Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsätzliche Bedeutung; Übertragung der Verwertungsbefugnis
Leitsatz (NV)
1. Zur Auslegung des § 1 Abs. 2 GrEStG 1983 liegt umfangreiche Rechtsprechung vor. Danach erfordert diese Vorschrift nicht, daß der Berechtigte wie ein Eigentümer über das Grundstück verfügen, d.h. es besitzen, verwalten, nutzen und schließlich veräußern kann. Entscheidend ist vielmehr, daß er die Verwertungsbefugnis über das Grundstück erlangt hat. Rechtsfragen in diesem Zusammenhang werden nur selten über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung haben.
2. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG 1983 kann auch erfüllt sein, wenn zwar der über das Grundstück Dispositionsbefugte und derjenige, dem der Grundstückswert zugute kommt, zwei verschiedene Personen sind, ersterer aber nur als Hilfsperson eingeschaltet ist.
Normenkette
GrEStG BW § 1 Abs. 2 (= GrEStG 1983 § 1 Abs. 2); FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unbegründet, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat.
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO), wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, deren Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Es muß sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27. Juni 1985 I B 23/85, BFHE 144, 133, BStBl II 1985, 605 m.w.N.). Die Rechtsfrage muß klärungsbedürftig und im Streitfall klärungsfähig sein. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt.
Nach § 1 Abs. 2 des damals geltenden Baden-Württembergischen Grunderwerbsteuergesetzes - GrEStG - (= § 1 Abs. 2 GrEStG 1983) unterliegen der Grunderwerbsteuer Rechtsvorgänge, die es ohne Begründung eines Anspruchs auf Übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten. Zur Auslegung dieser Vorschrift liegt eine umfangreiche jahrzehntelange Rechtsprechung vor (vgl. BFH-Urteile vom 17. Oktober 1990 II R 55/88, BFH/NV 1991, 556, und vom 14. September 1988 II R 116/85, BFHE 155, 153, BStBl II 1989, 52, jeweils m.w.N.). Danach ist es zur Erfüllung des Tatbestands des § 1 Abs. 2 GrEStG nicht erforderlich, daß der Berechtigte wie ein Eigentümer über das Grundstück verfügen, d.h. es besitzen, verwalten, nutzen, belasten und schließlich veräußern kann. Es genügt vielmehr, wenn er die Verwertungsbefugnis über das Grundstück erlangt hat, auch wenn das eine oder andere der genannten Rechte ihm nicht eingeräumt worden ist oder ihm nicht zusteht. Entscheidend dafür ist jeweils, ob die Gesamtheit der mit den Grundstückseigentümern getroffenen Vereinbarungen eine Verwertungsbefugnis in dem vorstehend dargelegten Sinn begründet (BFH-Urteil vom 3. Oktober 1984 II R 109/82, BFHE 142, 185, BStBl II 1985, 97). Diese Entscheidung ist notwendigerweise weitgehend einzelfallbezogen. Rechtsfragen in diesem Zusammenhang werden daher nur selten über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung haben.
Das Finanzgericht (FG) hat im Streitfall die Auffassung vertreten, daß eine Verwertungsbefugnis i.S. des § 1 Abs. 2 GrEStG auch dann vorliegen kann, wenn ein Dritter als Hilfsperson des eigentlich Verwertungsberechtigten eingeschaltet ist. Diese nach Auffassung der Klägerin im Interesse der Allgemeinheit klärungsbedürftige Rechtsfrage ist bereits durch Rechtsprechung geklärt. Dies ergibt sich aus dem - auch von der Klägerin herangezogenen - Urteil des erkennenden Senats vom 21. Juli 1965 II 78/62 U (BFHE 83, 166, BStBl III 1965, 561). Nach dieser Entscheidung kann der Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG auch dann erfüllt sein, wenn zwar der über das Grundstück Dispositionsbefugte und derjenige, dem der Grundstückswert wirtschaftlich zugute kommt, zwei verschiedene Personen sind, ersterer aber nur als Hilfsperson eingeschaltet ist. Diese Rechtsfrage kann daher dem Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung mehr geben.
Eine grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits könnte daher allenfalls aus der weiteren - von der Klägerin in der Nichtzulassungsbeschwerde ebenfalls aufgeworfenen - Frage abgeleitet werden, ob nach den Umständen des Streitfalles Herr A als Hilfsperson in diesem Sinne angesehen werden kann. Die Entscheidung dieser Frage ist jedoch nicht von allgemeinem Interesse, sondern lediglich einzelfallbezogen. Die von der Klägerin insoweit angeführten Gesichtspunkte führen zu keinem anderen Ergebnis. Die Tatsache, daß im Streitfall - im Gegensatz zur BFH-Entscheidung in BFHE 83, 166, BStBl III 1965, 561 - keine unwiderrufliche, sondern eine widerrufliche Vollmacht erteilt wurde, ist im Zusammenhang mit der aufgeworfenen Rechtsfrage unerheblich. Die Widerruflichkeit oder Unwiderruflichkeit der Vollmacht hat keine Bedeutung für die Frage, ob der Bevollmächtigte als Hilfsperson des wirtschaftlich Berechtigten anzusehen ist oder nicht. Sie könnte allenfalls von Bedeutung sein für die Beantwortung der Frage, ob überhaupt (d.h. unabhängig von einer Aufteilung auf zwei Personen) eine Verwertungsbefugnis i.S. von § 1 Abs. 2 GrEStG eingeräumt wurde. Für die von der Klägerin mit der Nichtzulassungsbeschwerde aufgeworfene Rechtsfrage hat dies für sich gesehen jedoch keine Bedeutung.
Auch der weitere von der Klägerin herausgestellte Sachverhaltsunterschied zum vom BFH entschiedenen Fall ist nicht so schwerwiegend, daß dadurch eine neue bisher nicht geklärte, im Interesse der Allgemeinheit aber klärungsbedürftige Rechtsfrage aufgeworfen wird. Im vom BFH in BFHE 83, 166, BStBl III 1965, 561 entschiedenen Fall war die Hilfsperson im Rahmen eines schuldrechtlichen (Auftrags- oder) Geschäftsbesorgungsverhältnisses nicht nur dem Eigentümer, sondern mit dessen Einwilligung auch dem Berechtigten gegenüber verpflichtet, die Kaufverträge nur mit dessen Zustimmung abzuschließen. Im Streitfall geht das FG davon aus, daß der Grundstückskaufvertrag nur mit Zustimmung der B abgeschlossen werden konnte und daß der Bevollmächtigte von der B eingeschaltet und für die weitergehendere Vermakelung des Grundstücks eingesetzt war. Dieser geringfügige Unterschied im Sachverhalt wirft jedenfalls keine neue Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf, die in einem Revisionsverfahren geklärt werden müßte. Darüber, ob die Entscheidung des FG im Einzelfall zutreffend ist, d.h. ob die Rechtsprechung des erkennenden Senats auf den Streitfall zutreffend übertragen worden ist, hat der Senat im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde nicht zu entscheiden.
Fundstellen
Haufe-Index 419032 |
BFH/NV 1994, 123 |