Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Rüge des Übergehens eines Beweisantrags
Leitsatz (NV)
- Wird die Verletzung der Sachaufklärungspflicht wegen des Übergehens eines Beweisantrags gerügt, ist u.a. darzulegen, welches Sachvorbringen unberücksichtigt geblieben sein soll und inwiefern die Berücksichtigung möglicherweise zu einer anderen Entscheidung hätte führen können, ferner was das Ergebnis der Beweisaufnahme gewesen wäre und weshalb die Vorentscheidung auf dem Fehlen dieses Beweisergebnisses beruhen könne. Außerdem ist darzulegen, dass die Nichterhebung der Beweise vor dem FG rechtzeitig gerügt worden ist oder aufgrund des Verhaltens des FG nicht mehr vor diesem gerügt werden konnte.
- Zur schlüssigen Erhebung der Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gehört jedenfalls dann, wenn die behauptete Verletzung des rechtlichen Gehörs sich nur auf einzelne Feststellungen oder rechtliche Gesichtspunkte bezieht, dass substantiiert dargelegt wird, wozu sich der Beteiligte nicht habe äußern können oder welches Vorbringen das FG bei seiner Entscheidung nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen habe. Ferner muss er darlegen, inwieweit er alle Möglichkeiten genutzt habe, sich das rechtliche Gehör vor dem Finanzgericht zu verschaffen.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1, § 115 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 S. 3, § 155; ZPO § 295; GG Art. 103 Abs. 1
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig.
Das Urteil des Finanzgerichts (FG) wurde im Jahre 2000 verkündet. Die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde beurteilt sich daher nach § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in der bis 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (FGO a.F.; vgl. Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze ―2.FGOÄndG― vom 19. Dezember 2000, BGBl I 2000, 1757).
Die Begründung der Verfahrensrüge entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F.
1. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) rügt, das Gericht habe seine gemäß § 76 Abs. 1 FGO bestehenden Aufklärungspflichten verletzt, indem es die mit Schriftsatz vom 3. August 1999 benannten Zeugen nicht vernommen habe. Sein Vorbringen genügt insoweit nicht den Anforderungen an eine zulässige Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht.
Eine ordnungsgemäße Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht erfordert eine schlüssige Bezeichnung der Tatsachen, aus denen sich der behauptete Verfahrensverstoß ergibt. Der Kläger muss u.a. darlegen, welche Umstände unberücksichtigt geblieben sein sollen und inwiefern die Berücksichtigung möglicherweise zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (vgl. z.B. die Beschlüsse des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 13. November 1996 II B 36/96, BFH/NV 1997, 493, sowie vom 22. März 1999 X B 142/98, BFH/NV 1999, 1236). Bei der Rüge einer unterlassenen Beweisaufnahme ist ferner vorzutragen, was das Ergebnis der Beweisaufnahme gewesen wäre (BFH-Urteil vom 26. Februar 1975 II R 120/73, BFHE 115, 185, BStBl II 1975, 489) und weshalb die Vorentscheidung auf dem Fehlen dieses Beweisergebnisses beruhen könne (BFH-Urteil vom 14. Januar 1981 I R 133/79, BFHE 132, 508, BStBl II 1981, 443). Außerdem ist darzulegen, dass die Nichterhebung der Beweise vor dem FG rechtzeitig gerügt worden ist oder aufgrund des Verhaltens des FG nicht mehr vor diesem gerügt werden konnte (BFH-Urteil vom 15. Juli 1997 VIII R 56/93, BFHE 183, 518, BStBl II 1998, 152, 158; BFH-Beschluss vom 17. Juli 1997 XI B 105/96, BFH/NV 1998, 53). Denn bei dem Übergehen eines Beweisantrags handelt es sich um einen Verstoß gegen Verfahrensvorschriften, auf deren Einhaltung gemäß § 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozeßordnung (ZPO) verzichtet werden kann (vgl. den BFH-Beschluss vom 31. Januar 1989 VII B 162/88, BFHE 155, 498, BStBl II 1989, 372).
Entsprechende Ausführungen fehlen im Beschwerdeschriftsatz. Dabei kann im Streitfall dahinstehen, ob von dem Kläger als Laien die Rüge der Nichterhebung der angebotenen Beweise erwartet werden konnte. Seine Rüge lässt schon nicht erkennen, inwiefern die Vernehmung der von ihm benannten Zeugen zu einer für ihn günstigeren Entscheidung hätte führen können. Denn das FG hat die Umstände, die die Zeugen hätten bestätigen sollen, nämlich den Diebstahl von Eispulver und die Unterschlagung von Einnahmen durch Mitarbeiter, bei seiner Hinzuschätzung zum Erlös 1992 berücksichtigt. Im Grunde wendet sich der Kläger gegen die Würdigung dieser Umstände durch das FG im Hinblick auf die Höhe der Zuschätzung. Einwendungen gegen die Sachverhaltswürdigung richten sich jedoch grundsätzlich gegen die materiell-rechtliche Beurteilung durch das FG und stellen keine verfahrensrechtliche Rüge dar (z.B. BFH-Urteil vom 23. November 1995 IV R 75/94, BFHE 179, 307, BStBl II 1996, 194).
2. Weiter rügt der Kläger, das Gericht habe, indem es die Vernehmung der Zeugen unterlassen habe, auch sein Recht auf rechtliches Gehör verletzt.
Auch diese Verfahrensrüge genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F. Zur schlüssigen Erhebung der Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gehört, dass substantiiert dargelegt wird, wozu sich der Beteiligte nicht habe äußern können oder welches Vorbringen das FG bei seiner Entscheidung nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen habe. Ferner ist auszuführen, dass bei Berücksichtigung des nicht beachteten Sachvortrags eine andere Entscheidung möglich gewesen wäre (vgl. die Beschlüsse des BFH vom 26. April 1995 I B 166/94, BFHE 177, 451, BStBl II 1995, 532, und vom 27. März 2000 III B 67/99, BFH/NV 2000, 1091). Dies gilt jedenfalls dann, wenn ―wie hier― die behauptete Verletzung des rechtlichen Gehörs sich nur auf einzelne Feststellungen oder rechtliche Gesichtspunkte bezieht (Beschluss des BFH vom 8. April 1998 VIII R 32/95, BFHE 186, 102, BStBl II 1998, 676). Ferner muss der Beteiligte darlegen, inwieweit er alle Möglichkeiten genutzt habe, sich das rechtliche Gehör vor dem FG zu verschaffen (vgl. den Beschluss des BFH vom 27. Dezember 1993 V B 82/92, BFH/NV 1995, 398).
Die Rüge ist schon nicht schlüssig vorgebracht, weil der Kläger nicht dargelegt hat, dass er alles versucht habe, sich rechtliches Gehör zu verschaffen. Insofern hätte es nahe gelegen, den Vortrag und Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung zumindest zu wiederholen, was aber nicht erfolgt ist. Außerdem gilt auch hier, dass der Kläger ―nachdem das FG, wie ausgeführt, die in das Wissen der benannten Zeugen gestellten Tatsachen bei seiner Entscheidung berücksichtigt hat― nichts dazu vorgetragen hat, inwieweit die Einvernahme der Zeugen ein für ihn günstigeres Urteil hätte herbeiführen können.
Die Entscheidung im Übrigen ergeht gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ohne Angabe weiterer Gründe.
Fundstellen
Haufe-Index 592965 |
BFH/NV 2001, 1036 |