Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde; Rindfleisch nicht von handelsüblicher Qualität
Leitsatz (NV)
- Der Verfahrensfehler mangelnder Sachverhaltsaufklärung liegt nicht vor, wenn es nach der zugrunde liegenden Rechtsauffassung des FG auf die beantragte Beweiserhebung nicht ankommt.
- Es liegt kein Verstoß gegen den Verfahrensgrundsatz vor, dass die richterliche Überzeugung auf Grund des Gesamtinhalts der Akten zu bilden ist, wenn die Beweiswürdigung anhand des Akteninhalts nachvollziehbar ist.
- Eine lediglich fehlerhafte Rechtsauslegung oder -anwendung im Einzelfall rechtfertigt noch nicht eine Zulassung der Revision.
- Keine Divergenz zu den EuGH-Urteilen vom 9. Oktober 1973 Rs. 12/73 (EuGHE 1973, 963 ff.) und vom 19. November 1998 Rs. C-235/97 (EuGHE 1998, I-7555).
- Voraussetzung für die Gewährung der Ausfuhrerstattung ist nach Art. 13 VO (EWG) Nr. 3665/87, dass die Ware von gesunder und handelsüblicher Qualität ist. Die Eignung des Fleisches zum menschlichen Verzehr ist dagegen kein eigenständiges Merkmal im Rahmen dieser Vorschrift.
- Die Voraussetzungen des Art. 13 VO (EWG) Nr. 3665/87 sind nur dann erfüllt, wenn das Fleisch auf dem Gemeinschaftsmarkt im Zeitpunkt der Ausfuhrabfertigung objektiv unter normalen Bedingungen vermarktet werden könnte.
- Zu den Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache.
Normenkette
EWGV 3665/87 Art. 3 Abs. 5, Art. 13; ZK Art. 70 Abs. 1; FGO § 76 Abs. 1, § 96 Abs. 1, § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2, § 116 Abs. 3 S. 3
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) meldete am 5. November 1997 beim Hauptzollamt X eine Warensendung gefrorenes Rindfleisch der Marktordnungs-Warenlistennummer 0202 3090 9400 bestehend aus einer Partie mit 219 Kartons und einer Partie aus 539 Kartons zur Ausfuhr nach … an. Im Rahmen der Beschau der Sendung wurden 10 Kartons geöffnet. Nach dem Vermerk über das Ergebnis der durchgeführten Beschau wurde bei zwei der geöffneten Kartons festgestellt, dass das darin enthaltene Fleisch eine rotbräunliche bzw. beige Farbe aufwies. Diese zwei Kartons wurden als Probe entnommen; eine davon wurde der Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt (ZPLA) bei der Oberfinanzdirektion Hamburg zur Untersuchung übersandt, der andere verblieb zunächst vor Ort in dem dortigen Kühlhaus. Die ZPLA untersuchte sowohl die Probe als auch später die Rückstellprobe. Sie stellte fest, dass die Fleischstücke angetrocknet seien und Gefrierbrand aufwiesen. Das Fleisch sei von graubrauner Farbe wie altes Fleisch; es könne davon ausgegangen werden, dass die Ware lange gelagert worden sei. Die handelsübliche Qualität könne nach den festgestellten Merkmalen nicht bescheinigt werden. Mit dem angefochtenen Bescheid setzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt ―HZA―) die Erstattung auf 0 DM fest und verwies zur Begründung auf die Untersuchungszeugnisse der ZPLA. Der dagegen gerichtete Einspruch (Einspruchsentscheidung vom 28. Oktober 1999) blieb ebenso wie die Klage ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) urteilte, es bestehe für die in Rede stehende Warensendung kein Anspruch auf Ausfuhrerstattung, weil die Voraussetzungen des Art. 13 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 (VO Nr. 3665/87) der Kommission vom 27. November 1987 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ―ABlEG― Nr. L 351/1) nicht erfüllt seien. Das von der Klägerin ausgeführte Fleisch sei nicht von handelsüblicher Qualität gewesen. Das Rindfleisch habe im maßgeblichen Zeitpunkt der Ausfuhr gravierende Qualitätsmängel aufgewiesen, so dass es im Gemeinschaftsgebiet nicht mehr unter normalen Verhältnissen hätte vermarktet werden können.
Es habe eine Teilbeschau der zur Ausfuhr angemeldeten Waren stattgefunden. Die entnommenen Proben seien repräsentativ gewesen. Es hätte nach den maßgebenden Dienstvorschriften auch eine stichprobenweise Beschau stattfinden dürfen, weil in der Ausfuhranmeldung nicht angegeben gewesen sei, dass die Waren unterschiedlich beschaffen seien. Anhaltspunkte, welche die Verwertbarkeit der Untersuchungsergebnisse der ZPLA zweifelhaft erscheinen lassen könnten, seien nicht vorgetragen worden und auch nicht ersichtlich. Das Untersuchungsergebnis gelte für die gesamte Ausfuhrsendung, weil es sich nach der Anmeldung um die gleichen Waren gehandelt habe; die Aufteilung in zwei Partien sei offensichtlich nur aus lizenzrechtlichen Gründen erfolgt. Die Klägerin habe die nach Art. 70 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodex ―ZK―) des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABlEG Nr. L 302/1) bestehende Beschaffenheitsvermutung nicht widerlegt. Das FG schloss sich der Bewertung der ZPLA an, dass Fleisch, welches Mängel der festgestellten Art aufweise, nicht von handelsüblicher Qualität sei.
Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde rügt die Klägerin Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―, Verstoß gegen § 76 Abs. 1 und § 96 Abs. 1 FGO) und macht die grundsätzliche Bedeutung der Sache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) geltend.
Das HZA hält die Beschwerde für unzulässig.
Entscheidungsgründe
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist jedenfalls unbegründet, weil die Zulassungsgründe, selbst wenn sie ausreichend dargelegt sind, nicht vorliegen.
1. Der behauptete Verfahrensfehler mangelnder Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 FGO), weil im Vorverfahren der Antrag auf Untersuchung der Proben in lebensmittelhygienischer Sicht abgelehnt worden sei, liegt schon deshalb nicht vor, weil es auf eine lebensmittelhygienische Untersuchung des Rindfleisches nach Auffassung des FG nicht ankam. Denn nach Auffassung des FG war das untersuchte Rindfleisch unabhängig davon, ob es hygienisch unbedenklich war, allein wegen der von der ZPLA festgestellten Mängel nicht von handelsüblicher Qualität. Auf Grund dieser Feststellungen ist im Übrigen auch die ZPLA zu dem Ergebnis gelangt, dass es die handelsübliche Qualität des Rindfleisches nicht bescheinigen könne. Anders als die Klägerin meint, ergibt sich aus den Gutachten der ZPLA, auf die das FG Bezug genommen hat, nicht, dass sie die handelsübliche Qualität nicht bescheinigen könne, weil sie lebensmittelhygienische Untersuchungen nicht vornehmen könne.
2. Anders als die Klägerin meint, hat das FG nicht gegen den Verfahrensgrundsatz verstoßen, dass die richterliche Überzeugung auf Grund des Gesamtinhalts der Akten zu bilden ist (§ 96 Abs. 1 FGO), indem es davon ausging, dass die streitige Ausfuhrsendung im maßgebenden Zeitpunkt Gefrierbrand aufwies, was die ZPLA auf Grund der graubraunen Farbe des Fleisches in ihren beiden Untersuchungszeugnissen festgestellt habe. Das FG ist als Tatsacheninstanz in seiner Beweiswürdigung frei bei der Feststellung und Gewichtung der entscheidungserheblichen Tatsachen und Beweisergebnisse. Die Beweiswürdigung muss allerdings anhand des Akteninhalts nachvollziehbar sein. Dies ist entgegen der Auffassung der Klägerin möglich.
a) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist dem Akteninhalt nicht lediglich zu entnehmen, dass Gefrierbrand auf dem Weg zur ZPLA entstanden ist.
Es trifft zunächst nicht zu, dass der Beschaubefund, wie die Klägerin behauptet, erst nach Bekanntwerden der Untersuchungsergebnisse der ZPLA gefertigt worden ist. Nach Aktenlage ist er im Zeitpunkt der Probenentnahme, gefertigt worden. Aus den Angaben im Beschaubefund zur Farbe des Fleisches in den als Proben entnommenen beiden Kartons (rotbräunlich, beige) einerseits und dem Gutachten des …-Instituts betreffend die Merkmale von Gefrierbrand andererseits, in dem als Indiz für das Vorliegen von Gefrierbrand eine grauweißliche, graubräunliche oder graugelbliche Verfärbung des Fleisches angegeben ist, folgt nicht zwingend der Schluss, dass das Fleisch im Zeitpunkt der Probenentnahme noch keinen Gefrierbrand hatte. Denn die Farbangaben im Gutachten des …-Instituts weichen von den Feststellungen im Beschaubefund zumindest hinsichtlich der dort verwendeten Farbbezeichnung "beige" nicht entscheidend voneinander ab.
Auch aus dem Veterinärzeugnis vom Tag der Probeentnahme, das ohne Einschränkungen erteilt worden ist, lässt sich nicht zwingend entnehmen, dass die Ware im Zeitpunkt der Probenentnahme noch keinen Gefrierbrand hatte. Es ist nicht zu beanstanden, dass das FG die in den Akten befindliche Erklärung des Landratsamts O vom … Juli 1999, nach der, wenn bei der tierärztlichen Kontrolle eines LKW mit Gefrierware Gefrierbrand festgestellt worden wäre, dies im Veterinärzeugnis vermerkt worden oder unter Umständen die Verladung untersagt worden wäre, nicht ausdrücklich gewürdigt hat. Denn das HZA hat mit Recht schon in seiner Einspruchsentscheidung darauf hingewiesen, dass das Landratsamt O im Streitfall nicht für die Erteilung des Veterinärzeugnisses zuständig war.
Schließlich ist auch nicht zu beanstanden, dass das FG auf Grund der in den Akten befindlichen Stellungnahmen des Abfertigungsbeamten und der ZPLA zu dem Ergebnis gelangt ist, dass keine Anhaltspunkte für einen nicht sachgerecht durchgeführten Transport der Proben zur ZPLA vorliegen. Soweit die Klägerin meint, das FG hätte Aussagen zu den Modalitäten der Expressgutbeförderung einholen müssen, ist damit nicht die Verletzung des § 96 Abs. 1 FGO, sondern die Verletzung des § 76 Abs. 1 FGO gerügt. Die zur schlüssigen Rüge eines solchen Verfahrensmangels erforderlichen Ausführungen darüber, dass insoweit eine weitere Sachaufklärung beantragt wurde oder sich die weitere Sachaufklärung dem FG hätte aufdrängen müssen, fehlen indes.
b) Zu Unrecht meint die Klägerin, dass es nach dem Wortlaut der Untersuchungszeugnisse und Gutachten der ZPLA nicht zutreffe, dass die ZPLA die Proben als nicht von handelsüblicher Qualität bewertet und erklärt habe, dass die Prüfung zur Feststellung einer handelsüblichen Qualität im Rahmen einer lebensmittelhygienischen Untersuchung zu erfolgen habe. Dem Wortlaut der betreffenden Passage der Gutachten ist vielmehr mit dem FG eindeutig zu entnehmen, dass eine handelsübliche Qualität der Ware nach den festgestellten Merkmalen von hier aus (ZPLA) nicht bescheinigt werden kann, also nicht gegeben ist. Unabhängig davon hat die ZPLA in dem Untersuchungszeugnis und Gutachten mitgeteilt, dass Untersuchungen in lebensmittelhygienischer Hinsicht von ihr nicht durchgeführt werden. Dies ist nicht als Begründung dafür zu verstehen, dass die ZPLA die handelsübliche Qualität der Waren nicht bescheinigen kann.
c) Anders als die Klägerin meint, hat das FG nicht übersehen, dass das Beschauergebnis, das sich auf die 10 geöffneten Kartons bezog, nicht einheitlich war. Es hat sich vielmehr damit auseinander gesetzt und hat die Auffassung vertreten, die Klägerin habe nicht nachweisen können, dass die Ausfuhrwaren mit Ausnahme der untersuchten Kartons keinen Gefrierbrand aufwiesen.
d) Es widerspricht auch nicht dem Inhalt der Akten, dass das FG das Fehlen einer gesunden und handelsüblichen Qualität der Erstattungserzeugnisse damit begründet, dass solche Erzeugnisse nur unter besonderen Hinweisen und nur unter Preisnachlässen vermarktet werden könnten, obwohl die Klägerin dargetan habe, dass das Fleisch zum normalen Preis auf dem Gemeinschaftsmarkt erworben und es vom Empfänger nicht beanstandet worden sei. Denn nach Auffassung des FG kam es nicht darauf an, zu welchem Preis die Klägerin das Fleisch tatsächlich erworben und vermarktet hat, sondern darauf, ob das Fleisch objektiv unter normalen Bedingungen im Gemeinschaftsgebiet hätte vermarktet werden können. Diese Voraussetzung sah es bei einer durch Gefrierbrand verursachten Qualitätsbeeinträchtigung des Rindfleisches nicht als gegeben an.
3. Die grundsätzliche Bedeutung der Sache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) begründet die Klägerin damit, dass das FG ―wie sie meint― schwerwiegende Fehler in dem angefochtenen Urteil begangen habe. Der Fehler liege in der Ansicht des FG, dass eine Qualitätsbeeinträchtigung, die nicht einmal zu Mängelrügen des drittländischen Kunden geführt habe, die gesunde und handelsübliche Qualität einer Ware, deren Genusstauglichkeit veterinärrechtlich bescheinigt und die zu normalen Bedingungen gehandelt worden sei, beeinträchtige. Das auf dieser Ansicht beruhende Urteil des FG lasse den Zusammenhang zum Erstattungssystem schlichtweg nicht mehr erkennen.
Ein schwerwiegender Rechtsfehler rechtfertigt zwar, wenn er hinreichend dargelegt ist, nach der Neufassung des § 115 Abs. 2 FGO durch das Zweite Gesetz zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757) die Zulassung der Revision. Es braucht nicht entschieden zu werden, ob es sich in einem solchen Fall um einen Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 oder nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO handelt (vgl. Bundesfinanzhof ―BFH―, Beschluss vom 7. Januar 2002 III B 61/01, BFH/NV 2002, 666; zum Meinungsstand Lange, Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung wegen eines schwerwiegenden Rechtsfehlers, Deutsche Steuer-Zeitung ―DStZ― 2002, 782). Diesen Zulassungsgrund hat die Klägerin jedoch nicht hinreichend dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Eine lediglich fehlerhafte Rechtsauslegung oder -anwendung im Einzelfall rechtfertigt nach der Rechtsprechung des BFH noch nicht eine Zulassung der Revision (vgl. z.B. BFH in BFH/NV 2002, 666). Hinzukommen muss vielmehr, dass die Entscheidung objektiv willkürlich oder unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist und sie deshalb das Vertrauen in die Rechtsprechung beschädigt (vgl. Beschluss des Senats vom 14. Februar 2002 VII B 141/01, BFH/NV 2002, 798, und Lange in DStZ 2002, 782). Dass diese Voraussetzungen erfüllt sind, lässt sich den Ausführungen der Klägerin nicht entnehmen, die nur darauf hinauslaufen, dass die Entscheidung angeblich von der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) abweiche, nicht mit bestimmten Äußerungen der Kommission der Europäischen Gemeinschaft und nicht mit dem als Interpretationshilfe heranzuziehenden Art. 21 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 800/1999 der Kommission vom 15. April 1999 (ABlEG Nr. L 102/11) vereinbar sei.
4. Die angebliche Divergenz der Entscheidung des FG zu den genannten Urteilen des EuGH (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) besteht nicht.
a) Anders als es die Klägerin darstellt, hat der EuGH in seinem Urteil vom 9. Oktober 1973 Rs. 12/73 (EuGHE 1973, 963 ff.) nicht den Rechtssatz aufgestellt, dass eine Erstattungsware das Erfordernis der gesunden und handelsüblichen Qualität erfülle, wenn es in der Gemeinschaft legal vermarktet werden könne. Vielmehr heißt es darin (Rdnr. 12) diesbezüglich wörtlich:
"Die in Artikel 6 der Verordnung Nr. 1041/67 aufgestellten Erfordernisse gesunder und handelsüblicher Qualität sind eine allgemeine und objektive Voraussetzung für die Gewährung einer Erstattung, welche Anforderungen hinsichtlich Art und Qualität die Verordnungen zur Festsetzung der Erstattungsbeträge für die einzelnen Erzeugnisse im Übrigen auch enthalten mögen. Ein Erzeugnis, das im Gemeinschaftsgebiet nicht unter normalen Bedingungen und unter der im Erstattungsantrag erscheinenden Bezeichnung vermarktet werden könnte, würde diesen Qualitätsanforderungen nicht genügen …"
Anders als die Klägerin zitiert, verwendet der EuGH also nicht den Begriff "legal", sondern den Begriff "normal". Davon geht auch das FG in seinem Urteil aus.
b) Nach Meinung der Klägerin ist tragender Rechtssatz des EuGH-Urteils vom 19. November 1998 Rs. C-235/97 (EuGHE 1998, I-7555), dass allenfalls die "Nichterfüllung der Vertragspflicht" die gesunde und handelsübliche Qualität beeinträchtigen könne. Von diesem Rechtssatz soll das FG abgewichen sein, indem es den Rechtssatz aufgestellt hat, dass selbst ein Mangel, der auf die vertragliche Erfüllung keinen Einfluss hat, der nicht einmal zur Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen geführt hat, die gesunde und handelsübliche Qualität nach Art. 13 VO Nr. 3665/87 beseitigt.
Die vermeintliche Divergenz zwischen beiden Urteilen besteht tatsächlich nicht. Denn in dem Leitsatz des Urteils, der nach den Ausführungen der Klägerin hier einschlägig ist, heißt es wörtlich (Leitsatz 3):
"Artikel 13 der Verordnung Nr. 3665/87 macht die Gewährung von Ausfuhrerstattungen von der "gesunden und handelsüblichen Qualität" der betreffenden Erzeugnisse abhängig. Zwar ist es in Ermangelung einer Gemeinschaftsnorm, die diesen Begriff definiert, Sache der Mitgliedstaaten, genauere einschlägige Bestimmungen zu erlassen, doch dürfen diese nicht im Gegensatz zur allgemeinen Systematik der anwendbaren Gemeinschaftsregelung stehen, die verlangt, dass diese Erzeugnisse so beschaffen sein müssen, dass sie unter normalen Verhältnissen vermarktet werden können. Es ist deshalb, wenn ein Qualitätsmangel auf einen Fehler bei der Herstellung zurückzuführen ist und die Erzeugnisse daher am Tag ihrer Ausfuhr mit diesem Mangel behaftet sind, unerheblich, wenn dieser Fehler erst bei einer späteren Kontrolle aufgedeckt wird, da anderenfalls die Allgemeinheit die Folgen der Nichterfüllung der Vertragspflicht eines Herstellers zu tragen hätte, ein ordnungsgemäßes Erzeugnis zu liefern, was nicht die Aufgabe der Erstattungsregelung ist, die nur die Ausfuhr von Gemeinschaftserzeugnissen ermöglichen soll, die sonst für den Wirtschaftsteilnehmer nicht rentabel wäre."
Der in diesem Leitsatz zum Ausdruck gebrachte Rechtssatz besagt also nur, dass entscheidend für die Frage, ob Ausfuhrerstattung zu gewähren ist, allein der Umstand ist, ob das Erzeugnis am Tag seiner Ausfuhr mit einem Mangel behaftet ist. Unerheblich ist, ob ein solcher Mangel erst später aufgedeckt (oder nicht aufgedeckt) wird. Etwas anderes hat auch das FG nicht ausgeführt.
5. Die Klägerin sieht weiter folgende Fragen für grundsätzlich bedeutsam an:
- Kann die Zahlung einer Ausfuhrerstattung für Rindfleisch unter Hinweis auf Art. 13 VO Nr. 3665/87 verweigert werden, wenn die Eignung des ausgeführten Fleisches für den menschlichen Verzehr durch ein Veterinärzeugnis belegt ist?
- Kann die Zahlung der Ausfuhrerstattung unter Hinweis auf Art. 13 VO Nr. 3665/87 verweigert werden, wenn die ausgeführte Ware zu einem normalen Preis in der Gemeinschaft eingekauft und unter der im Erstattungsantrag genannten Bezeichnung im Drittland zum regulären Marktpreis und unter normalen Bedingungen vermarktet und der in Rechnung gestellte Preis vom drittländischen Kunden voll bezahlt wurde?
- Darf die Zahlung einer Ausfuhrerstattung unter Hinweis auf Art. 13 VO Nr. 3665/87 verweigert werden, wenn bei der zollamtlichen Beschau sichtbare Mängel nicht festgestellt wurden und nachfolgende Probengutachten der ZPLA die handelsübliche Qualität der Ware deshalb nicht bescheinigen, weil diese Anstalt lebensmittelhygienische Untersuchungen nicht durchführt?
Es bleibt dahingestellt, ob die Zulassung der Revision insoweit nicht schon deshalb zu versagen ist, weil die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der aufgeworfenen Fragen nicht ausreichend dargelegt hat (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Jedenfalls haben die gestellten Fragen keine grundsätzliche Bedeutung oder sie können in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht geklärt werden.
Der zunächst gestellten Frage kommt deshalb keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil sich ihre Beantwortung bereits eindeutig aus dem Wortlaut des Art. 13 VO Nr. 3665/87 und den bereits zitierten Entscheidungen des EuGH ergibt. Danach ist Voraussetzung für die Gewährung der Ausfuhrerstattung, dass die Ware von gesunder und handelsüblicher Qualität ist. Die Eignung des Fleisches zum menschlichen Verzehr ist dagegen kein eigenständiges Merkmal, das im Rahmen des Art. 13 VO Nr. 3665/87 von Bedeutung ist.
Auch die weitere Frage ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung, weil der EuGH bereits entschieden hat, dass die Voraussetzungen des Art. 13 VO Nr. 3665/87 nur dann erfüllt sind, wenn das Erzeugnis so beschaffen ist, dass es auf dem Gemeinschaftsmarkt unter "normalen Verhältnissen" (EuGH in EuGHE 1998, I-7555) bzw. unter "normalen Bedingungen und unter dem im Erstattungsantrag erscheinenden Bezeichnung" (EuGH in EuGHE 1973, 963) vermarktet werden könnte. Danach ist eindeutig, dass es in diesem Zusammenhang nicht darauf ankommt, zu welchem Preis der drittländische Empfänger das Erzeugnis abgenommen und zu welchem Preis der Ausführer das Erzeugnis erworben hat. Entscheidend ist vielmehr allein, ob das Erzeugnis im Zeitpunkt der Ausfuhrabfertigung objektiv unter normalen Bedingungen auf dem Gemeinschaftsmarkt vermarktet werden könnte. Dies hat das FG verneint, indem es sich auf die Untersuchungszeugnisse und die Gutachten der ZPLA sowie auf das von der Klägerin im Einspruchsverfahren eingereichte Gutachten des …-Instituts gestützt hat, die diese Frage ebenfalls negativ beantwortet haben.
Die letzte Frage wäre schließlich in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht klärungsfähig, weil sie von einem anderen als dem vom FG festgestellten und das Revisionsgericht gegebenenfalls bindenden (§ 118 Abs. 2 FGO) Sachverhalt ausgeht. Nach den Feststellungen des FG ist nämlich bei dem als Proben entnommenen Fleisch eine auffällige Verfärbung des Fleisches festgestellt worden. Die ZPLA hat bei ihrer Untersuchung Gefrierbrand an dem Fleisch festgestellt und mitgeteilt, dass sie deswegen die handelsübliche Qualität des untersuchten Fleisches nicht bescheinigen könne.
6. Im Zusammenhang mit der Auslegung und Anwendung von Art. 70 Abs. 1 Unterabs. 1 ZK hat die Klägerin folgende angeblich grundsätzlich bedeutsamen Fragen gestellt:
- Ist es zulässig, Vorschriften des europäischen ZK unter Berufung auf die Rechtsprechung des BFH zu entsprechenden, aber nicht gleichlautenden Vorschriften des deutschen Zollgesetzes (ZG) von 1961 zu interpretieren?
- Verlangt Art. 3 Abs. 5 VO Nr. 3665/87, dass in einer Ausfuhranmeldung für Erstattungszwecke in jedem Fall durch einen besonderen Zusatz darauf hinzuweisen ist, dass die zu einer Position der Erstattungsnomenklatur gehörenden Erstattungserzeugnisse in sich unterschiedlich beschaffen sind?
- Wird die Beschaffenheitsfiktion des Art. 70 Abs. 1 Unterabs. 1 ZK auch bei einer Teilbeschau ausgelöst, die keine repräsentative Packstückmenge zum Gegenstand hat, wenn in der Zollanmeldung nicht auf die unterschiedliche Beschaffenheit der Erzeugnisse ausdrücklich hingewiesen wurde?
Hinsichtlich dieser Fragen hat die Klägerin aber die grundsätzliche Bedeutung der Sache nicht ―wie nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlich― dargelegt. Denn der Umstand, dass diese Fragen noch nicht Gegenstand höchstrichterlicher Rechtsprechung waren, sich tagtäglich bei der Zollabfertigung und in einer Vielzahl von Erstattungsfällen stellen, bedeutet noch nicht, dass ein Interesse der Allgemeinheit an ihrer grundsätzlichen Klärung besteht (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 116 Rz. 34). Zur Darlegung dieser Voraussetzung hätte die Klägerin insbesondere darauf eingehen müssen, inwieweit die Beantwortung dieser Rechtsfragen umstritten ist und sie sich nicht eindeutig aus den geltenden Vorschriften beantworten lassen. Ferner hätte die Klägerin auf die Entscheidungserheblichkeit dieser Fragen eingehen müssen. Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht.
Die erste Frage ist so allgemein gestellt, dass sie in diesem Verfahren überhaupt nicht beantwortet werden könnte. Das gilt auch für die zweite Frage. Sollte diese Frage dahin zu präzisieren sein, ob in der Ausfuhranmeldung der genannte Hinweis anzubringen ist, wenn eine Teilbeschau mit der von ihr nach Art. 70 Abs. 1 Satz 1 ZK ausgehenden Fiktion verhindert werden soll, so wäre diese Frage dann weiter zu bejahen.
Hinsichtlich der dritten Frage besteht bereits eine Rechtsprechung des BFH, auf die sich das FG auch bezieht, zu der dem Art. 70 Abs. 1 Unterabs. 1 ZK im Wesentlichen inhaltsgleichen Vorschrift des § 17 Abs. 1 Satz 2 des (nationalen) ZG von 1961. Danach ist es bei einer Stichprobe nicht notwendig, dass sie repräsentativ ist (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 12. Februar 1974 VII R 11/71, BFHE 112, 93). Auch wenn das ZG inzwischen durch den ZK überholt ist, wäre es doch erforderlich gewesen, im Einzelnen in der Beschwerdebegründung darzulegen, weshalb diese Rechtsprechung auf den nunmehr geltenden, inhaltsgleichen Art. 70 Abs. 1 Unterabs. 1 ZK nicht übertragbar sein soll. Dazu äußert sich die Beschwerde jedoch nicht.
Fundstellen