Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung eines Rechtsbehelfs
Leitsatz (NV)
Bei auslegungsfähigen Rechtsbehelfen (hier: Einspruch einer Grundstücksgemeinschaft oder ihres Empfangsbevollmächtigten) ist (auch bei Erklärungen rechtskundiger Personen) grundsätzlich davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige denjenigen Rechtsbehelf einlegen wollte, der seinem materiell-rechtlichen Begehren am ehesten zum Erfolg verhilft.
Normenkette
AO 1977 § 352; BGB § 133; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die vom Beklagten und Beschwerdeführer (Finanzamt ―FA―) als Zulassungsgrund geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―) ist nicht gegeben.
Eine Sache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und auch klärungsfähig ist. Klärungsfähig ist die Rechtsfrage, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von ihr abhängt (ständige Rechtsprechung, z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 29. Juli 2002 XI B 219/01, BFH/NV 2002, 1490, m.w.N.). Hieran fehlt es im Streitfall.
Die vom FA als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Rechtsfrage, ob bei einer Grundstücksgemeinschaft der nach § 352 Abs. 1 Nr. 1 2. Alternative der Abgabenordnung 1977 zur Einspruchseinlegung befugte Empfangsbevollmächtigte den Einspruch im eigenen Namen ―nicht im Auftrag der Grundstücksgemeinschaft― einlegen müsse, kann im Streitfall offen bleiben. Aus den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) ergibt sich, dass die die Streitjahre betreffenden Einspruchsschreiben vom Empfangsbevollmächtigten in der "Ich-Form" abgefasst sind und als Auftraggeberin die Grundstücksgemeinschaft nennen. Dies lässt sowohl die Auslegung zu, Einspruchsführerin sei die Grundstücksgemeinschaft (so das FG), als auch (der Auffassung des FA entsprechend) die, der Empfangsbevollmächtigte habe im eigenen Namen (für die an der Grundstücksgemeinschaft Beteiligten) Einspruch eingelegt (vgl. zu einer solchen Auslegung, z.B. BFH-Urteil vom 3. Mai 1989 IX R 168/84, BFH/NV 1990, 378, Klage einer Grundstücksgemeinschaft als Klage der Mitglieder). Denn bei ―wie hier― auslegungsfähigen Rechtsbehelfen gilt der (auch auf Erklärungen rechtskundiger Personen) anwendbare Grundsatz, dass davon auszugehen ist, der Steuerpflichtige habe denjenigen Rechtsbehelf einlegen wollen, der seinem materiell-rechtlichen Begehren am ehesten zum Erfolg verhilft (BFH-Urteil vom 31. Oktober 2000 VIII R 47/98, BFH/NV 2001, 589; vgl. dazu auch Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 48 FGO Tz. 8, mit Rechtsprechungsnachweisen: eine Klage ist möglichst so auszulegen oder umzudeuten, dass ihr Erfolg nicht an Formalien scheitert).
Mit ―der Revision vorbehaltenen― Angriffen auf die vom FG vertretene Rechtsauffassung kann das FA im vorliegenden Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nicht gehört werden (Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 116 Rz. 27).
Fundstellen
Haufe-Index 995679 |
BFH/NV 2003, 1534 |
DStRE 2003, 1417 |