Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordnungsmäßigkeit einer Rechtsmittelbelehrung
Leitsatz (NV)
Eine Rechtsmittelbelehrung kann auch alternative Ausführungen enthalten. In diesem Fall muß sich aus dem Zusammenhang mit der Entscheidung des FG ergeben, welche der Alternativen zutrifft (Anschluß an BFH-Beschluß vom 2. Dezember 1987 V B 105/87, BFH/NV 1988, 787).
Eine Rechtsmittelbelehrung, in der aus geführt ist, daß den Beteiligten gegen das Urteil die Revision zustehe, "wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof die Revision zugelassen hat", ist nicht unrichtig i. S. von § 55 Abs. 2 FGO.
Normenkette
FGO § 55 Abs. 2
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen. Der Prozeßbevollmächtigte der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erhielt das Urteil nach eigenen Angaben am 13. Oktober 1995; das Empfangsbekenntnis ging bei ihm verloren.
Mit Schriftsatz vom 10. November 1995, der am 14. November 1995 beim FG einging, machten die Kläger geltend, das Urteil könne nicht rechtskräftig werden, weil die Rechtsmittelbelehrung rechtswidrig sei. Das FG behandelte das Schreiben als Beschwerde; es half dieser nicht ab.
Der erkennende Senat wertet das Schreiben vom 10. November 1995, durch das die Kläger zum Ausdruck gebracht haben, daß sie sich gegen den Bestand des finanzgerichtlichen Urteils wenden, als Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unzulässig.
Nach § 115 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils angefochten werden. Die Zustellung erfolgt gemäß § 53 Abs. 2 FGO von Amts wegen nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG). Nach § 5 Abs. 1 und 2 VwZG kann u. a. an einen Wirtschaftsprüfer in der Weise zugestellt werden, daß dem Empfänger zusammen mit dem zuzustellenden Schriftstück ein Empfangsbekenntnis zugeleitet wird, das dieser mit dem Datum der Zustellung und mit seiner Unterschrift versehen an das Gericht zurückzuleiten hat. Leitet er das Empfangsbekenntnis nicht zurück, so kann als Zustelltag derjenige Tag angesehen werden, den der Empfänger als den Tag angibt, an dem er das Urteil erhalten hat und der nach den sonstigen Anhaltspunkten der wahrscheinliche Zustelltag ist (Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 14. August 1986 VIII R 107/84, BFH/NV 1987, 103). Im Streitfall ist dies der 13. Oktober 1995. Ausweislich der FG-Akte wurde das Urteil am 12. Oktober 1995 an den Prozeßbevollmächtigten und den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt -- FA --) abgesandt.
Die Rechtsmittelfrist hat am 13. Oktober 1995 zu laufen begonnen (§ 54 Abs. 1 FGO); sie endete am Montag, dem 13. November 1995 (§ 54 Abs. 2 FGO i. V. m. § 222 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung, § 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches). Entgegen der Auffassung der Kläger liegen die Voraussetzungen des § 55 Abs. 2, Abs. 1 Satz 2 FGO, wonach die Einlegung eines Rechtsmittels innerhalb eines Jahres seit Bekanntgabe zulässig ist, wenn die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt wurde, nicht vor. Eine Rechtsmittelbelehrung ist u. a. dann unrichtig im Sinne dieser Vorschrift, wenn sie nicht angibt, welches Rechtsmittel im konkreten Fall zulässig ist (Zwischenurteil des BFH vom 12. Februar 1987 V R 116/86, BFHE 149, 120, BStBl II 1987, 438). Die Rechtsmittelbelehrung kann auch alternative Ausführungen enthalten. In diesem Fall muß sich aus dem Zusammenhang mit der Entscheidung des FG ergeben, welche der Alternativen zutrifft (BFH-Beschluß vom 2. Dezember 1987 V B 105/87, BFH/NV 1988, 787). In der dem angefochtenen Urteil beigefügten Rechtsmittelbelehrung heißt es unter 1., daß den Beteiligten gegen das Urteil die Revision zustehe, "wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof die Revision zugelassen hat". Außerdem ist dort auf die zulassungsfreie Revision nach § 116 FGO hingewiesen. Unter 2. der Rechtsmittelbelehrung ist ausgeführt, daß die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde angefochten werden könne. Das angefochtene Urteil enthält keinen Ausspruch über die Zulassung der Revision. Damit fehlt es an dem Erfordernis der Zulassung durch das FG; denn diese muß ausdrücklich erfolgen (BFH-Beschluß vom 23. Oktober 1986 IX R 186/85, BFH/NV 1988, 108). Mithin war, wie sich aus Nummer 1 der Rechtsmittelbelehrung ergibt, nur die zulassungsfreie Revision nach § 116 FGO oder die Revision aufgrund einer Zulassung nach erfolgreicher Nichtzulassungsbeschwerde statthaft. Danach konnte es bei verständiger Würdigung nicht mehr zweifelhaft sein, welches Rechtsmittel im konkreten Streitfall zulässig ist.
Der Senat kann offenlassen, ob den Klägern wegen Versäumung der am 13. November 1995 endenden Beschwerdefrist von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden müßte; das Kuvert mit dem Schreiben vom 10. November 1995 ist abgestempelt " ... , 11. 11. 95 -- 18". Die Beschwerde ist auch mangels Darlegung eines Zulassungsgrundes unzulässig (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Die von den Klägern behauptete unrichtige Rechtsmittelbelehrung kommt als Verfahrensverstoß, auf dem das Urteil des FG beruhen kann, nicht in Betracht (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 115 Anm. 36, m. w. N.).
Fundstellen
Haufe-Index 421351 |
BFH/NV 1996, 755 |