings ist der BFH der Ansicht, dass durch den notariellen Vertrag schon kein Besteuerungstatbestand erfüllt ist.
1. Keine schuldrechtliche Anteilsvereinigung durch "Austrittsvereinbarung"
Das FA hat zu Unrecht eine gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG vorgenommen: Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG sind aufgrund des Vertrags vom 23.11.2011 nicht erfüllt.
Nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG unterliegt u.a. ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung von Anteilen an einer grundbesitzenden Gesellschaft begründet, der Grunderwerbssteuer, wenn durch die Übertragung mindestens 95 % der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers allein vereinigt werden würden.
Eine Vereinbarung über das Ausschneiden von Gesellschaftern gegen Abfindung begründet keinen Anspruch auf Übertragung eines Anteils an der Personengesellschaft. Vielmehr wächst der Anteil des ausscheidenden Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen den übrigen Gesellschaftern gemäß § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB kraft Gesetzes zu. Durch den Vertrag vom 23.11.2011 wurde kein Anspruch der Klin. auf Übertragung der Beteiligungen von A und B an der KG begründet. Vielmehr sollten A und B gegen eine von der KG zu leistende Abfindung aus dieser ausscheiden.
2. Dingliche Anteilsvereinigung durch "Anwachsung"
Der – spätere – Anwachsungserwerb der Klin. nach Ausscheiden von A und B kann zur Verwirklichung des Tatbestands der Anteilsvereinigung gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG führen. Nach dieser Vorschrift unterliegt die Vereinigung von mindestens 95 % der Anteile einer grundbesitzenden Gesellschaft der Grunderwerbsteuer, wenn kein schuldrechtliches Geschäft i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG vorausgegangen ist.
3. Keine Zurechnung von Grundbesitz
Die Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG für den Erlass eines Feststellungsbescheids auf den Zeitpunkt, zu dem A und B aus der KG ausscheiden, sind freilich auch nicht gegeben. Von dem Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG wird kein außerhalb des Bezirks des FA liegendes Grundstück betroffen. Der Grundbesitz in S ist bei der Bemessung der Grunderwerbsteuer für den Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG nicht zu berücksichtigen, da das Grundstück im Zeitpunkt des Ausscheidens nicht mehr zum Vermögen der KG gehörte.
Ob ein Grundstück i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG zum Vermögen einer Gesellschaft "gehört", richtet sich weder nach Zivilrecht noch nach § 39 AO. Maßgebend ist vielmehr die grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnung. Ein Grundstück "gehört" nicht mehr zum Vermögen der Gesellschaft, wenn es zwar noch in ihrem Eigentum steht bzw. ihr bewertungsrechtlich zuzurechnen ist, es aber vor Entstehung der Steuerschuld Gegenstand eines Veräußerungsvorgangs i.S.d. § 1 Abs. 1, 2, 3 oder 3a GrEStG war.
Bei dem durch den Vertrag vom 23.11.2011 begründe...