Entscheidungsstichwort (Thema)
Richterablehnung
Leitsatz (NV)
1. Die rügelose Einlassung zur Sache im Erörterungstermin führt zum Verlust des Ablehnungsrechts.
2. Eine lange Verfahrensdauer allein rechtfertigt nicht die Besorgnis der Befangenheit eines Richters.
Normenkette
FGO § 51 Abs. 1; ZPO § 42 Abs. 2, § 43
Tatbestand
Der Kläger lehnte in seinem Rechtsstreit gegen den Beklagten (Finanzamt - FA -) wegen Abrechnungsbescheiden den Berichterstatter des Finanzgerichts (FG), Richter am FG X, wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Zur Begründung berief er sich auf die seiner Ansicht nach siebenjährige Laufzeit des Rechtsstreits. Das FG habe nichts zur Aufklärung des Verbleibs der - wie vom Kläger behauptet - beim FA verschwundenen Gelder getan. Der Prozeß sei ein einziger Betrug gegen seine Person. Er habe schon ... dargelegt, daß in diesem Rechtsstreit Gelder in erheblichem Umfang veruntreut worden seien.
Das FG wies das Ablehnungsgesuch zurück. Zur Begründung führte es aus, das Ablehnungsgesuch sei verspätet. Der Kläger habe sich bei dem von ihm für befangen gehaltenen Berichterstatter in eine Verhandlung eingelassen, ohne einen Ablehnungsgrund geltend zu machen. Des weiteren führte das FG an, daß die lange Verfahrensdauer auf die Überlastung des entscheidenden Senats zurückzuführen sei. Das FG erledige die Verfahren, soweit irgendmöglich, nach der zeitlichen Reihenfolge der Eingänge. Im Streitfall sei keine mißbräuchliche Abweichung von diesem Grundsatz erkennbar. Es sei daher keine Besorgnis der Befangenheit des Berichterstatters begründet.
Mit der eingelegten Beschwerde verfolgt der Kläger sein Ablehnungsgesuch weiter.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist nicht begründet. Das FG hat zu Recht das Ablehnungsgesuch des Klägers zurückgewiesen.
1. Der Kläger hat sein Ablehnungsrecht gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 43 der Zivilprozeßordnung (ZPO) verloren, da er sich im Erörterungstermin ... zur Sache eingelassen hat. Ein Verfahrensbeteiligter kann einen Richter nach diesen Vorschriften nicht mehr wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnen, wenn er sich bei ihm, ohne den ihm bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen hat, wozu auch ein Erörterungstermin zählt (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13. März 1992 IV B 172/90, BFH/NV 1992, 679; BFH-Urteil vom 18. März 1970 I R 98/68, BFHE 98, 503). § 43 ZPO stellt eine unwiderlegliche Vermutung dafür auf, daß eine Partei mit der Person desjenigen Richters einverstanden ist, vor dem sie sich trotz eines ihr bekannten Ablehnungsgrundes in eine Verhandlung einläßt (Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach, Zivilprozeßordnung, 51. Aufl., § 43 Rdnr. 2). Dem Kläger war zu Beginn des Erörterungstermins ... seitens des Berichterstatters der Grund für die lange Verfahrensdauer mitgeteilt worden, dennoch ließ er sich rügelos in die Verhandlung ein. Auch sein Ablehnungsgesuch enthielt fast ausschließlich Ausführungen zur Sach- und Rechtslage des Streitfalles.
2. Selbst bei rechtzeitiger Anbringung des Ablehnungsgesuchs läge im übrigen kein Ablehnungsgrund vor. Gemäß § 51 Abs. 1 FGO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dabei kommt es darauf an, daß ein am Verfahren Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei Anlegung eines objektiven Maßstabs, d.h. bei vernünftiger Würdigung aller Umstände, Anlaß hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (BFH-Beschluß vom 4. Juli 1985 V B 3/85, BFHE 144, 144, BStBl II 1985, 555).
Das Vorbringen des Klägers - die lange Verfahrensdauer - rechtfertigt nicht die Besorgnis der Befangenheit des Berichterstatters. Es sind keine Gründe in der Prozeßführung ersichtlich, die eine unsachliche oder willkürliche Einstellung des Richters befürchten lassen. Zum einen beruht die lange Verfahrensdauer im Streitfall darauf, daß zahlreiche Schriftsätze gewechselt worden sind und der Kläger zweimal Terminsverlegungen beantragte. Zum anderen ist der Grund der Verfahrensdauer in der Arbeitsbelastung des zuständigen Senats begründet. Es ist nicht zu beanstanden, daß das FG die unerledigten Verfahren nach der zeitlichen Reihenfolge der Klageeingänge bearbeitet. Weder ist ersichtlich noch hat der Kläger vorgetragen, daß im Streitfall von diesem Grundsatz abgewichen und die Sachentscheidung willkürlich verzögert worden ist.
Fundstellen