Entscheidungsstichwort (Thema)
Erfolgsaussichten bei unsubstantiiertem Bestreiten
Leitsatz (NV)
Hinreichende Erfolgsaussichten können zu verneinen sein, wenn das FA aus konkret festgestellten Tatsachen naheliegende Schlüsse zieht und der Steuerpflichtige den getroffenen Feststellungen nicht entgegentritt, sondern lediglich - pauschal - die Schlußfolgerungen bestreitet.
Normenkette
FGO § 142 Abs. 1; ZPO § 114
Tatbestand
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) betrieb bis 31. August 1982 eine Einzelfirma. Später waren ihre Arbeitnehmer bei einer GmbH und sodann bei einer KG beschäftigt, deren persönlich haftende Gesellschafterin die GmbH wurde. Gesellschafter der GmbH und Kommanditisten der KG waren der Ehemann der Antragstellerin und Frau X, geborene Y (gleicher Name wie der der Antragstellerin). Gegenstand aller Unternehmen war die Montage von . . .anlagen und der . . .bau. Alleiniger Geschäftsführer war jeweils der Ehemann der Antragstellerin. Im Betrieb der Antragstellerin waren durchschnittlich . . . Arbeitnehmer beschäftigt.
In der Zeit vom 7. Mai 1985 bis 23. April 1986 fand bei den drei vorgenannten Unternehmen eine Lohnsteuer-Außenprüfung statt, die u. a. zu folgenden Ergebnissen führte:
Die Führung der Lohn- und Gehaltskonten selbst und die Ermittlung der Steuerabzugsbeträge aus den vorgegebenen Bruttolöhnen gaben keinen Anlaß zu Beanstandungen. Die Belegführung zu den Lohnkonten wurde jedoch wegen fehlender Urbelege (Stundenzettel, Einzelnachweise über Baustellentätigkeiten der einzelnen Arbeitnehmer hinsichtlich Ort und Zeit usw.) nicht als ordnungsgemäß angesehen.
Für die einzelnen Arbeitnehmer wurden jeweils Jahres-Baustellennachweise geführt. Diese sollten als Nachweis dafür dienen, daß die Arbeitnehmer an wechselnden Einsatzstellen tätig waren und welche Auslösungen insgesamt steuerfrei gezahlt wurden. Ferner sollte sich daraus ergeben, wo die Arbeitnehmer wann eingesetzt waren. Die Erstattungen erfolgten mit fest vereinbarten Beträgen zwischen 36 DM und 60 DM ohne Rücksicht darauf, ob ein Mitarbeiter täglich nach Hause zurückkehrte oder nicht. Gegenüber dem Beklagten (Finanzamt - FA -) wurde vorgetragen, daß die Angaben zur Ermittlung der Monatslöhne in der Regel von sog. ,,Vorrichtern" telefonisch oder auf Schmierzetteln gemacht worden seien. Für die ersten Monate des Jahres 1985 fanden sich für einige Arbeitnehmer Einzelbelege, die in erheblichem Umfang mit den Eintragungen in bereits begonnenen Nachweisungen 1985 nicht übereinstimmten. Anhaltspunkte für konkrete Unregelmäßigkeiten ergaben sich auch aus Vernehmungen, die eine vom Arbeitsamt Z eingerichtete Stelle zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung durchgeführt hatte.
Die Überprüfung der gesamten Belege der Buchführung für die Jahre 1983 und 1984 einschließlich der Ausgangsrechnungen bestätigte die unzutreffende Führung der Baustellennachweise. Aus von Arbeitnehmern unterzeichneten Belegen über Lohnabschläge, Belegen über von Auftragsfirmen gestellte Arbeitskleidung, unterschriftlich bestätigte Feststellungen an einzelnen Baustellen und Feststellungen von Zeit- und Erschwerniszuschlägen für einzelne Arbeitnehmer an bestimmten Baustellen ergab sich, daß für 1983 23,55 v. H. und für 1984 27,93 v. H. der an die Arbeitnehmer insgesamt gezahlten Auslösungen unzutreffend als steuerfrei behandelt worden waren. Hieraus wurde ein Gesamtdurchschnitt von 25 v. H. abgeleitet.
Das FA ging davon aus, daß die für die Jahre 1983 und 1984 getroffenen Feststellungen auch in der Zeit vom 1. Januar bis 31. August 1982 vorgelegen hätten, da für diesen Zeitraum ebenfalls keine Einzelaufzeichnungen zum Lohnkonto vorgelegt werden konnten. Es erließ deshalb gegen die Antragstellerin am 5. September 1986 einen Haftungsbescheid über . . . DM Lohnsteuer, . . . DM evangelische und . . . DM römisch-katholische Kirchensteuer.Den hiergegen eingelegten Einspruch, der nicht begründet worden war, wies das FA als unbegründet zurück.
Dagegen erhob die Antragstellerin beim Finanzgericht (FG) Klage, die unter dem Aktenzeichen . . . anhängig ist.
Die Antragstellerin begehrte Prozeßkostenhilfe (PKH) für das Klageverfahren und begründete dies wie folgt:
Für die Zeit vom 1. Januar bis 31. August 1982 seien keine Feststellungen über angeblich unbesteuert gelassene Auslösungszahlungen getroffen worden. Die Übertragung der Verhältnisse bei anderen Unternehmen sei unhaltbar. Darüber hinaus fehle es an der erforderlichen Aufteilung auf die einzelnen Arbeitnehmer. Hinsichtlich der Kirchensteuer mangle es an der zutreffenden Berücksichtigung der Zuordnung zu Kirchensteuerberechtigten.
Das FG wies den Antrag als unbegründet zurück. Es führte u. a. aus, die Klage biete unter Berücksichtigung des Beschlusses des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25. März 1986 III B 5-6/86 (BFHE 146, 223, BStBl II 1986, 526) keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Das FA gehe zutreffend davon aus, daß die Antragstellerin teilweise zu Unrecht Auslösungen und Zeitzuschläge ohne Einbehaltung der hierauf entfallenden Lohnsteuer an die Arbeitnehmer ausgezahlt habe. Es beständen keine Bedenken, die vom FA für die Jahre 1983 und 1984 festgestellten Umstände auf den streitigen Zeitraum zu übertragen. Entscheidend hierfür sei, daß in allen drei Betrieben, die sich mit der Montage von . . .anlagen und dem . . .bau befaßt hätten, der Ehemann der Antragstellerin der ,,Betriebsleiter" gewesen sei. Es habe jeweils nur die Rechtsform gewechselt, in der die Unternehmen betrieben worden seien. Daß sich auch die tatsächlichen Verhältnisse geändert hätten, habe die Antragstellerin weder substantiiert vorgetragen noch sei solches ersichtlich. Der Haftungsbescheid leide auch nicht an formellen Fehlern.
Gegen diesen Beschluß legte die Antragstellerin Beschwerde ein, ohne diese zu begründen.
Das FA hat nicht Stellung genommen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist nicht begründet.
Nach § 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. §§ 114 ff. der Zivilprozeßordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter PKH, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Die Rechtsverfolgung verspricht dann hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn für seinen Eintritt bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht. Das ist anzunehmen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt der Antragstellerin aufgrund ihrer Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (BFH-Beschluß vom 4. September 1987 VI B 71/86, BFH/NV 1988, 660). Dabei dürfen die Anforderungen nicht überspannt werden. Insbesondere in Schätzungsfällen darf im allgemeinen nicht durch eine abschließende Würdigung aller Umstände die Endentscheidung vorweggenommen und die Antragstellerin dadurch gehindert werden, ihre Rechte aus der Gewährung von PKH in vollem Umfang wahrzunehmen (BFH-Beschluß vom 6. Februar 1987 III B 169 und 170/86, BFH/NV 1987, 322). Dies schließt nicht aus, daß das Gericht die Möglichkeit einer Beweisführung dann für ganz unwahrscheinlich hält, wenn das FA für die Richtigkeit des von ihm angenommenen Sachverhalts konkrete Tatsachen und Schlußfolgerungen benennt und die Steuerpflichtige dies lediglich pauschal bestreitet (vgl. BFH-Beschluß vom 27. August 1986 VIII B 84/85, BFH/NV 1987, 119). So verhält es sich im Streitfall.
Die Antragstellerin hat sich nur dahingehend eingelassen, das FA habe ,,keine Feststellungen über angeblich erfolgte unbesteuert gelassene Auslösungszahlungen getroffen". Tatsächlich wurde von der Lohnsteueraußenprüfung laut Bericht vom 9. Juni 1986 festgestellt, daß die Antragstellerin im streitigen Zeitraum ihren Arbeitnehmern ohne Lohnsteuerabzug Auslösungen im Gesamtbetrag von . . . DM gezahlt habe. Unter Heranziehung der Verhältnisse desselben Betriebs, wenn auch mit anderen Inhabern, in den Folgejahren 1983 und 1984 hat das FA angenommen, daß die vorhandenen Belege nicht den Schluß zuließen, daß es sich insgesamt um steuerfreie Zuwendungen gehandelt habe, weshalb - ebenfalls in Anlehnung an die Folgejahre - 25 v. H. der Auslösungsbeträge (. . . DM) nachzuversteuern sind. Dem ist die Antragstellerin lediglich mit dem Einwand begegnet, man könne nicht die Verhältnisse fremder Betriebe zugrunde legen. Dagegen ist sie nicht der Annahme entgegengetreten, die betrieblichen Verhältnisse, insbesondere die Arbeitnehmerschaft, die Auslösungspraxis und das Belegsystem, seien auch in ihrem Betrieb in der Zeit vom 1. Januar bis 31. August 1982 so gewesen. Angesichts der Tatsache, daß die Antragstellerin keine konkreten, der Annahme des FA zuwiderlaufenden Tatsachen vorgetragen, geschweige denn hierfür Beweis angetreten hat, ist der Senat von der Möglichkeit, daß sich der vom FA angenommene Sachverhalt als unzutreffend erweist, nicht überzeugt.
War mangels entsprechender Aufzeichnungen des Arbeitgebers eine entsprechende Aufschlüsselung der Haftungsbeträge auf die einzelnen Arbeitnehmer nicht möglich, so müssen die auf die betreffenden Arbeitnehmer entfallenden Steuerschulden auch im Haftungsbescheid nicht getrennt ausgewiesen werden (BFH-Urteil vom 8. November 1985 VI R 237/80, BFHE 145, 363, BStBl II 1986, 274). Hiervon kann nach dem oben Ausgeführten ausgegangen werden. Schließlich hat die Antragstellerin auch keine konkreten Angaben gemacht, die eine unzutreffende Aufteilung der Kirchensteuer für möglich erscheinen lassen könnten.
Fundstellen
Haufe-Index 416371 |
BFH/NV 1989, 662 |