Entscheidungsstichwort (Thema)
Finanzrechtsweg bei Ablehnung der Schlußbesprechung im Rahmen einer Steuerfahndungsprüfung; Erledigungserklärung bei von vornherein unzulässigem Antrag; Verweisung an das zuständige Gericht im summarischen Verfahren
Leitsatz (NV)
1. Für den Streit darüber, ob im Rahmen einer Steuerfahndungsprüfung eine Schlußbesprechung abgehalten werden muß, ist der Finanzrechtsweg nicht eröffnet.
2. Bei einem von vornherein unzulässigen Antrag ist die einseitige Erledigungserklärung des Antragstellers ohne Wirkung.
3. Im summarischen Verfahren ist es nicht geboten, den durch einen berufsmäßigen Prozeßbevollmächtigten vertretenen Antragsteller zum Antrag auf Verweisung an das zuständige Gericht aufzufordern.
Normenkette
FGO §§ 33, 34 Abs. 3, § 114; AO 1977 § 208 Abs. 1, § 201
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Antragsgegner und Beschwerdegegner, das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen (Finanzamt - FA -), hat wegen des Verdachts der Einkommensteuer- und Umsatzsteuerhinterziehung ab 1. Januar 1978 bei den Antragstellern und Beschwerdeführern (Antragstellern) eine Fahndungsprüfung nach § 208 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 der Abgabenordnung (AO 1977) durchgeführt. Mit Schreiben vom 23. Januar 1989 hat das FA dem Antragsteller A mitgeteilt, ,,daß das steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren an die zuständige Staatsanwaltschaft abgegeben und der Ermittlungsbericht unverzüglich gefertigt wird"; seit Anfang des Jahres 1987 habe es vergeblich versucht, eine abschließende Besprechung über die bisherigen Prüfungsfeststellungen abzuhalten. Eine solche sei aus Gründen, die die Antragsteller zu vertreten hätten, nicht zustande gekommen.
Daraufhin beantragten die Antragsteller am 26. Januar 1989 beim Finanzgericht (FG) eine einstweilige Anordnung, mit der dem FA aufgegeben werden solle, eine Abschlußbesprechung abzuhalten, die sich auf die Fahndungsprüfung beziehe. Zu deren Vorbereitung müßten u. a. beschlagnahmte Unterlagen zur Verfügung gestellt werden.
Das FG lehnte den Antrag ab. Die Schlußbesprechung sei im Rahmen einer Außenprüfung nach § 201 AO 1977 vorgesehen. Für die hier nach § 208 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 AO 1977 durchgeführte Fahndungsprüfung gelte diese Vorschrift nicht.
Gegen den Beschluß des FG richtet sich die Beschwerde der Antragsteller. Sie machen geltend, beim Erlaß von Steuerbescheiden ,,im jetzigen Stadium" würden sie mit einer ,,Fülle von Problemen" belastet (Einspruch, Klage usw.). Das FA stehe nach ihrer Auffassung ,,nach wie vor in der Schlußbesprechung". Der Fortgang in strafrechtlicher Konsequenz sei schließlich derart existenzbedrohend für die Antragsteller, daß alleine dieser Komplex eine ,,würdige Aufklärung" des FA benötige. Das Recht der Abschlußbesprechung sei somit eindeutig belegt.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Mit Schriftsatz vom 18. Mai 1989 haben die Antragsteller dem Bundesfinanzhof (BFH) mitgeteilt, es seien nunmehr Steuerbescheide ergangen. Da das FA somit die Entscheidung ,,unterlaufen" habe, sei das Verfahren gegenstandslos geworden. In einem weiteren Schriftsatz vom 29. Juni 1989 haben die Antragsteller im Hinblick auf die inzwischen ergangenen Steuerbescheide einen richterlichen Hinweis erbeten u. a. dahin, ,,ob dieses Verfahren nun für erledigt zu erklären" und ,,nur noch über die Kosten zu entscheiden" sei oder ob ,,festgestellt werden" könne, ,,daß die Beschwerdegegnerin unrechtmäßig gehandelt" habe.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, ist mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß der Antrag der Antragsteller als unzulässig zu verwerfen ist.
1. Ein FG kann eine einstweilige Anordnung nur erlassen, wenn für die Hauptsache der Finanzrechtsweg eröffnet ist (vgl. § 114 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -, BFH-Beschluß vom 16. Juli 1985 VII B 53/85, BFHE 143, 523, BStBl II 1985, 553). Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO ist der Finanzrechtsweg in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über Abgabenangelegenheiten eröffnet. Der Begriff der Abgabenangelegenheit wird in § 33 Abs. 2 Satz 1 FGO definiert. Dagegen finden nach § 33 Abs. 2 Satz 2 FGO die Vorschriften des Absatzes 1 auf Straf- und Bußgeldverfahren keine Anwendung. Über die Frage, welchem Bereich die Streitigkeit zuzurechnen ist, muß aufgrund des Sachvortrags des Klägers bzw. hier der Antragsteller entschieden werden. Dabei ist auf die Rechtsnatur des Begehrens abzustellen, wie sie sich aus dem dem Antrag zugrunde liegenden Sachverhalt ergibt (BFH-Urteil vom 23. Dezember 1980 VII R 92/79, BFHE 132, 390, BStBl II 1981, 349).
Nach den Feststellungen des FG hat das FA wegen des Verdachts der Einkommensteuer- und Umsatzsteuerhinterziehung bei den Antragstellern eine Fahndungsprüfung nach § 208 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 AO 1977 durchgeführt. Dies bedeutet, daß gegen die Antragsteller ein Steuerstrafverfahren eingeleitet worden war (§ 397 Abs. 1 AO 1977). Dies hat jede Ermittlungshandlung der Fahndung mit strafrechtlichem Hintergrund in bezug auf eine bestimmte Person zur Folge (vgl. Streck, Die Steuerfahndung, 4. Aufl., Anm. 264). Solche Ermittlungen wurden hier durchgeführt.
Mit ihren Anträgen wollen die Antragsteller die Durchführung einer - die Fahndungsprüfung abschließenden - Schlußbesprechung erreichen. Nach ihrer Auffassung darf die Fahndungsprüfung - ebenso wie die Außenprüfung nach §§ 193 ff. AO 1977 - nicht ohne eine solche Besprechung abgeschlossen werden (vgl. auch BFH-Urteil vom 24. Oktober 1972 VIII R 108/72, BFHE 109, 1, BStBl II 1973, 542, betreffend die Ablehnung der Schlußbesprechung im Rahmen einer Außenprüfung). Zu deren Vorbereitung müßten ihnen auch insbesondere die beschlagnahmten Unterlagen zur Verfügung gestellt werden. Der damit streitige weitere Ablauf der Prüfung - ohne Durchführung der Schlußbesprechung (samt der nach Auffassung der Antragsteller erforderlichen Überlassung der beschlagnahmten Unterlagen) - kann für die Zugehörigkeit zum Strafverfahren nicht anders gewertet werden als die - dem Strafverfahren zuzurechnende - Durchführung der Prüfung selbst. Damit handelt es sich auch hierbei um einen Vorgang, der im Zusammenhang mit der Verfolgung einer Steuerstraftat steht. Daran ändert auch nichts, daß es den Antragstellern mit ihrem Begehren wesentlich auch um eine Besprechung der Prüfungsfeststellungen in steuerlicher Hinsicht geht, deren Auswertung - wie sie vorbringen - zu Mehrsteuern in beträchtlichem Umfang führen würde. Wie der BFH ausgesprochen hat, gehört die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen unmittelbar zur Erforschung der Steuerhinterziehung und ist deren nicht abtrennbarer Teil. Sie ist daher keine Abgabenangelegenheit (BFH-Urteil vom 20. April 1983 VII R 2/82, BFHE 138, 164, BStBl II 1983, 482). Im übrigen weisen die Antragsteller selbst auf den ,,Fortgang (des eingeleiteten Verfahrens) in strafrechtlicher Konsequenz mit existenzbedrohenden Folgen" hin, weshalb ihrer Ansicht nach die abschließende Klärung im Wege der Schlußbesprechung auch in strafrechtlicher Hinsicht gefordert werden müsse.
Zwar sind nach der Rechtsprechung des BFH Maßnahmen der Steuerfahndung nicht stets dem Bereich des Strafverfahrens zuzurechnen, für den der Finanzrechtsweg nicht gegeben ist. So hat der BFH im Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85 (BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359) für die Klage gegen ein Auskunftsersuchen, das die Steuerfahndungsbehörde im Rahmen ihrer Befugnis nach § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977, unbekannte Steuerfälle zu ermitteln, an einen Dritten gerichtet hat, den Finanzrechtsweg als gegeben erachtet. In diesem Fall war ein Strafverfahren (noch) nicht eingeleitet, da ein solches nur gegen einen bestimmten Beschuldigten in Betracht kommen kann. Für den Fall des Auskunftsersuchens an einen Dritten im Rahmen eines bereits eingeleiteten Verfahrens hat der BFH hingegen im Urteil in BFHE 138, 164, BStBl II 1983, 482 entschieden, es sei der ordentliche Rechtsweg gegeben. Der Beschluß vom 29. Oktober 1986 I B 28/86 (BFHE 147, 492, BStBl II 1987, 440), in dem wiederum der Finanzsrechtsweg bejaht worden ist, betraf ein im Rahmen einer Steuerfahndungsprüfung an die zuständigen Finanzbehörden Großbritanniens gerichtetes Auskunftsersuchen, das auf Art. IX DBA-Großbritannien gestützt war. Für den Empfänger dieses Ersuchens war im entschiedenen Fall ein Bezug zur Strafverfolgung nicht zu erkennen.
Im Streitfall ist demgegenüber ein Strafverfahren eingeleitet worden und ist die Fahndungsbehörde den Antragstellern gegenüber auch eindeutig erkennbar im Rahmen der Strafverfolgung und nicht bloß im Besteuerungsverfahren tätig geworden. Damit ist die Einstellung der Prüfung ohne die Durchführung der geforderten Schlußbesprechung ebenfalls der Strafverfolgung zuzurechnen.
2. Gegen die Antragsteller sind inzwischen Steuerbescheide ergangen, denen die Feststellungen der Steuerfahndungsprüfung zugrunde liegen. Nach Auffassung der Antragsteller ist das Verfahren im Hinblick darauf gegenstandslos geworden. Im Streitfall kann dieser veränderten Sachlage indes nicht Rechnung getragen werden.
Nach der Rechtsprechung des BFH kann sich bei einer von Anfang an unzulässigen Klage der Rechtsstreit durch ein nachträgliches Ereignis nicht in der Hauptsache erledigen, weil der Kläger nicht erst durch dieses Ereignis gehindert wird, die von ihm erbetene Entscheidung durchzusetzen, und demnach das nachträgliche Ereignis für die Erledigung des Rechtsstreits nicht ursächlich werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 30. April 1980 VII R 94/74, BFHE 130, 480, BStBl II 1980, 588). Für den Antrag, der, wie hier, auf eine einstweilige Anordnung gerichtet ist, kann insoweit nichts anderes gelten. Die Antragsteller können vielmehr von Anfang an eine gerichtliche Entscheidung in der Sache deshalb nicht erreichen, weil bei einem nicht zulässigen Antrag von vornherein nicht in der Sache entschieden werden kann.
3. Die in § 34 Abs. 3 FGO vorgesehene Verweisung an das zuständige Gericht kann im Streitfall nicht in Betracht kommen.
Ob die Verweisung - über den Wortlaut des § 34 Abs. 3 FGO hinaus - außerhalb eines Urteilsverfahrens, wie hier im Verfahren über die einstweilige Anordnung (§ 114 FGO), überhaupt zulässig ist, ist umstritten (verneinend BFH-Beschluß vom 29. Mai 1969 VII B 199/67, BFHE 95, 526, 528, BStBl II 1969, 491, offengelassen im BFH-Urteil vom 28. Januar 1986 VII R 37/85, BFHE 146, 7, BStBl II 1986, 410). Im Streitfall bedarf es einer Entscheidung dieser Frage nicht. Denn die durch einen berufsmäßigen Prozeßbevollmächtigten vertretenen Antragsteller haben keinen Verweisungsantrag gestellt. Eine entsprechende Aufklärung seitens des Gerichts war im hier gegebenen summarischen Verfahren nicht geboten (vgl. BFH-Beschluß vom 16. Dezember 1986 VIII S 6/85, BFH/NV 1987, 733). Davon abgesehen, muß für die Verweisung in jedem Falle Voraussetzung sein, daß Sachanträge gestellt bzw. aufrechterhalten werden. Nur dann kann die unmittelbare Fortsetzung des Verfahrens, wie sie mit der Verweisung erreicht werden soll, in Betracht kommen. An den genannten Voraussetzungen fehlt es im Streitfall. Im Hinblick auf die ergangenen Steuerbescheide betrachten die Antragsteller ihr ursprüngliches Begehren als gegenstandslos und halten daran nicht mehr fest.
Fundstellen
Haufe-Index 416616 |
BFH/NV 1990, 151 |