Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf rechtliches Gehör; Kausalität eines Verfahrensfehlers
Leitsatz (NV)
1. Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht grundsätzlich nicht dazu, die für seine Entscheidung maßgeblichen Erwägungen im Voraus anzudeuten.
2. Das Finanzgericht ist nicht dazu verpflichtet, sich im Urteil mit den Erwägungen zu befassen, denen nach seiner Einschätzung keine entscheidungserhebliche Bedeutung zukommt.
3. Die Revision ist bei Vorliegen eines Verfahrensfehlers nur dann zuzulassen, wenn das vorinstanzliche Urteil auf diesem Fehler beruhen kann. Hieran fehlt es, wenn auszuschließen ist, dass die Entscheidung bei zutreffender Handhabung der verfahrensrechtlichen Bestimmungen anders ausgefallen wäre.
Normenkette
FGO §§ 96, 115-116
Verfahrensgang
FG des Landes Brandenburg (Urteil vom 10.05.2006; Aktenzeichen 2 K 2742/02) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin zu 1. (Klägerin zu 1.) --die B-GbR-- ist als Besitzgesellschaft mit der B-GmbH (Betriebsgesellschaft) im Rahmen einer Betriebsaufspaltung verbunden. Die Kläger und Beschwerdeführer zu 2. (Kläger zu 2.) --Eheleute B-- sind an beiden Gesellschaften beteiligt.
Streitig ist der Ansatz verdeckter Gewinnausschüttungen (vGA) im Jahre 1996 (Streitjahr) aufgrund eines Forderungsverzichts der B-GmbH gegenüber der Klägerin zu 1., die das zunächst zuständige Finanzamt (FA) sowohl bei der Gewinnfeststellung 1996 als auch bei der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags sowie der Feststellung des vortragsfähigen Fehlbetrags nach § 10a des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) berücksichtigt hat. Ausgangspunkt dieses Streits ist eine für die Jahre 1991 bis 1994 durchgeführte Betriebsprüfung, bei der --so die Sachverhaltsdarstellung des FA-- zur Vermeidung einer vGA im Zusammenhang mit dem Verkauf des Grundstücks C-Straße von der B-GmbH an die Klägerin zu 1. eine Kaufpreisverbindlichkeit in Höhe von … DM zuzüglich einer Verzinsung von 8,5 % p.a. passiviert und mit dem nämlichen Betrag bei der B-GmbH aktiviert wurde. Die Klägerin zu 1. passte ihre Handelsbilanzen an und wies (einschließlich Zinsen) zum 31. Dezember 1995 die Verbindlichkeit in Höhe von … DM aus. Die Schuld wurde --nach Zuschreibung der Zinsen 1996-- zum 31. Dezember 1996 in Höhe von … DM ausgebucht.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen; es hat die Klagebefugnis der Kläger zu 2. verneint und die Klage im Übrigen als unbegründet angesehen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg; sie ist als unbegründet zurückzuweisen.
1. Die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs ist nicht in schlüssiger Form erhoben (§§ 116 Abs. 3 Satz 3, § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO-- i.V.m. § 96 Abs. 2 FGO und Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--).
a) Dies gilt zum einen für den Vortrag, das FG habe seine rechtliche Würdigung --Anerkenntnis einer Forderung der B-GmbH gegenüber der B-GbR-- auf die handelsbilanzielle Behandlung im Anschluss an die Betriebsprüfung und damit auf Gesichtspunkte gestützt, die bisher von keinem Beteiligten aufgegriffen worden und für die Kläger überraschend gewesen seien. Abgesehen davon, dass die Vorinstanz lediglich ergänzend auf die handelsrechtliche Handhabung abgestellt hat, lässt die Rüge außer Acht, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör --auch unter Berücksichtigung des Verbots von Überraschungsentscheidungen-- das Gericht grundsätzlich nicht dazu verpflichtet, die für seine Entscheidung maßgeblichen Erwägungen im Voraus anzudeuten (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 119 Rz 10a, und Gräber/Koch, a.a.O., § 93 Rz 3, jeweils m.w.N.).
b) Nicht schlüssig ist zum anderen die Behauptung, das FG habe das Vorbringen der Kläger dazu übergangen, dass selbst bei Annahme eines Unterpreisverkaufs des Grundstücks eine vGA im Jahre 1991 mit einer im EK 04 zu erfassenden verdeckten Einlage zu verrechnen gewesen und deshalb der Ansatz steuerbarer Einkünfte (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) nicht in Betracht gekommen wäre. Die Kläger lassen insofern unberücksichtigt, dass grundsätzlich davon auszugehen ist, dass das Gericht das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen hat; es ist aber nicht dazu verpflichtet, sich im Urteil mit den Erwägungen zu befassen, denen nach seiner Einschätzung keine entscheidungserhebliche Bedeutung zukommt (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O, § 119 Rz 10a, m.w.N.). Hiervon ist auch im Streitfall auszugehen, da das FG bei seiner Würdigung erkennbar auf die Rechtsfolgen abgestellt hat, die die Beteiligten (einschließlich deren Berater) nach der Betriebsprüfung (betreffend die Jahre 1991 bis 1994) mit dem Verkauf des Grundstücks durch die B-GmbH verbunden haben, und es --auf dieser Tatsachengrundlage-- unerheblich ist, ob der Grundstücksverkauf zu einem späteren Zeitpunkt --etwa im Zusammenhang mit einem Wechsel des steuerlichen Beraters-- in tatsächlicher oder in rechtlicher Hinsicht einer geänderten Beurteilung unterzogen wird. Entsprechendes gilt für den Vortrag, die Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung und damit zugleich die Voraussetzung dafür, die vGA im Jahre 1991 als Betriebseinnahme zu erfassen, seien erst --nach dem Grundstückserwerb der Klägerin zu 1.-- durch die Rückvermietung des Grundstücks an die B-GmbH eingetreten, sowie darüber hinaus für das Vorbringen, nach dem der vereinbarte Grundstückskaufpreis angemessen gewesen sei.
2. Nicht durchzugreifen vermögen ferner die weiteren Rügen, nach denen das FG u.a. gegen seine Pflicht zur Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) verstoßen haben soll sowie das Urteil der Vorinstanz von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) abweiche und auf einem offenkundigen und schwerwiegenden Rechtsfehler beruhe, der nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordere. Der Senat sieht insoweit von einer Begründung dieses Beschlusses ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).
3. Abweichendes ergibt sich schließlich nicht aus dem Vortrag, dass die Kläger zu 2. --entgegen der Auffassung des FG-- im Hinblick auf die Gewinnfeststellung 1996 klagebefugt gewesen seien und die Vorinstanz ihre Klage deshalb zu Unrecht durch Prozessurteil abgewiesen habe.
Zwar ist dem Vorbringen im Ausgangspunkt darin zuzustimmen, dass die Anteile der Kläger zu 2. an der B-GmbH in deren Sonderbetriebsvermögen bei der B-GbR gehalten wurden und deshalb auch die vGA diesen Vermögensbereich betrafen mit der Folge, dass die Kläger zu 2. gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO --neben der B-GbR-- persönlich klagebefugt waren. Hieraus ergibt sich des Weiteren, dass dem FG --mit dem Erlass des Prozessurteils-- ein Verfahrensfehler unterlaufen ist, der nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO dann die Zulassung der Revision eröffnet, wenn das vorinstanzliche Urteil auf diesem Fehler beruhen kann. An Letzterem fehlt es jedoch, wenn --was vorliegend angesichts dessen nicht fraglich sein kann, dass die Vorinstanz die Klage der B-GbR (Klägerin zu 1.) aus sachlichen Gründen abgewiesen hat-- auszuschließen ist, dass die Entscheidung bei zutreffender Handhabung der verfahrensrechtlichen Bestimmungen anders ausgefallen wäre (vgl. Senatsbeschlüsse vom 15. Januar 1992 IV B 168/90, BFH/NV 1992, 613; vom 9. März 2005 IV B 74/03, BFH/NV 2005, 1289, unter 4.b der Gründe; s. dazu allgemein Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 96).
Fundstellen