Entscheidungsstichwort (Thema)
Anhörungsrüge; Anspruch auf rechtliches Gehör; richterliche Hinweispflicht bei fehlender Erfolgsaussicht
Leitsatz (NV)
1. Auf den Vorwurf, das Gericht habe in der Sache fehlerhaft entschieden, kann eine Anhörungsrüge nicht gestützt werden.
2. Ein richterlicher Hinweis auf die fehlende Erfolgsaussicht des Begehrens des rechtskundig vertretenen Beteiligten ist regelmäßig dann entbehrlich, wenn hierauf bereits der Prozessgegner hingewiesen hat.
Normenkette
GG Art. 103 Abs. 1; FGO § 133a
Tatbestand
Rz. 1
I. Mit Beschluss vom 2. Mai 2012 VI B 7/12 hat der angerufene Senat die Beschwerde der Kläger, Beschwerdeführer und Rügeführer (Kläger) wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 16. November 2011 5 K 1794/06 als unzulässig verworfen. Gegen den ihnen am 11. Juni 2012 zugegangenen Beschluss wenden sich die Kläger mit der Anhörungsrüge. Der entsprechende Schriftsatz ist am 14. Juni 2012 beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangen.
Entscheidungsgründe
Rz. 2
II. Die Anhörungsrüge ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 133a Abs. 4 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der Anspruch der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs wurde im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde nicht verletzt.
Rz. 3
1. Der Anspruch auf rechtliches Gehör kann nur dann i.S. von § 133a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FGO in entscheidungserheblicher Weise verletzt sein, wenn der BFH bei seiner Beschwerdeentscheidung ein Vorbringen im Zusammenhang mit der Darlegung der Gründe für die Zulassung der Revision i.S. von § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 FGO nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat und die Revision bei Berücksichtigung dieses Vorbringens hätte zugelassen werden müssen (BFH-Beschluss vom 7. Februar 2011 XI S 29/10, BFH/NV 2011, 824). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen eines Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, zumal es nach Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes nicht verpflichtet ist, sich mit jedem Vorbringen in der Begründung seiner Entscheidung ausdrücklich zu befassen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist daher erst dann verletzt, wenn sich aus den besonderen Umständen des einzelnen Falles deutlich ergibt, dass das Gericht ein tatsächliches Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (vgl. BFH-Beschluss vom 12. April 2011 III S 49/10, BFH/NV 2011, 1177, m.w.N.).
Rz. 4
2. Nach diesen Grundsätzen liegen im Streitfall keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Senat im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde den Anspruch der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt haben könnte. Vielmehr hat der Senat das gesamte Beschwerdevorbringen der Kläger berücksichtigt.
Rz. 5
a) Ausweislich der angegriffenen Entscheidung hat der Senat die Beschwerdebegründung der Kläger vom 15. Februar 2012 an § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gemessen und insoweit als unzureichend befunden. Ebenso hat der Schriftsatz der Kläger vom 30. April 2012 Eingang in den Senatsbeschluss vom 2. Mai 2012 VI B 7/12 gefunden. Denn hierzu wird ausdrücklich ausgeführt, dass allein das Vorbringen, dass von einer Rechtsfrage möglicherweise eine Vielzahl von Steuerfällen betroffen ist, einer Sache nicht grundsätzliche Bedeutung zu verleihen vermag.
Rz. 6
b) Im Kern tragen die Kläger mit ihrer Rüge insoweit vor, dass der Senat in dem angefochtenen Beschluss ihrer Rechtsauffassung nicht gefolgt sei und machen damit geltend, der Senat habe in der Sache fehlerhaft entschieden. Mit diesem Vorbringen können die Kläger im Rahmen der Anhörungsrüge nach § 133a FGO, die auf die Geltendmachung der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör beschränkt ist, nicht gehört werden.
Rz. 7
3. Der Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör wurde nicht dadurch verletzt, dass der BFH sie nicht vor Erlass der beanstandeten Entscheidung über die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision auf die fehlenden Erfolgsaussichten des Rechtsmittels hingewiesen hat.
Rz. 8
Die richterliche Hinweispflicht soll den Beteiligten Schutz und Hilfestellung geben, ohne deren Eigenverantwortung zu beseitigen. Inhalt und Umfang der richterlichen Hinweispflicht hängen von der Sach- und Rechtslage des einzelnen Falles sowie von der Mitwirkung und den individuellen Möglichkeiten der Beteiligten ab (BFH-Beschluss vom 5. August 2011 III B 144/10, BFH/NV 2011, 1915). Ist ein Kläger --wie vorliegend-- rechtskundig vertreten, bedarf es eines richterlichen Hinweises regelmäßig in solchen Fällen nicht, in denen der Prozessgegner --wie im Streitfall-- bereits auf die gegen die Erfolgsaussichten sprechenden Gesichtspunkte hingewiesen hat. Denn bei einer solchen Sachlage muss grundsätzlich damit gerechnet werden, dass das Gericht den Hinweisen des Prozessgegners folgt (BFH-Beschluss vom 14. Februar 2012 X S 1/12, BFH/NV 2012, 1149). Dies ist hier gegeben. Denn der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) hat bereits mit Schriftsatz vom 22. März 2012 dargelegt, aus welchen Gründen die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision unzulässig sei, weil sie den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO nicht genüge.
Rz. 9
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133a Abs. 4 Satz 4 FGO).
Rz. 10
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Gerichtskosten richten sich nach Nr. 6400 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz --GKG-- (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG i.d.F. des Anhörungsrügengesetzes vom 9. Dezember 2004, BGBl I 2004, 3220). Es fällt eine Festgebühr von 50 € an.
Fundstellen
Haufe-Index 3447784 |
BFH/NV 2012, 2000 |