Leitsatz

1. Bezüge, welche ein in Frankreich ansässiger Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber für eine in Deutschland ausgeübte nicht selbstständige Arbeit während der Freistellungsphase nach dem sog. Blockmodell im Rahmen der Altersteilzeit erhält, sind keine Ruhegehälter, sondern nachträglicher Arbeitslohn, der als solcher in Deutschland zu versteuern ist.

2. Freiwillige Zuschüsse zu einer Krankenversicherung, die ein inländischer Arbeitgeber an einen Arbeitnehmer für dessen Versicherung in der französischen gesetzlichen Krankversicherung ("CPAM") leistet, sind nicht nach § 3 Nr. 62 EStG steuerfrei (Anschluss an BFH-Urteile vom 18.05.2004, VI R 11/01, BFH/NV 2004, 1177, BFH/PR 2004, 388; vom 28.05.2009, VI R 27/06, BFH/NV 2009, 1689, BFH/PR 2009, 453).

 

Normenkette

Art. 13 Abs. 1 und 8 DBA-Frankreich, § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AltTZG 1996, § 1 Abs. 3, § 3 Nr. 62, § 19 EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger lebt seit 2002 in Frankreich. Er war als Angestellter einer inländischen AG in Deutschland tätig, mit welcher er eine Beschäftigung nach dem sog. Blockmodell gem. § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AltTZG 1996 vereinbart hatte. Die Arbeitsphase dauerte vom 01.11.2001 bis zum 31.10.2004, die Freistellungsphase vom 01.11.2004 bis zum 31.10.2007. Somit befand sich der Kläger im Streitjahr 2005 in der Freistellungsphase.

Das FA unterwarf den Kläger auf dessen Antrag hin der sog. fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG 2002 und erfasste hierbei sowohl die vom Arbeitgeber im Streitjahr geleisteten Vergütungen als auch die von diesem erbrachten Zuschüsse zur Krankenversicherung des Klägers in der französischen Caisse primaire d'assurance maladie (CPAM) als steuerpflichtigen Arbeitslohn. Der Kläger sah die Vergütung hingegen als Ruhegehalt an und begehrte hierfür die Steuerfreistellung nach Art. 13 Abs. 8 DBA-Frankreich. Die Arbeitgeberzuschüsse zur französischen Krankenversicherung seien nach § 3 Nr. 62 EStG steuerfrei.

Die Klage gegen den ESt-Bescheid 2005 war erfolglos. Das FG München wies sie mit Urteil vom 21.05.2010, 8 K 3773/07 (Haufe-Index 2422640, EFG 2010, 2096) als unbegründet ab.

 

Entscheidung

Auch die Revision des Klägers blieb erfolglos. Im Einzelnen ist dafür auf die oben gegebenen Praxis-Hinweise zu verweisen.

"Problem" des Falls war wohl eine gewisse "Verbitterung" des Klägers vor dem Hintergrund, dass er durch widersprüchliche Auskünfte der Finanzverwaltung das zuständige französische FA erst darauf "gebracht" hatte, die während der Freistellungsphase gezahlten Ruhegelder steuerlich zu erfassen.

 

Hinweis

1. Das Urteil klärt die Frage danach, welchem Staat das Besteuerungsrecht für "Ruhegelder" zusteht, welche ein (ehemaliger) Arbeitnehmer für seine frühere Tätigkeit im Inland erhält, nachdem er ins Ausland verzogen ist.

Diese Frage beantwortet sich "eigentlich" recht zwanglos aus Art. 18 OECD-MA: Das Besteuerungsrecht für Ruhegelder steht gemeinhin dem Vertragsstaat des nunmehrigen Wohnsitzes des Ar­beitnehmers als des Ansässigkeitsstaats zu. Das Besteuerungsrecht des bisherigen Tätigkeits- und Ansässigkeitsstaats ist beendet.

Diese Besteuerungsaufteilung gilt freilich nur für "echte" Ruhegelder, nicht aber für Vergütungen, die sich – in welchem "Gewand" auch immer – noch als nachträglichen Arbeitslohn darstellen. Für das Besteuerungsrecht für Arbeitslohn gilt das Tätigkeitsortsprinzip, und das Recht steht deswegen gemeinhin dem Tätigkeitsstaat zu, Art. 15 Abs. 1 OECD-MA. Diesem Staat ist "veranlassungsgerecht" der nachträgliche Lohn zuzurechnen.

Und Letzteres kann dann auch Vergütungen betreffen, die der Arbeitnehmer nach seinem Wegzug und nach dem Ende der aktiven Arbeitszeit erhält, weil er von den Möglichkeiten der Altersteilzeit Gebrauch macht. Gelder, die ihm sodann zeitversetzt in der Freistellungsphase – also der Phase der Nichtarbeit – nach dem sog. Blockmodell zufließen, mögen sich hier im praktischen Ergebnis tatsächlich nicht mehr von dem nachfolgenden "richtigen" Ruhegeld unterscheiden. Rechtlich tun sie es aber sehr wohl: Es handelt sich bei diesen Vergütungen nach wie vor um Arbeitslohn, und deswegen gebührt das Besteuerungsrecht hierfür auch dem bisherigen (Wohn- und) Tätigkeitsstaat.

Etwaige Doppelbesteuerungen lassen sich nur im Wege einer zwischenstaatlichen Verständigung vermeiden, nicht aber im Wege der Abkommensauslegung.

2. Der BFH lässt unbeantwortet, ob dieses Ergebnis verallgemeinerungsfähig ist.

Zweifel daran ließen sich evtl. darauf stützen, dass die Vergütung in der Freistellungsphase eigentlich nicht mehr kausal "für" eine erbrachte Arbeit gezahlt wird, sondern "für" das "Nichtstun". Art. 15 Abs. 1 OECD-MA verlangt indes eine derartige Kausalität, und diese Kausalität wird vom BFH traditionell auch höchst eng aufgefasst (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 02.09.2009, I R 111/08, BFH/NV 2009, 2044, BFH/PR 2010, 36; Urteil vom 21.10.2009, I R 70/08, BFH/NV 2010, 350, BFH/PR 2010, 91). Für Vergütungen in der Altersteilzeit-Freistellungsphase erscheint ein derartiges enges Verstä...

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