Leitsatz (amtlich)
Die Frage, ob die Versagung von Wohnungsbau-Prämien an integrierte deutsche Bedienstete der Nordatlantikvertrags-Organisation (NATO) gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG verstößt, rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Übereinkommen über den Status der Nordatlantikvertrags-Organisation, der nationalen Vertreter und des internationalen Personals vom 20. September 1951, Art. 19;
Normenkette
GG Art. 3; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; WoPG § 1 Nr. 1
Tatbestand
Der Kläger war während des Jahres 1965 als integrierter Bediensteter der NATO tätig und hatte in dieser Zeit im Inland weder seinen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt. Er beantragte für das Jahr 1965 die Gewährung einer Wohnungsbau-Prämie. Das FA lehnte den Antrag ab. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das FG sah die persönlichen Voraussetzungen für die Gewährung der Wohnungsbau-Prämie nach § 1 Nr. 1 WoPG im Jahr 1965 nicht als gegeben an. Eine gesetzliche Grundlage, durch die NATO-Bedienstete den unbeschränkt Steuerpflichtigen gleichgestellt würden, sei nicht ersichtlich. Das Fehlen einer Wohnsitzfiktion für NATO-Beamte stelle keine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes dar, eine ausdehnende Anwendung der Bestimmungen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) erscheine nicht zwingend geboten.
Gegen die Nichtzulassung der Revision legte der Kläger Beschwerde ein. Er beantragt, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache die Revision zuzulassen. Das FG habe zu Unrecht die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes verneint und ungeschriebenes subjektiv öffentliches Recht als Anspruchsgrundlage abgelehnt. Die Organisationen der WEU und der NATO stünden trotz der unterschiedlichen Zahl der Mitgliedstaaten in einem unauflöslichen gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis und seien ohne die jeweils andere Organisation nicht denkbar. Der Sinn des Gleichheitsgrundsatzes sei es, dafür zu sorgen, daß alle deutschen Angehörigen internationaler Organisationen im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland (BRD) hinsichtlich ihrer Steuerpflicht denselben Status hätten. Zu Unrecht habe das FG das Recht auf Gewährung der Wohnungsbau-Prämie nach dem Sinngehalt des WoPG verneint. Die deutschen Bediensteten der NATO seien nur befristet - regelmäßig für fünf Jahre - tätig, während die Bediensteten der EWG allenfalls nach ihrer Pensionierung mit 65 Jahren ins Bundesgebiet zurückkehrten.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Nichtzulassungsbeschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, hat keinen Erfolg. Die Rechtssache hat entgegen der Auffassung des Klägers keine grundsätzliche Bedeutung.
Eine Sache ist nicht schon deshalb von grundsätzlicher Bedeutung, weil über einen Sachverhalt der streitigen Art bisher noch nicht höchstrichterlich entschieden worden ist (Beschluß des BFH VI B 2/66 vom 15. Juli 1966, BFH 86, 708, BStBl III 1966, 628). Ihr ist jedoch eine grundsätzliche Bedeutung zuzuerkennen, wenn die Entscheidung der Sache im Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Rechtsprechung und Fortentwicklung des Rechts liegt und nicht nur den Beteiligten des Streitfalls wichtig erscheint (BFH-Beschluß VII B 156/67 vom 22. Mai 1968, BFH 92, 543, BStBl II 1968, 656).
Der Beschwerdeführer erstrebt mit der Klage für den im Jahre 1965 aufgewendeten Bausparbeitrag nach § 4 Abs. 1 WoPG eine Wohnungsbau-Prämie. Nach § 1 Nr. 1 WoPG können natürliche Personen, die eine derartige Aufwendung gemacht haben, eine Prämie erhalten, wenn sie unbeschränkt einkommensteuerpflichtig im Sinne des EStG sind. Der Beschwerdeführer ist jedoch nach eigenem Vortrag und den Feststellungen des FG im Jahre 1965 als integrierter Bediensteter der NATO nicht unbeschränkt steuerpflichtig gewesen, da er seinen Wohnsitz in Paris hatte. Aus der Tatsache, daß das WoPG die Gewährung von Prämien auf unbeschränkt Steuerpflichtige im Sinne des EStG beschränkt, läßt sich die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache wegen eines etwaigen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz nicht herleiten. Das BVerfG hat mehrfach ausgesprochen und diese Ansicht in einer Entscheidung über Vorschriften des WoPG bestätigt, daß der Gesetzgeber im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit, insbesondere wenn er aus freier Entschließung durch finanzielle Zuwendungen ein bestimmtes Verhalten der Bürger fördert, größere Gestaltungsfreiheit besitzt als innerhalb der Eingriffsverwaltung (BVerfG-Entscheidung 1 BvL 12/62 vom 12. Februar 1964, BStBl I 1964, 46). Von dieser Gestaltungsfreiheit hat der Gesetzgeber beim WoPG in der Frage der subjektiven Prämienberechtigung keinen unzulässigen Gebrauch gemacht. Durch die Verknüpfung der Prämienberechtigung mit der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht ist der Kreis der Begünstigten sachgerecht abgegrenzt. Eine Benachteiligung einer Gruppe von Bundesbürgern, die mit dem GG nicht vereinbar wäre und die durch eine Entscheidung des BFH aufgedeckt werden könnte, ist in der Regelung des WoPG hinsichtlich der Prämienberechtigung nicht zu erkennen.
Während der Bundesgesetzgeber bei den innerstaatlichen Regelungen ein gewisses Maß an Gestaltungsfreiheit für sich in Anspruch nehmen darf, ist diese Freiheit bei den zwischenstaatlichen Vereinbarungen erheblich eingeengt, weil die BRD in der Regel nur einer von mehreren Vertragspartnern ist oder weil sie zu bereits bestehenden Abkommen erst nachträglich beigetreten ist. So verhält es sich auch mit dem Übereinkommen über den Status der Nordatlantikvertrags-Organisation, der nationalen Vertreter und des internationalen Personals vom 20. September 1951, das für die BRD am 25. Juli 1958 in Kraft getreten ist (BGBl II 1958, 350). Die Bestimmungen dieses Übereinkommens sind nach § 1 der Verordnung vom 30. Mai 1958 (BGBl II 1958, 117) auf der Grundlage der Bestimmungen des Abkommens über die Vorrechte und Befreiungen der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen vom 21. November 1947 für den Status des internationalen Personals der Nordatlantikvertrags-Organisation maßgebend. Der Bundesgesetzgeber fand die Regelungen des Art. 13 Abs. 2 und des Art. 19 des Übereinkommens vor und war, wenn er dem Übereinkommen beitreten wollte, genötigt, sie zu übernehmen. Auch wenn in anderen internationalen Vereinbarungen - wie z. B. in dem Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 17. April 1957 (BGBl II 1957, 1182) und dem Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Atomgemeinschaft vom 17. April 1957 (BGBl II 1957, 1212) jeweils durch Art. 13 des Protokolls - die Beibehaltung des nationalen Wohnsitzes des internationalen Personals für die Erhebung von Steuern fingiert wird, sind die Steuergerichte wegen ihrer Bindung durch Art. 20 Abs. 3 GG nicht befugt, bei den Angehörigen des internationalen Personals der Nordatlantikvertrags-Organisation ebenfalls die Beibehaltung des nationalen Wohnsitzes zu unterstellen.
Ebensowenig können die Steuergerichte bei der Entscheidung über einen innerstaatlichen steuerlichen Sachverhalt feststellen, ob der Gesetzgeber es verfassungswidrig unterlassen hat, eine gleichmäßige steuerliche Behandlung aller in den internationalen Organisationen tätigen Bundesbürger sicherzustellen. Der Gesetzgeber ist nicht gehalten, über die in den internationalen Abkommen enthaltenen steuerlichen Vergünstigungen hinaus weitere innerstaatliche Maßnahmen zu treffen, solange die Unterlassung nicht zu willkürlichen Privilegierungen oder Diskriminierungen führt (BVerfG-Urteil 1 BvR 561, 579/60, 114/61 vom 17. Mai 1961, BVerfGE 12, 354, 367). Es muß der Entschließungsfreiheit des Gesetzgebers überlassen bleiben, ob er aus der Gesamtheit der internationalen Vereinbarungen, die für die deutschen Bediensteten erheblich sind, unter Beachtung des Art. 3 GG gesetzgeberische Folgen zieht. Wegen der unterschiedlichen steuerlichen Behandlung der NATO-Bediensteten gegenüber den Bediensteten in anderen internationalen Organisationen hat der Gesetzgeber innerstaatliche Maßnahmen zugunsten der NATO-Bediensteten nicht für erforderlich gehalten. Der BFH ist unter diesen Umständen auf Grund einer steuerlichen Einzelfrage, die für sich verfassungskonform geregelt ist, nicht in der Lage, in einem die Allgemeinheit interessierenden Rechtsspruch zu der Rüge der Verletzung des Gleichheitssatzes Stellung zu nehmen. Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt nach der Rechtsprechung des Senats voraus, daß eine konkrete Möglichkeit besteht, die vom Beschwerdeführer als grundsätzlich bezeichnete Frage im Revisionsverfahren zu klären (BFH-Beschluß VI B 16/67 vom 23. Juni 1967, BFH 89, 117, BStBl III 1967, 531).
Fundstellen
Haufe-Index 68285 |
BStBl II 1969, 532 |
BFHE 1969, 41 |