Prof. Dr. Franceska Werth
Leitsatz
Wird ein Grundlagenbescheid angefochten und Aussetzung der Vollziehung gewährt, ist für die Beurteilung der endgültigen Erfolglosigkeit im Sinne des § 237 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung ausschließlich auf das Ergebnis des gegen diesen Bescheid gerichteten Rechtsbehelfsverfahrens abzustellen.
Normenkette
§ 237 Abs. 1 Satz 2, § 361 Abs. 3 Satz 1 AO
Sachverhalt
Anlässlich einer Schenkung der Eltern von jeweils 10 % der Anteile an einer GbR, deren Vermögen im Wesentlichen aus einem Erbbaurecht an einem Grundstück bestand, erließ das FA gesonderte und einheitliche Feststellungsbescheide. Anschließend setzte das FA Schenkungsteuer i.H.v. jeweils 59.925 EUR fest und legte dabei den auf den 22.11.2011 festgestellten Wert des Erbbaurechts zugrunde.
Gegen die Feststellungsbescheide legte die Klägerin Einsprüche ein und beantragte AdV. Gegen die SchenkSt-Bescheide legte sie keine Einsprüche ein. Das Lagefinanzamt setzte die Vollziehung der Feststellungsbescheide antragsgemäß aus. Das FA setzte wegen der Aussetzung der Feststellungsbescheide die Vollziehung der SchenkSt-Bescheide i.H.v. jeweils 59.925 EUR vollumfänglich aus.
Die Einsprüche gegen die Feststellungsbescheide blieben erfolglos. Die Klägerin erhob daraufhin gegen diese Bescheide Klage. Während des Klageverfahrens zahlte sie die noch ausstehende Schenkungsteuer und nahm die Klagen nach einem richterlichen Hinweis am 7.11.2018 zurück.
Die Feststellungs- und SchenkSt-Bescheide wurden im weiteren Lauf des Verfahrens mehrfach geändert. Erstmalig mit SchenkSt-Bescheiden vom 13.12.2018 legte das FA den – unstreitig – richtigen Zeitpunkt der Entstehung der Steuer am 1.1.2012 der Besteuerung zugrunde und setzte SchenkungSt jeweils i.H.v. 82.635 EUR fest. Das Lagefinanzamt erließ erstmalig am 23.4.2019 Feststellungsbescheide auf den 1.1.2012 und stellte einen geänderten Grundbesitzwert fest. Daraufhin ergingen am 14.8.2019 nochmals geänderte SchenkSt-Bescheide, die jeweils eine um 825 EUR niedrigere SchenkungSt festsetzten. Diese zuletzt ergangenen SchenkungSt- und Feststellungsbescheide wurden bestandskräftig.
Mit Bescheiden vom 9.10.2019 setzte das FA Aussetzungszinsen i.H.v. jeweils 6.888 EUR fest. Dagegen legte die Klägerin jeweils Einspruch ein. Sie machte geltend, die Rechtsbehelfe gegen die Feststellungsbescheide hätten nicht i.S.v. § 237 Abs. 1 AO endgültig keinen Erfolg gehabt, da das FA neue SchenkSt-Bescheide für eine Zuwendung auf den richtigen Besteuerungszeitpunkt am 1.1.2012 erlassen habe.
Die hiergegen erhobene Klage blieb ohne Erfolg (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.3.2021, 14 K 14059/20, Haufe-Index 16572581, EFG 2022, 77).
Entscheidung
Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen.
Hinweis
1. Nach § 237 Abs. 1 Satz 1 AO ist ein Betrag, dessen Vollziehung ausgesetzt wurde, zu verzinsen, soweit ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage gegen den ausgesetzten Steuerbescheid endgültig keinen Erfolg hat. Nach Satz 2 gilt dies entsprechend, wenn dies einen Grundlagenbescheid nach § 171 Abs. 10 AO betrifft und aufgrund dessen die Vollziehung des Folgebescheids nach § 361 Abs. 3 Satz 1 AO ausgesetzt wurde.
2. Dies folgt aus dem Zweck des § 237 AO, den Nutzungsvorteil wenigstens zum Teil abzuschöpfen, den der Steuerpflichtige dadurch erhält, dass er während der Dauer der Aussetzung über eine Geldsumme verfügen kann, die "an sich" dem Steuergläubiger zusteht. Ohne die Aussetzung des Folgebescheids nach § 361 Abs. 3 Satz 1 AO müsste der Steuerpflichtige die Steuer sofort zahlen. Dem Steuerpflichtigen wird damit ein Nutzungsvorteil gewährt, der bei Erfolglosigkeit des Rechtsbehelfs im Wege der Festsetzung von Aussetzungszinsen nach § 237 Abs. 1 AO wieder abzuschöpfen ist.
3. Im vorliegenden Fall waren mit der Rücknahme der Klagen die Rechtsbehelfe gegen die Feststellungsbescheide endgültig erfolglos. Die Rücknahme der Klage, ohne dass das FA dem Rechtsbehelfsbegehren in der Sache zuvor entsprochen hat, bedeutet deren endgültige Erfolglosigkeit.
4. Unerheblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Festsetzung der Aussetzungszinsen ist es, dass nach den Klagerücknahmen weitere Feststellungsbescheide auf den zutreffenden Stichtag und SchenkSt-Bescheide unter Zugrundelegung des zutreffenden Besteuerungszeitpunkts ergangen sind und damit dem Begehren der Klägerin insoweit nachträglich und noch vor der Festsetzung der Aussetzungszinsen entsprochen wurden. Dies hat keine Auswirkungen auf die zuvor getroffene Aussetzungsentscheidung nach § 361 Abs. 3 Satz 1 AO.
5. Auf die Frage, ob § 237 Abs. 5 AO entsprechend anzuwenden ist, wenn der Steuerbescheid vor Erlass des Zinsbescheids aufgehoben, geändert oder berichtigt wird, kam es vorliegend nicht an. Zum einen erfolgte durch den SchenkSt-Bescheid vom 13.12.2018, bei dem erstmals der zutreffende Besteuerungszeitpunkt zugrunde gelegt wurde, keine Aufhebung und Neubescheidung aufgrund der Besteuerung eines anderen Lebenssachverhalts, denn der Besteuerungszeitpunkt ist bei der Erbschaft- und SchenkSt nicht Tei...