Entscheidungsstichwort (Thema)
Richterliche Hinweispflicht
Leitsatz (NV)
Bei einem rechtskundig vertretenen Beteiligten ist ein richterlicher Hinweis auf die fehlende Erfolgsaussicht des Begehrens des Beteiligten regelmäßig dann entbehrlich, wenn hierauf bereits der Prozessgegner hingewiesen hat.
Normenkette
GG Art. 103 Abs. 1; FGO § 76
Tatbestand
Rz. 1
I. Durch Beschluss vom 14. Dezember 2011 X S 11/11 (PKH) lehnte der beschließende Senat den Antrag des Klägers, Beschwerdeführers und Rügeführers (Kläger), ihm für das unter dem Aktenzeichen X B 42/11 geführte Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Revision Prozesskostenhilfe (PKH) zu gewähren, ab. Auch verwarf der beschließende Senat durch den ebenfalls am 14. Dezember 2011 ergangenen Beschluss diese Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig. Gegen diese Beschlüsse wendet sich der Kläger persönlich mit seinem als "Sofortiges Rechtsmittel, Gegendarstellung und Erinnerung" bezeichneten Schreiben vom 2. Januar 2012.
Rz. 2
Er macht geltend, ihm seien vor Ergehen der zu beanstandenden Entscheidungen keine rechtlichen Hinweise erteilt worden. Es sei daher das rechtliche Gehör verletzt worden. Die Entscheidungen seien auch unrichtig. Ihm sei PKH zu bewilligen. Auch sei ihm der von ihm benannte Rechtsanwalt beizuordnen.
Rz. 3
Auf die ihm vom Beklagten, Beschwerdegegner und Rügegegner (Finanzamt --FA--) erteilte Rechtsbehelfsbelehrung habe er vertrauen dürfen. Zudem habe der Bundesfinanzhof (BFH) nicht beachtet, dass er sich stets in der Sache auf Verjährung und Verwirkung berufen hätte. Auch sei in der vor dem Finanzgericht Berlin-Brandenburg getroffenen tatsächlichen Verständigung vom 25. Januar 2006 zu Unrecht angenommen worden, er, der Kläger, habe im Jahr 1996 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von … DM erzielt.
Entscheidungsgründe
Rz. 4
II. Da der Kläger die Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) geltend macht und die Richtigkeit der getroffenen Entscheidungen in Zweifel zieht, wertet der beschließende Senat das klägerische Begehren als Anhörungsrüge (§ 133a FGO) und als Gegenvorstellung gegen die Beschlüsse vom 14. Dezember 2011 X B 42/11 und X S 11/11 (PKH).
Rz. 5
1. Die Anhörungsrüge ist zum Teil unzulässig und im Übrigen unbegründet.
Rz. 6
a) Sie ist wegen Nichtbeachtung des Vertretungszwangs (§ 62 Abs. 4 FGO) unzulässig, soweit sie sich gegen den Beschluss vom 14. Dezember 2011 X B 42/11 richtet. Der Vertretungszwang für Verfahren vor dem BFH gilt auch für die Erhebung einer Anhörungsrüge, wenn für die beanstandete Entscheidung --wie hier einer Entscheidung über eine Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision-- ihrerseits Vertretungszwang galt (BFH-Beschluss vom 27. Januar 2011 V S 31/10, BFH/NV 2011, 838). Da der Vertretungszwang bei der Einlegung des Rechtsbehelfs zu beachten ist, hätte der Kläger seine gegen den Beschluss X B 42/11 gerichtete Anhörungsrüge durch eine postulationsfähige Person oder Gesellschaft i.S. des § 62 Abs. 4 FGO einlegen müssen. Dies ist im Streitfall nicht erfolgt.
Rz. 7
b) Im Übrigen ist die Anhörungsrüge unbegründet.
Rz. 8
Der Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör wurde nicht dadurch verletzt, dass der BFH ihn nicht vor Erlass der beanstandeten Entscheidung über seinen PKH-Antrag auf die fehlenden Erfolgsaussichten hingewiesen hat.
Rz. 9
Die richterliche Hinweispflicht soll den Beteiligten Schutz und Hilfestellung geben, ohne deren Eigenverantwortung zu beseitigen. Inhalt und Umfang der richterlichen Hinweispflicht hängen von der Sach- und Rechtslage des einzelnen Falles sowie von der Mitwirkung und den individuellen Möglichkeiten der Beteiligten ab (BFH-Beschluss vom 5. August 2011 III B 144/10, BFH/NV 2011, 1915). Ist ein Kläger rechtskundig vertreten, bedarf es eines richterlichen Hinweises regelmäßig in solchen Fällen nicht, in denen der Prozessgegner bereits auf die gegen die Erfolgsaussichten sprechenden Gesichtspunkte hingewiesen hat. Denn bei einer solchen Sachlage muss grundsätzlich damit gerechnet werden, dass das Gericht den Hinweisen des Prozessgegners folgt (BFH-Beschluss vom 15. Juni 2001 VII B 45/01, BFH/NV 2001, 1580). Dies ist hier gegeben. Denn das FA hat bereits mit Schriftsatz vom 18. Mai 2011 dargelegt, aus welchen Gründen kein Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) vorliegt und dass die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) nicht schlüssig dargelegt worden ist.
Rz. 10
2. Die gegen die Beschlüsse X B 42/11 und X S 11/11 (PKH) gerichtete Gegenvorstellung ist unzulässig.
Rz. 11
Eine solche ist nur zulässig, wenn substantiiert dargelegt wird, die (jeweils) angegriffene Entscheidung beruhe auf schwerwiegenden Grundrechtsverstößen oder sie entbehre jeder gesetzlichen Grundlage (Senatsbeschluss vom 6. Oktober 2010 X S 25/10, BFH/NV 2011, 276). Solche Einwendungen werden vom Kläger nicht geltend gemacht. Insbesondere zeigt sein Vortrag keine greifbare Gesetzeswidrigkeit der angefochtenen Entscheidungen auf.
Rz. 12
3. Da das klägerische Begehren keinen Erfolg hat und ihm daher keine PKH zu bewilligen ist, geht sein Antrag, ihm seinen Rechtsanwalt beizuordnen, ins Leere.
Rz. 13
4. Die Gegenvorstellung ergeht gerichtsgebührenfrei (BFH-Beschluss vom 14. November 2006 IX S 14/06, BFH/NV 2007, 474). Für die Entscheidung über die Anhörungsrüge wird eine Gebühr in Höhe von 50 € erhoben (Nr. 6400 des Kostenverzeichnisses, Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes).
Fundstellen
Haufe-Index 2964489 |
BFH/NV 2012, 1149 |