Entscheidungsstichwort (Thema)
Entsprechende Anwendung des § 126 Abs. 4 FGO im Verfahren über NZB; keine Verwertungsbefugnis i.S. des § 1 Abs. 2 GrEStG 1983 bei treuhänderisch überlassener Gesellschafterstellung in grundbesitzender GbR
Leitsatz (NV)
- Trotz begründeter Divergenzrüge ist die Revision in entsprechender Anwendung des § 126 Abs. 4 FGO nicht zuzulassen, wenn es zu keiner Auseinandersetzung mit der abweichend beurteilten materiellen Rechtsfrage käme, weil die Vorentscheidung auf jeden Fall mit der Maßgabe zu bestätigen wäre, dass die Klage nicht ‐ wie geschehen ‐als unbegründet, sondern als unzulässig abzuweisen war.
- Für die Anwendung des § 1 Abs. 2 GrEStG 1983 macht es einen Unterschied, ob Gegenstand eines Treuhandverhältnisses die Gesellschafterstellung in der das Grundstück besitzenden Personengesellschaft ist oder das Eigentum an dem im Gesellschaftsvermögen befindlichen Grundstück. Nur dann, wenn das Eigentum am Grundstück Gegenstand des Treuhandverhältnisses ist, kann dem Treugeber die Rechtsmacht im Sinne des § 1 Abs. 2 GrEStG 1983 zustehen, das Grundstück wirtschaftlich zu verwerten.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2, § 126 Abs. 4; GrEStG 1983 § 1 Abs. 2
Tatbestand
I. Mit Vertrag vom 18. Februar 1993 erwarben S und W in Gesellschaft bürgerlichen Rechts (im Folgenden Grundstücksgesellschaft genannt) ein Grundstück an der X-Straße in Z zum Kaufpreis von … DM. Das Gesellschaftsverhältnis hatten sie durch schriftlichen Vertrag vom selben Tag begründet und dabei in einer Vorbemerkung ausgeführt, sie beabsichtigten, das genannte Grundstück zur gesamten Hand zu erwerben. Eine Erwerbsverpflichtung bestehe zwischen ihnen nicht. Der Gesellschaftsvertrag solle nur für den Fall des Grundstückserwerbs gelten. Es bestehe Einvernehmen, dass beide ihren Gesellschaftsanteil nur treuhänderisch für andere Personen hielten. Am Vortag, dem 17. Februar 1993, hatten die beiden Gesellschafter mit den beiden Klägern einen Treuhandvertrag bezüglich ihrer jeweiligen Gesellschafterstellung in der Grundstücksgesellschaft geschlossen, wonach S ihren Anteil von 2 v.H. treuhänderisch für den Kläger und Beschwerdeführer zu 2. (BB, Kläger zu 2.) und W seinen Anteil von 98 v.H. treuhänderisch teils für den Kläger und Beschwerdeführer zu 1. (AA, Kläger zu 1.) ―nämlich in Höhe eines Teilanteils von 10 v.H.― und teils für den Kläger zu 2., ―nämlich in Höhe eines Teilanteils von 88 v.H.― hielten.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) ist der Ansicht, zugleich mit dem Grundstückserwerb durch die Grundstücksgesellschaft sei in der Person der Treugeber der Tatbestand des § 1 Abs. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983 erfüllt worden, und setzte für diesen zweiten Erwerbsvorgang durch Bescheid vom 25. Oktober 1995 eine Steuer von … DM ―berechnet nach den von der Grundstücksgesellschaft aufgewandten Kosten― fest. Den Bescheid richtete es an die "GbR BB u.a.". Einspruch und Klage, mit denen das Vorliegen der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 GrEStG 1983 bestritten wurde, blieben erfolglos. Die Einspruchsentscheidung vom 1. August 1996 war an eine "GbR AA und BB" gerichtet. Die Klage hatten die Kläger ohne einen Gesellschaftszusatz erhoben; dementsprechend erging auch das Urteil gegen die Kläger wie bei einer subjektiven Klagehäufung. Bereits 1994 waren die Kläger in die Grundstücksgesellschaft eingetreten und die bisherigen Gesellschafter S und W aus ihr ausgetreten.
Das Finanzgericht (FG) begründete die Abweisung der Klage damit, dass die Grundstücksgesellschaft das Grundstück im Auftrag der Treugeber erworben habe, weil das Treuhandverhältnis ein Auftragsverhältnis einschließe und es dabei keinen Unterschied mache, ob eine Grundstücksgesellschaft zwischengeschaltet sei oder nicht. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 1407 veröffentlicht.
Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision machen die Kläger geltend, die Vorentscheidung weiche von dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 27. März 1991 II R 82/87 (BFHE 164, 473, BStBl II 1991, 731) ab. In dem Urteil habe der BFH ausgesprochen, dass eine Beteiligung am Vermögen einer Gesamthandsgemeinschaft nicht zu einer Befugnis i.S. des § 1 Abs. 2 GrEStG 1983 führe, ein der Gesellschaft gehörendes Grundstück zu verwerten. Demgegenüber habe das FG den Rechtssatz aufgestellt, dass eine treuhänderisch gehaltene Beteiligung an einer Gesamthandsgemeinschaft dem Treugeber eine Verwertungsbefugnis bezüglich der im Gesamthandsvermögen befindlichen Grundstücke verschaffe.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist in entsprechender Anwendung des § 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) unbegründet. Die von den Klägern gerügte Abweichung der Vorentscheidung von dem zitierten Urteil des BFH liegt vor. Dies richtet sich gemäß Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757) noch nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 FGO i.d.F. vor In-Kraft-Treten des 2.FGOÄndG. Die Vorentscheidung erweist sich jedoch aus anderen Gründen mit der Maßgabe als richtig, dass die Klage nicht als unbegründet, sondern als unzulässig abzuweisen war.
1. Dem Urteil des BFH in BFHE 164, 473, BStBl II 1991, 731 haben die Kläger zutreffend den Rechtssatz entnommen, dass der Anteil am Vermögen einer Gesamthand nicht die wirtschaftliche Verwertungsbefugnis i.S. des § 1 Abs. 2 GrEStG 1983 vermittelt, dass also mit anderen Worten dem Gesellschafter einer grundbesitzenden Personengesellschaft nicht kraft seiner Gesellschafterstellung hinsichtlich der Grundstücke eine Verwertungsbefugnis i.S. des § 1 Abs. 2 GrEStG 1983 zukommt.
Damit ist die dem gegenübergestellte Aussage des FG, für das Vorliegen einer derartigen Verwertungsbefugnis sei unerheblich, ob die treuhänderisch gehaltene Rechtsposition das Eigentum am Grundstück oder die Gesellschafterstellung in der das Grundstück besitzenden Personengesellschaft betrifft, nicht vereinbar. Denn die Befugnisse des Treugebers können nicht über diejenigen hinausgehen, die mit der Inhaberschaft der unbeschränkten Rechte am Gegenstand der Treuhandvereinbarung ―im Streitfall mit der Gesellschafterstellung an der Grundstücksgesellschaft― verbunden sind (vgl. dazu BFH-Urteil vom 7. Juli 1976 II R 151/67, BFHE 120, 66, BStBl II 1977, 12, unter 2. a.E.).
2. Trotz dieser Divergenz ist die Revision entsprechend § 126 Abs. 4 FGO nicht zuzulassen. Bei einer Zulassung der Revision käme es nämlich zu keiner Auseinandersetzung mit der materiellen Rechtfrage, weil die Vorentscheidung auf jeden Fall mit der Maßgabe zu bestätigen wäre, dass die Klage bereits aus formellen Gründen abzuweisen war. Dies steht einer Zulassung der Revision entgegen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 24. August 1988 I B 108/86, BFHE 154, 486, BStBl II 1989, 104; vom 22. September 1993 VIII B 38/93, BFH/NV 1994, 387, sowie vom 22. August 1994 V B 192/93, BFH/NV 1995, 372). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass das FG die Klage nicht aus anderen materiellen, sondern bereits aus formellen Gründen hätte abweisen müssen (vgl. Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. 1997, § 126 Anm. 6). Die Klage war nämlich unzulässig, weil es an der Sachurteilsvoraussetzung des § 40 Abs. 2 FGO fehlt (vgl. BFH-Urteil vom 7. März 1974 II R 134/71, BFHE 112, 114, BStBl II 1974, 426, sowie BFH-Beschluss vom 5. März 1996 XI B 154/95, BFH/NV 1996, 690). Die Kläger konnten durch den angefochtenen Steuerbescheid und die Einspruchsentscheidung nicht in ihren Rechten verletzt sein, weil sich beide Verwaltungsakte nicht gegen die Kläger richten. Die Kläger haben die Klage ―wenn auch in subjektiver Klagehäufung― als Einzelpersonen erhoben. Der angefochtene Steuerbescheid sowie die Einspruchsentscheidung sind aber an die Kläger in gesamthänderischer Verbundenheit gerichtet. Da Gesamthandsgemeinschaften im Grunderwerbsteuerrecht eine eigene Steuerrechtsfähigkeit zukommt, ist eine Gesamthandsgemeinschaft grunderwerbsteuerrechtlich nicht identisch mit der Summe ihrer Beteiligten. Die Klageschrift kann auch nicht dahin ausgelegt werden, dass die Kläger in gesamthänderischer Verbundenheit hätten klagen wollen. Dafür enthält die Klageschrift keinen Anhaltspunkt. Hinzu kommt, dass die Kläger entweder selbst rechtskundig sind oder aber sich rechtskundig haben vertreten lassen.
Fundstellen